Die Wohnzustände in der Fleischindustrie werden jetzt überall bemängelt. Aber auch den Abbrucharbeitern aus der Slowakei ging es in der Firma des wegen illegaler Leiharbeit Angeklagten 63-jährigen Burladinger kaum besser. (Symbolfoto) Foto: Stephen_adobe.stock.com

Angeklagter bot Haus dem Rathaus 2016 für Notunterkünfte an - das lehnte ab. Verstecktes Vermögen?

Burladingen/Hechingen - Zwar mag der Angeklagte im Fall um die illegale Leiharbeit, der derzeit am Hechinger Schöffengericht schon seit Wochen verhandelt wird, den Leiharbeitern und auch dem Zoll bei der Razzia gegenüber gesagt haben, es handele sich um Notunterkünfte der Stadt. Aber das Gegenteil ist der Fall.

Denn jetzt hat sich Burladingens Erster Beigeordneter Berthold Wiesner zu Wort gemeldet: "Der Stadt gehört dieses besagte Gebäude gar nicht. Hat es auch nie", sagt er gegenüber dem Schwarzwälder Bote. Aber Wiesner bestätigt Erstaunliches: Das Gebäude wurde im Jahre 2016 vom Angeklagten (Name, Haus und Teilort sind der Redaktion und der Stadtverwaltung bekannt) dem Rathaus zur Miete angeboten. Für Notunterkünfte, wie Wiesner unserer Zeitung erzählt.

Mietvertrag bekommt besondere Bedeutung

"Wir haben das damals abgelehnt, wir hatten genug Notunterkünfte in diesem Dorf und brauchten dort keine weiteren". Und natürlich sei er davon ausgegangen dass, wenn der Herr dem Rathaus das Haus anbietet, es ihm auch gehört. Oder er zumindest Verfügungsgewalt darüber hat oder hatte. "Und das ist alles", sagt Wiesner, der derzeit die Amtsgeschäfte im Rathaus führt.

Mutter-Sohn-Duo soll AOK betrogen haben

Damit wird der Fall um die illegal zu fragwürdigen Konditionen und unter Mindestlohn und Umgehung der Sozialabgaben beschäftigten Slowaken immer dubioser. Und ein Schriftstück, das dem Gericht vorliegt und am jüngsten Verhandlungstag dem Verteidiger des 63-jährigen Burladingers und dem Zollbeamten brav hinter Glas vom Richter präsentiert wurde, bekommt eine ganz besondere Bedeutung: Der Mietvertrag. Denn der muss sowohl bei den illegal Beschäftigten als auch bei den zur Razzia vor Ort angetretenen Zollbeamten den Eindruck einer städtischen Unterkunft erweckt haben.

Hinweis auf verstecktes Vermögen?

Immerhin hat der Angeklagte vom ohnehin miesen Stundenlohn seiner Slowaken die Miete für diese Räume noch abgezogen. Und diese Miete war, angesichts der Tatsache, dass vier Männer sich einen Raum teilten und es zu Spitzenzeiten wohl noch Matratzenlager für Arbeiter gab, horrend. Das Schriftstück, das in den Akten des Gerichtes und der Staatsanwaltschaft existiert, könnte somit ein Hinweis auf verstecktes Vermögen des Angeklagten und/oder seiner über achtzig Jahre alten, kränklichen Mutter sein, die angeblich die Geschäftsführerin des Unternehmens war.

Es habe nur das Haus, in dem sie wohnen, als Vermögenswert, hatte der Angeklagte am ersten Prozesstag gegenüber allen Anwesenden beteuert. Er bekäme eine kleine Rente und die Rente seiner Mutter samt deren Pflegegeld gingen für die Lebenshaltungskosten und die Hypothek drauf, die auf dem Wohnhaus liegt. Von einem weiteren Haus, das direkt daneben steht und über das wohl der Angeklagte und seine Mutter zumindest die Verfügungsgewalt haben, war erst am dritten Prozesstag die Rede, als eben jener Beamte der Zollverwaltung Ulm zu den bei der Razzia beschlagnahmten Schriftstücken befragt wurde.

Prozess geht weiter in die Tiefe

Tiefer ermittelt hat die Zollverwaltung die Besitzverhältnisse wohl nicht, denn die Staatsanwältin hatte dem einschlägig vorbestraften Angeklagten einen Deal angeboten. Sollte er gestehen, käme er mit einer Bewährungsstrafe davon. Allerdings hätte sie dann auf einer Entscheidung von "Einziehung von Werte-Ersatz" bestanden. Sprich das Haus – oder vielleicht die Häuser? Denn immerhin ist allein der AOK ein Schaden von über 253.000 Euro entstanden der bezahlt werden muss, haben die Ermittler ausgerechnet. Vom Schaden durch nicht bezahlte Steuern war bislang gar nicht die Rede. Dass das noch kommt, ist aber nicht auszuschließen. Deshalb muss der Prozess jetzt weiter und in die Tiefe gehen.

Und die scheint unergründlich zu sein. Denn das undurchsichtige Geflecht von Besitz- und Kompetenzverhältnissen fiel dem Zollbeamten nach der Razzia sofort auf. Mit der Mutter des jetzt Angeklagten sei man vom Wohnhaus zum Nachbarhaus herübergegangen, weil die Arbeiter untergebracht waren und sich wohl ein Büro darin befand. Ob das Büro wirklich da sei, konnte die Seniorin aber gar nicht beantworten, bevor sie das Haus betrat. "Wir haben ihr ein paar Fragen gestellt und da hat sie nicht gewirkt, als wenn sie viel Ahnung hätte. Gar nicht wie eine Geschäftsführerin, die das normalerweise ja wissen müsste", hatte der Zollbeamte, der damals in dem kleinen Burladinger Teilort dabei war, vor Gericht berichtet.

Ermittlungen gehen in neue Richtung

Das alte Stadtadressbuch von 2006 gibt ebenfalls keine genauen Hinweise und verrät nur so viel: Die Wohnadresse des 63-jährigen Angeklagten war – zumindest bis 2006 – auch die Meldeadresse seiner Mutter. Und seines Planungsbüros für Baukonstruktion. Aber auch fünf weitere Menschen waren zu dem Zeitpunkt unter der Adresse gemeldet, wie es das öffentlich einsehbare und zugängliche Stadtadressbuch verrät. Frantisek M. , Pavlo M., Miroslav S., Sedlacek Z. und Peter S.

Im Nachbarhaus direkt daneben, das jetzt so in den Fokus geraten ist und der Stadt nicht gehört, waren ebenfalls fünf Menschen mit ihrer Wohnadresse verzeichnet. Einer lässt Rückschlüsse auf eine mögliche osteuropäische Herkunft der Bewohner zu, ein weiterer Name dürfte wohl eher in Nordafrika oder der Türkei verortet werden müssen.

Der Prozess wird erst in der nächsten Woche fortgesetzt. Eins steht aber jetzt schon fest: Die Stellungnahme der Stadt hat den Ermittlungen eine neue Richtung gegeben und dürfte bei Gericht neue Fragen aufwerfen.