Der Schweißer Micail Mohajer (rechts) bekam nach nur 20 Minuten vom Personalchef der Firma Friedrich Boysen, Clemens Amann, eine Jobzusage. Foto: Kunert

Ungewöhnliches Vermittlungsformat der Agentur für Arbeit. Menschen seien extrem dankbar.

Calw/Nagold - So schnell kann es beim "Speed-Dating" für Arbeitgeber und Flüchtlinge gehen: Nach 20 Minuten hatte der erste Bewerber bei diesem ungewöhnlichem Vermittlungsformat der Agentur für Arbeit Nagold-Pforzheim in der Calwer Aula seine Zusage für einen Arbeitsplatz in der Tasche.

Zwar erst einmal "nur" für ein einwöchiges Praktikum ab Anfang nächsten Jahres, aber so fangen die meisten langfristigen Beschäftigungsverhältnisse heute ja an. Micail Mohajer aus dem Iran war der sichtlich Glückliche. Seit einem Jahr erst ist er als Asylbewerber aus dem Iran im Nordschwarzwald, hat in dieser Zeit ganz passabel Deutsch gelernt, wie er im Bewerbungs-Gespräch mit Clemens Amann, dem Personalverantwortlichen der Firma Friedrich Boysen aus Altensteig, unter Beweis stellt.

Was Amann ohne lange zu zögern "zugreifen" ließ: Mohajer hat bereits Erfahrung als Schweißer; und ist, wie alle Bewerber hier an diesem Nachmittag, extrem hoch motiviert, sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine neue, eigene Existenz aufzubauen. "Eine phantastische Chance", wie er sagt. Für Boysen-Personal-Chef Amann ist die ganze Sache aber auch ein Experiment. "Wir haben im Moment drei offene Stellen in der Fertigung", aber bisher noch keine Erfahrung mit der Beschäftigung von Flüchtlingen, beziehungsweise Asylbewerbern. Gleichwohl, die derzeit rund 860 Beschäftigten bei Boysen im Kreis Calw kommen bereits heute aus über 20 Nationen. "Ohne Probleme, das ist völlige Normalität."

Junge Männer lernen sehr schnell Deutsch

Ute Albers von der Agentur für Arbeit bestätigt derweil, dass die erfolgreiche Vermittlung von Flüchtlingen in den hiesigen Arbeitsmarkt "mehr als ein zartes Pflänzchen" sei. Die Unternehmen "saugten" die neu zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte geradezu auf, andererseits seien die meist ja jungen Männer aus Ländern wie Syrien, Afghanistan oder eben – wie bei Micail Mohajer – aus dem Iran wirklich extrem hoch motiviert, sich hier zu beweisen. Was auch die "meist beeindruckend schnell erlernten Deutschkenntnisse" der Bewerber bestätigen würden.

Jandar, 25 Jahre alt und aus Syrien, ist ein weiteres solches Beispiel. Seit 14 Monaten in Deutschland, lernt er erst seit acht Monaten Deutsch. Und er spricht es flüssig, kann komplett ohne die beim Speed-Dating zur Sicherheit anwesenden Dolmetscher eine Unterhaltung führen. Jandar hat in seiner Heimat ein technisches Ingenieur-Studium absolviert, möchte hier nun vielleicht bei einem Maschinenbauer Fuß fassen. Auch wenn man erst einmal schauen müsse, inwieweit Jandars Kenntnisse für deutsche Arbeitgeber in diesem Bereich kompatibel seien, ist Ute Albers sicher, Jandar auch noch heute erfolgreich vermitteln zu können.

45 Flüchtlinge hatte die Agentur für Arbeit zu diesem Speed-Dating gezielt eingeladen, dazu neun Unternehmen der Region mit offenen Stellen "wo es passen könnte", so Albers. Eine Erfahrung, die die Agentur für Arbeit schon bei der Premiere dieses Vermittlungs-Formats vor knapp zwei Wochen in Freudenstadt machen konnte, habe sich auch hier bewahrheitet: "Gekommen sind viel mehr Flüchtlinge als wir eingeladen haben." Vielleicht doppelt so viele – so hoch das Interesse, sich im Gastland zu beweisen, die Chance hier zu nutzen.

Aber wo kommt diese Motivation her? Eine Erklärung hat Markus Homburg von der Bildungseinrichtung "pro.Di" aus Schömberg, die für die Agentur für Arbeit in der Arbeitnehmer-Qualifikation tätig ist und viele der Sprach- und Integrationskurse für Flüchtlinge im Nordschwarzwald betreut: "Die Rückmeldung von unseren Coaches und Trainern ist, dass der Demut-Aspekt bei den Flüchtlingen eine sehr große Rolle spielt." Die Menschen seien extrem dankbar, in Deutschland Aufnahme gefunden zu haben. "Man muss sich immer vergegenwärtigen, was jeder Einzelne von ihnen vor und während seiner Flucht erlebt hat." Aus diesem Kontrast, jetzt hier in Sicherheit zu sein und eine echte Perspektive für eine neue Existenz zu haben, wachse diese unglaublich hohe Motivation. "Wobei man auch sagen muss: Unsere Betriebe brauchen andererseits diese Arbeitskräfte auch wie verrückt."