Die neuen Mehrfachkarten für das Stammheimer Freibad sind noch immer umstritten. Foto: Fritsch

Wirklich gelungen oder totaler Reinfall? Während die ENCW vor Kurzem von einem positiven Saisonabschluss des Stammheimer Freibads sprach, mehren sich die Stimmen derer, die ganz anderer Meinung sind. Die ENCW verteidigt ihr Vorgehen indes weiterhin.

Calw-Stammheim - Wenn das Stammheimer Freibad am kommenden Montag, 3. Oktober, zum Hundeschwimmen einlädt, dann ist die Saison wirklich vorbei. Wobei der letzte Badetag für Zweibeiner bereits länger her ist: Um wegen der Energiekrise zu sparen, war in diesem Jahr am 4. September Schluss. Zudem hatte sich aus demselben Grund die Eröffnung um zwei Wochen verschoben.

Das Fazit des Freibad-Betreibers ENCW fiel dennoch positiv aus, auch die Aufregung um die in diesem Jahr abgeschafften Saisonkarten schien sich gelegt zu haben, nur noch "vernachlässigbar wenige" Rückmeldungen seien eingegangen. Die Gäste hätten die Vorteile der Mehrfachkarten geschätzt. Jene hatte die ENCW neu eingeführt. Also alles gut? Offenbar nicht.

Das sagen Kritiker

Margret und Reinhold Klass aus Gechingen beispielsweise wandten sich vor Kurzem mit einer Zuschrift an unsere Redaktion. "Als jahrelange Käufer einer Dauerkarte im Stammheimer Freibad haben auch wir uns über den Wegfall von Jahreskarten für Erwachsene sehr geärgert", heißt es in dem Schreiben der beiden. "Dass uns nun auch noch weisgemacht werden soll, dass dies ein Erfolgsmodell war, setzt dem Ganzen die Krone auf!"

Besucherzahlen

Dass die Besucherzahlen nach den beiden Corona-Jahren ansteigen würden, könne doch nicht als Erfolg verbucht werden – und der Vergleich zu den Vorjahren falle dagegen mager aus: Gab es 2018 noch 100 000 Gäste, schrumpfte diese Zahl 2022 auf 75 000. Trotz des Rekordsommers.

Die Besucherzahlen beispielsweise in den Stuttgarter Freibädern seien dagegen von 760 000 im Jahr 2019 (also vor Corona) auf 828 000 angestiegen – und zwar bis einschließlich 6. September, also in einem vergleichbaren Zeitraum.

Insofern sei im Fall des Stammheimer Freibads eher von einem starken Abwärtstrend zu sprechen. "In unserem Familien- und Bekanntenkreis sind viele nach Bad Liebenzell und Bad Teinach abgewandert – dort wird mit ›Kunden‹ anders umgegangen", unterstreichen Margret und Reinhold Klass.

Finanzen

Nicht zuletzt werde "wohlweislich verschwiegen, welche Beträge an Eintrittsgeld zusammengekommen sind".

Die Mehrfachkarten

Auch auf unserer Facebook-Seite "Schwarzwälder Bote Calw" wurde das Thema eifrig diskutiert – und das Urteil fiel eindeutig aus. "Man kann sich alles schön reden. Ich kenne niemanden, der die Tickets gut fand", schrieb zum Beispiel Karin C. mit Blick auf die Mehrfachkarten und die Bilanz der ENCW. "Die noch Guthaben haben und wegziehen oder nicht mehr können, bleiben auf ihren Kosten sitzen."

Darüber hinaus sei "halb Stammheim", so berichtet Daniel C., "den ganzen Sommer über sauer" gewesen. Dies habe sich auch daran gezeigt, dass das Bad "nur bei absolutem Top-Wetter" wirklich gut besucht gewesen sei. Petra E. ergänzt: "Meine Jungs haben auch jedes Mal, wenn sie dort waren, gesagt, dass wenig los war, also irgendwas stimmt da wohl echt nicht." Und Jürgen S. meint, er sei "seit 50 Jahren im Freibad und noch nie war so wenig los wie dieses Jahr".

