Michael Rüttiger arbeitet als wildtier-ökologischer Referent beim Ökologischen Jagdverband. Foto: Simon

Nach Kritik von Jagdpächter an Jagdmethode meldet sich Referent vom Ökologischen Jagdverband zu Wort. Mit Video

Donaueschingen/Blumberg - Michael Rüttiger hat einen Korb dabei, ein Ahorn-zweig, ein Stück einer Fichte und zwei Schädel: von Wildschwein und Reh. Rüttiger ist wildtier-ökologischer Referent beim Ökologischen Jagdverband (ÖJV). Aufmerksam hat er die Berichterstattung rund um Sebastian Back aus Blumberg verfolgt. Dieser fühlte sich zur Teilnahme an einer Drückjagd gezwungen und übte Kritik an dieser Art der Bejagung. Mehr dazu auch im Video:

Für Rüttiger ist die Angelegenheit mehr als unverständlich. Der 51-jährige Diplom-Forstwirt war im Jagdrevier von Back unterwegs, hat sich angeschaut, ob dort tatsächlich kein Verbiss durch Rehe zu finden sei, wie von Back behauptet. Rüttiger zeigt eine kleine Fichte, direkt von der Länge. Ausgefranst und abgenagt: "Das wird nichts mehr", erklärt der Forstwirt. Die Pflanze hat zu viel Schaden genommen. Verbiss ist also sehr wohl zu entdecken. Ein Zeichen, dass es zu viele Tiere sind, die nicht ausreichend Nahrung finden können. Er habe sich es auch nicht anders vorstellen können. "Es ist auch auszuschließen, dass dies in einem Gutachten der Forstbehörde so bestätigt worden wäre." Dass die Bäume nicht mehr nachwachsen können, ist für ihn auch eine Rechtfertigung für die Jagd.

Drückjagden, so sagt er, gebe es landesweit. Dass sie revierübergreifend gemacht werden, sei sinnvoll, aus mehreren Gründen: "Besonderer Aufhänger ist etwa die afrikanische Schweinepest. Ist das einmal in einem Wildtier, bekommt man es nicht mehr raus. Je mehr Tiere es gibt, desto höher die Dichte, desto höher auch die Ansteckungsgefahr." Auch sonst mache eine solche Bejagung Sinn. Es gebe immer mehr Wildschweine, so viele wie noch nie. Die Schäden werden immer mehr.

Das Argument vieler Naturschützer, die Natur reguliere sich selbst, kann Rüttiger nachvollziehen: "Aber wo ist denn noch Natur? Über den intensiven Maisanbau gibt es Nahrung. Die Tiere würden sich selbst regulieren, würden sie nicht solch ein Angebot finden." Auch im Winter werde von Jägern teilweise zugefüttert. Auch hier sei die Drückjagd sinnvoll: "Bei der Einzelbejagung kommt das Wild nie zur Ruhe oder es wechselt einfach das Revier, wenn es Bejagungslücken gibt. Die Tiere sind nicht doof", so der Forstwirt. Er ergänzt: "Daher kam dann auch die Idee, über einen bestimmten Zeitraum intensiv zu bejagen. Eine Drückjagd geht etwa zwei Stunden. Es gibt eine Unruhe, danach ist das erledigt, und man kann dem Wild im Winter Ruhe geben." Man tue dem Tier damit etwas Gutes: "Das Wild reagiert in etwa vier Wochen auf fehlende Bejagung." In entsprechenden Gebieten sei das leicht zu beobachten.

Unterschied zwischen Jagd und Hetze

Auch den Vorwurf, bei der Drückjagd auf der Länge seien zu viele Hunde mit dabei gewesen, es komme einer Hetzjagd gleich, will Rüttiger entkräften: "Die fachliche Praxis geht etwa von zehn Hunden auf 100 Hektar aus. Wenn Sie die Länge nehmen, da sieht man die 250 Hunde nicht." Zudem liege der Unterschied zwischen Jagd und Hetze darin, dass es bei der Hetze schließlich zum Kampf komme. Solche Veranstaltungen, wie etwa die englischen Fuchsjagden, seien in Deutschland gesetzlich verboten. "Die Hunde bellen und die Rehe hören das. Das ist auch Sinn der Sache: Dadurch sollen das Wild aufgescheucht und die Jäger gewarnt werden." Für die Hunde gebe es sogar entsprechende Prüfungen, an denen geschaut wird, ob es mit dem Bellen auch klappt. "Eine gut organisierte Drückjagd wird nicht zur Hetze", sagt Rüttiger.

Dass Sebastian Back zur Teilnahme an der Drückjagd gezwungen wurde, kann sich Rüttiger nicht vorstellen. Wohl stehe die Verpflichtung zur Teilnahme im Pachtvertrag des Jagd-Gebietes. Es gehe aber vielmehr um Solidarität: "Es geht darum, keine Bejagungslücke zu haben. Ansonsten funktioniert das nicht. Allein aus Solidarität zu den Landwirten und den anderen Jägern ist eine Teilnahme sinnvoll." Wenn Wildschweine das Feld eines Landwirtes verwüsten, sei das Verständnis in der Bevölkerung größer, dass etwas getan werden müsse, nicht so beim Wald: "Durch den Klimawandel gibt es Probleme mit dem Borkenkäfer. Wir brauchen einen artenreichen Wald. Der Verbiss selektiert allerdings. Auf der Länge werden Sie kaum einen Ahorn finden." Gerade dessen Knospen seien ein Leckerbissen. "Der Wildbestand muss angepasst werden, dass die Tiere auch genügend Nahrung finden können. Bloß zum Spaß sollen keine Tiere totgeschossen werden", so der 51-Jährige.

Ob der Verbiss mit sogenannten Tubex-Röhren, Wuchshüllen, in den Griff zu bekommen ist, wie Back vorschlägt? "Während das Jagdgesetz fordert, dass angemessene Wildbestände herzustellen sind, die eine ungeschützte Verjüngung der Hauptbaumarten gewährleisten, rät er zur Verwendung von Wuchshüllen, sogenannten Tubex, die sich angeblich nach Erreichen des Schutzzweckes in Nichts auflösen sollen", so Rüttiger. Richtig sei jedoch, dass die Tubex aus Polypropylen bestehen. "Sie müssen also rechtzeitig und arbeitsintensiv wieder eingesammelt werden. Geschieht das nicht, zerbrechen sie, wie viele andere Kunststoffprodukte auch, durch UV-Licht in kleine Stücke, die dann in der Umwelt liegen bleiben."

Oft sei das Argument zu hören, Wildschweine würden sich durch eine intensive Bejagung stärker vermehren. Das entspreche allerdings nicht den Tatsachen, so Michael Rüttiger. Die Behauptung gründe auf einer Studie, die das Wildschwein-Aufkommen in einem bejagten und einem nicht bejagten Gebiet untersucht habe. Das Problem: In dem bejagten Gebiet wurde zugefüttert, um die Tiere anzulocken.