Kurz vor 18 Uhr sind bereits fast alle Plätze im Gemeindezentrum vergriffen. Foto: Reimer

Von der Wasserversorgung über Brennnessel-Spinat bis hin zum Hitler-Vergleich: Auch die letzte Kandidatenvorstellung zeugte von einem außergewöhnlichen Wahlkampf.

Winter, Biswurm oder Thiemann? Am 25. Juni entscheiden die Wähler, wer das Rennen macht. Am Donnerstag nutzten Bürger die letzte Chance, sich ein Bild von den Kandidaten zu machen. Im evangelischen Gemeindezentrum blieb kein Sitzplatz leer.

Matthias Winter

Der 43-jährige Diplom-Verwaltungswirt setzte bei allen Veranstaltungen auf die nahezu identische Rede. In einigen Passagen gab es kleine Variationen. Der breite Mittelstand und Unternehmen von Weltrang, wie sie auch auf dem Lindenhof beheimatet seien, zeugen von der Attraktivität Oberndorfs als Wirtschaftsstandort, so Winter. Er sehe die Förderung der Betriebe sowie die Ansiedlung weiterer Unternehmen als Chefsache.

Attraktive Kindergärten, wie die gerade im Bau befindliche Wabe-Kita, seien der Schlüssel zu einer „gedeihenden Zukunft“. Winter versprach den Wählern Bürgernähe: Unter seiner Leitung werde das Rathaus ein offenes Ohr für Anliegen der Bürger haben und diese ernst nehmen – auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt werden könnten.

Matthias Winter Foto: Reimer

Immer mehr Gemeinden und Städte würden kommunale Aufgaben auslagern, so die Beobachtung eines Bürgers. Er wollte am Beispiel der Wasserversorgung wissen, wie Winter zu diesem Trend stehe. Ob eine Auslagerung sinnvoll sei, hänge im Einzelfall davon ab, ob die gleiche Qualität zu einem günstigeren Preis erzielt werden könne. Beim Thema Wasserversorgung zog Winter eine klare Linie. Als Teil der kritischen Infrastruktur solle diese in städtischer Hand bleiben, erklärte der 43-Jährige.

„Der Bedarf an Pflegeplätzen für ältere Menschen wird wachsen“, sagte der nächste Bürger. Seine Frage drehte sich darum, wie er zu privaten Trägern solcher Einrichtungen stehe. Eine öffentliche Trägerschaft (Kommune oder Kirche) sei anzustreben, sagte Winter. Allerdings lasse sich das nicht immer realisieren. Private Investoren sollten genauer unter die Lupe genommen werden, um eine Wiederholung des Convivo-Falls zu verhindern.

Roland Biswurm

„Alles auf Anfang“ hieß es bei Biswurm. Er griff seinen Auftritt in der Neckarhalle noch mal auf. Das „I have a dream“ schallte kraftvoll aus den Boxen. Oberndorf solle wieder zur „Perle am Neckar“ werden und zu alter oder neuer Schönheit finden. Mehr Natur, mehr Inklusion, mehr Kultur und mehr bürgerschaftliches Engagement nannte er als Ziele.

Zur Rüstungsindustrie hatte Biswurm, dessen Großvater Werkmeister bei Mauser gewesen sei, auch was zu sagen: „Können wir nicht was anderes produzieren? Etwas, das nicht auf Zerstörung, sondern auf Frieden gründet?“ Die Zeit lief Biswurm davon, den Schluss seiner Rede gab es dann im Schnelldurchlauf.

Roland Biswurm Foto: Reimer

Die Nachricht von Hermann Ackers Strafanzeige hatte bereits die Runde gemacht. Ein Bürger sprach Biswurm darauf an. Er wolle in keinster Weise Acker mit Hitler vergleichen. Die Anspielung auf das Lied der Band „DAF“ sei vergleichbar mit dem Stil anderer Satiriker oder Kabarettisten, wie etwa Jan Böhmermann oder Dieter Nuhr.

„Nennen Sie mir ein konkretes Projekt, mit dem Sie den Umweltschutz voranbringen wollen“, wurde der 62-Jährige gefragt. Er wolle sich nicht auf einzelne Projekte fixieren, stattdessen sprach er sich für einen grundsätzlichen Wandel aus: „Umweltschutz fängt bei jedem Einzelnen an.“ ÖPNV, Car-Sharing oder den Verzicht auf Plastikverpackungen nannte er als Beispiele. Das Thema Nachhaltigkeit stehe bei ihm hoch im Kurs: „Ich kaufe meine Kleidung im Second-Hand-Laden.“ Auch für die Küche hatte er ein paar Umweltschutz-Tipps parat: „Ich kaufe bewusst auf dem Wochenmarkt ein. Meinen Spinat mach‘ ich aus Brennnessel und Giersch. Das kostet keinen Pfennig.“

Hans Joachim Thiemann

Wie bei den anderen Vorstellungen nahm sich der 59-Jährige reichlich Zeit, um seine Vorwürfe gegenüber der Verwaltung und Presse loszuwerden. Er kam aber auch auf Themen zu sprechen, die den Lindenhof betrafen. Er erinnerte an Projekte wie das Baugebiet Aspen oder den Real-Markt, die unter seiner Leitung umgesetzt worden seien.

Zur Waffenindustrie hatte er ebenfalls eine klare Meinung: „Eine wehrhafte Demokratie kann sich nie ausschließlich mit dem Wort verteidigen.“ Er stehe hinter der „hoch versierten Industrie“ in Oberndorf. Thiemann teilte auch gegen den Kandidaten Winter aus. Er nannte diesen einen „eingekauften Kandidaten“ und eine „Acker-Marionette“. Als einer seiner Ziele nannte er den Bau einer neuer Sporthalle auf dem Lindenhof – ein Projekt, das er bereits während seiner Zeit im Rathaus verfolgt habe.

Hans Joachim Thiemann Foto: Reimer

Auch Thieman wurde auf den Hitler-Vergleich und die Strafanzeige angesprochen. Dieser sehe er gelassen entgegen. Die Stadt habe ihn vor einigen Jahren wegen 70 Punkten verklagt und sei dabei krachend gescheitert, sagte er.

Thiemanns Ansätze seien „relativ gut“, meinte ein Fragesteller. „Ich habe aber die Befürchtung, dass Sie einen Rachfeldzug planen. Wie können diese Befürchtung zerstreuen?“ Eine Frage, die bei nahezu allen Veranstaltungen gestellt wurde. Thiemann: „Ich weiß nicht, wie Sie auf diese Idee kommen.“ Er habe die Fehler der vergangenen Jahre, seine Qualifikationen und seine Zukunftspläne dargelegt. Die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit seien seine Motivation. Diese Antwort stellte einige Zuhörer nicht zufrieden. Die weiteren Fragen drehten sich um das gleiche Thema. Thiemann: „Ich bin es so Leid, dass mir wiederholt ein Racheakt unterstellt wird.“