Jes S. kritisiert, mit den neuen Mehrfachkarten "machen die sich alles kaputt". Immerhin gebe es auch "andere Freibäder in der Region, die vielleicht nicht so schön sind, aber dafür preislich annehmbar". Silke G. berichtet, "ganz viele ›ehemaligen Stammgäste‹" in einem anderen Bad gesehen zu haben, wo diese sich Dauerkarten besorgt hätten.

Das sagt die ENCW

Mit den Kritikpunkten konfrontiert, verteidigt die ENCW indes nach wie vor die Einführung der neuen Mehrfachkarten auf Kosten der bisherigen Saisonkarten – und führt dazu auf Nachfrage unserer Redaktion auch Zahlen ins Feld.

Besucherzahlen

So erklärt Cornelia Ress, Leitung Service bei der ENCW, dass beim Vergleich der Besucherzahlen im Jahr 2018 mit 2022 zu berücksichtigen sei, dass das Freibad 2018 bereits am 1. Mai geöffnet und erst am 20. September geschlossen wurde. Im Vergleich zur Saison 2022 bedeute dies, dass 29 Tage länger geöffnet gewesen sei "und dass in diesem Zeitraum rund 19 000 Besucher das Freibad besuchten", rechnet sie vor. "Bereinigt um die Öffnungstage liegt die Besucherzahl des Jahres 2022 aus unserer Sicht auf Niveau der Jahre vor Corona."

Auch der Mehrfachkartenverkauf sei vergleichbar. Während in der Saison 2018 rund 1440 Saisonkarten veräußert wurden, waren es 2022 1400 Mehrfachkarten.

"Sollten tatsächlich Badegäste ›abgewandert‹ sein, so bedauern wir dies natürlich sehr", erklärt Ress zudem.

Finanzen

Zur Frage der Finanzen nennt die ENCW keine konkreten Zahlen. Calws Oberbürgermeister Florian Kling hatte jedoch zu Saisonbeginn erklärt, dass der städtische Zuschuss an die Bäderbetriebe im vergangenen Jahr rund 800 000 Euro betragen habe. Dieses Defizit, so die Service-Leiterin bei der ENCW, sei sehr stark von den Corona-Beschränkungen geprägt gewesen – und damit von begrenzten Besucherzahlen sowie strengen zusätzlichen Sicherheits- und Hygienemaßnahmen. Unterm Strich also höhere Kosten und weniger Einnahmen. "Das Defizit im Freibad wird daher im Geschäftsjahr 2022 geringer ausfallen", ist Ress sicher.

Die Frage, ob sich die Mehrfachkarten in finanzieller Hinsicht positiv ausgewirkt haben, bleibt dagegen unbeantwortet.

Stattdessen hebt sie hervor, "dass die Stadtwerke Calw GmbH den Calwer Bürgern ein besonderes Freibaderlebnis bieten wollen und hierfür kontinuierlich in die Ausstattung, technischen Anlagen und die Sicherheit investieren. Gespart wird weder an den Betriebsmitteln noch am Fachpersonal". Auch die "in der Branche leider gängigen Öffnungszeitenkürzungen" habe es nicht gegeben und die Sicherheit der Badegäste sei jederzeit gewährleistet worden.

Die Mehrfachkarten

In Sachen Mehrfachkarten betont die ENCW weiterhin die bereits bekannten Argumente. Diese hätten deutlich Vorteile, seien im Unterschied zur Saisonkarte übertragbar, könnten von mehreren Personen und zudem drei Jahre lang genutzt werden, "sodass der Mehrfachkartenbesitzer auch bei einem verregneten Sommer sich nicht ärgern muss, dass seine Karte nach Saisonende verfällt. Dies war in den vergangenen Jahren immer wieder der größte Kritikpunkt an den Saisonkarten", erklärt Ress.

Da aus Sicht der ENCW insofern die Vorteile der Mehrfachkarte gegenüber der Saisonkarte überwiegen würden, gibt es derzeit offenbar auch keine Überlegungen, die alten Saisonkarten wieder einzuführen.