Verhandlung unter Pandemie-Bedingungen im Saal 181 des Hechinger Schöffengerichtes. Auch das illegale Leiharbeitssystem des Angeklagten aus einem Burladinger Teilort wird für Justitia immer durchsichtiger. Foto: Rapthel-Kieser Foto: Schwarzwälder Bote

Slowaken angeheuert und nicht bezahlt. Zum AOK-Betrug kommt nun noch Hinterziehung von Arbeitsentgelt.

Burladingen/Hechingen - Das Strafkonto der Angeklagten im Prozess um die illegal operierende Burladinger Leiharbeitsfirma von Mutter und Sohn scheint immer dicker zu werden. Der Vorsitzende Richter verlas am vierten Verhandlungstag zwei weitere Protokolle der Vernehmungen.

Und inzwischen hat deshalb auch die Staatsanwältin die ohnehin lange Liste ihrer Vorwürfe noch verlängert. Denn die Personen, die da vom Zoll unmittelbar nach der Razzia in einem Burladinger Teilort und anderenorts vernommen wurden beklagten sich. Sie seien nicht bezahlt worden, der Angeklagte schulde ihnen noch Geld. Bereits in den ersten drei Verhandlungstagen wurde deutlich: Der 63-jährige Angeklagte und seine Mutter jonglierten mit einem ausgeklügelten System von Scheinselbständigen aus der Slowakei und anderen Ländern der EU auf der einen und Bau- und Abbruchfirmen, die in Spitzenzeiten billige Arbeitskräfte suchen, auf der anderen Seite. Für das vermeintlich kriminelle Pärchen wohl sehr lukrativ, denn vom Bruttolohn von 11 Euro ging jeweils noch die Miete ab.

Vorarbeiter unterschrieb nach dem Wechsel den Stundenzettel nicht

Miete für jene Wohnungen, die der Angeklagte "besorgt" hatte, wie er den Arbeitskräften gegenüber argumentierte. Dass die wohl teilweise in Häusern waren, die ihm oder seiner Mutter möglicherweise sogar selbst gehören, machte eine Stellungnahme der Stadt Burladingen zu dem Fall deutlich. Das vermeintlich städtische Gebäude in jenem ansonsten idyllischen Burladinger Teilort, zu dem die Beamten der Ulmer Zollbehörde einen Mietvertrag fanden, gehört der Stadt gar nicht, wurde vom Angeklagten aber selber der Stadtverwaltung zur Miete für Flüchtlinge oder als Notunterkünfte angeboten.

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Am vierten Verhandlungstag verlas der vorsitzende Richter die Vernehmungsprotokolle von zwei Slowaken. Die waren eigentlich für den zweiten Verhandlungstag geladen, aber nicht erschienen, weshalb das Gericht die Protokolle als Beweismittel einführte. Niederschriften von der Vernehmung unmittelbar nach der Razzia, als die beteiligten Slowaken frei von der Leber weg ihre Eindrücke den Zollbeamten und einem Dolmetscher schilderten.

Deutlich wird, dass alle beide vom Angeklagten schon bevor sie deutschen Boden betraten telefonisch darauf hingewiesen wurden, in ihrem Heimatland ein Gewerbe anzumelden. Der eine, ein 36-jähriger Werkzeugmechaniker namens Peter K. war während seiner Zeit in Deutschland in Rangendingen untergebracht worden. Er sprach so schlecht Deutsch, dass die Zollbeamten einen Dolmetscher hinzuzogen.

Angeklagter habe sich um alles gekümmert

Der Angeklagte schulde ihm noch 800 Euro, beklagte er sich und dass der Vorarbeiter der Firma, an die er ausgeliehen wurde, den letzten Stundenzettel nicht unterschrieben habe. Dies nachdem der Angeklagte der Baufirma den Mitarbeiter vollends ganz überlassen hatte, ihm klar gemacht hatte, dass jetzt diese Firma direkt mit ihm einen Vertrag abschließen würde.

Der Angeklagte, so gab Peter K. zu Protokoll, habe sich um alles gekümmert. Wohnung, Stundenlohn, Arbeitserlaubnis in Deutschland. Dass die aber nicht vorlag, machte die Staatsanwältin im Gericht noch klar. Sie sei erst nach den Fällen die jetzt im Gericht verhandelt werden, beantragt worden. Außerdem habe ihm der Angeklagte eine Rechnung gezeigt, die er gestellt haben soll.

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Der Kommentar des Werkzeugmachers in der Vernehmung mit den Ulmer Zollbeamten: "Ich wusste gar nicht, dass ich Rechnungen schreiben sollte!" Er habe weder die Rechnung erkannt, noch sei es seine Unterschrift auf dem Papier gewesen.

In der Slowakei Gewerbe für alle möglichen Hilfsarbeiten angemeldet

Von den elf Euro Stundenlohn seien ihm pro Nacht noch acht Euro für die Unterbringung abgezogen worden. Gearbeitet hat er, das wurde durch die Befragung überdeutlich nicht als Selbstständiger, sondern wurde für alle möglichen Hilfsarbeiten eingesetzt.

Er hatte bei dem Angeklagten Verträge unterschrieben, die er selber gar nicht lesen, geschweige denn verstehen konnte. Alle hätten ihm gesagt, das sei schon in Ordnung so. Auch der Chef jener Firma, die ihn schließlich vom Angeklagten übernahm und ihm 12,10 Euro pro Stunde versprach. Die Aussage des zweiten Zeugen, ebenfalls ein Slowake und Maler von Beruf, die der Richter da verlas, war gleichwohl kurioser. Denn der berichtete, dass er quasi für fast jeden Hilfsarbeiterjob in der Slowakei ein Gewerbe angemeldet hatte, was in seinem Heimatland ganz pauschal so gemacht werden könne. Dann gelte man beim Grenzübertritt nach Deutschland als selbstständig.

Die Unterschrift auf der Rechnung, die er gestellt haben soll und die der Zoll ihm vorlegte, sei nicht seine. "Ich war froh, Arbeit zu haben", begründete er sein Verhalten und stellte aber mit Blick auf den Angeklagten klar: "Ich hatte das Gefühl, dass das war er macht nicht ganz legal ist."

Dieses Gefühl hat die Staatsanwältin auch und addierte zu der Liste der Anklagepunkte auch die "Vorenthaltung von Arbeitsentgelt". Beim nächsten Verhandlungstag am 1. Juli soll auf Wunsch des Rechtsanwaltes des 63-jährigen Burladingers ein Zeuge aus der Slowakei gehört werden. "Ob der kommt wissen wir ja nicht", sagte der Richter mit Blick auf das bisherige Verhalten der geladenen Zeugen aus dem osteuropäischen Ausland. Er will alsbald die Plädoyers hören, rechnet nach dem 1. Juli mit nur noch einem weiteren Termin, an dem das Urteil verkündet werden soll.