Hans Joachim Thiemann lehnte auf mehrfache Anfrage unserer Redaktion ab, ein aktuelles Foto für die Berichterstattung bereitzustellen oder sich fotografieren zu lassen. Stattdessen bestand er auf die Veröffentlichung eines acht Jahre alten Archivfotos. Er werde „im Alter immer schöner und männlicher“ – dieses Vorgehen sei für die anderen Kandidaten daher von Vorteil. Foto: Reimer

„Lügner“, „Lusche“, „Beamtenhalunke“ – Hans Joachim Thiemann teilt kräftig gegen Behördenmitarbeiter aus und nimmt insbesondere die Oberndorfer Stadtverwaltung ins Visier. Nun will er selbst auf den Chefsessel im Rathaus.

„Vollständig überqualifiziert für den Job – orientiert man sich am heutigen verbeamteten Amtsinhaber“ schreibt Thiemann in seiner Kandidaten-Bewerbung.

Thiemann war von 2001 bis 2014 Stadtbaumeister in Oberndorf. Er wurde fristlos entlassen. Laut Stadt wegen Untreue und weil er den Bürgermeister beleidigt hatte. Thiemann spricht in seinem Bewerbungsschreiben hingegen von einer „rechtswidrigen Entlassung“.

Was sind seine Ziele als Bürgermeister? „Ich werde, im Fall meiner Wahl, hart in der Verwaltung durchgreifen.“ Er wolle die „Skandale und Lügen“ der Verwaltung aufarbeiten und Versäumnisse und Fehlentscheidungen des Gemeinderats korrigieren.

Zahlreiche „Skandale“

Neben seiner Entlassung zählt er unter anderem das Brauerei-Areal, die geplante Talplatz-Sanierung oder den „Aldi-Skandal“ als aus seiner Sicht Fehler der vergangenen Jahre auf. „Es werden leider Köpfe rollen müssen,“ schreibt Thiemann.

Und danach? Was sind seine langfristigen Pläne? Hat er weitere Themen? Er müsse zunächst die Skandale und offenen Baustellen abarbeiten, so Thiemann. „Dann werde ich, in fünf oder sechs Jahren, schauen, wo Oberndorf wieder steht. Dann sehen wir weiter und können große Zukunftspläne schmieden.“ Wie diese aussehen, weiß er selbst noch nicht. Er sei Realist – „anders als die Politikamateure, die das Blaue vom Himmel herunter lügen.“

Beleidigungen gegen Beamte

Und warum sollen die Bürger ihn wählen? Erneut verweist der 59-Jährige auf die Aufarbeitung der von ihm genannten Skandale. Zudem sollen Vorhaben unter seiner Führung ordentlich, rechtssicher und kostengünstiger zu Ende gebracht werden.

In seiner Bewerbung teilt er kräftig gegen Rathaus-Mitarbeiter aus und kann sich auch Beleidigungen wie „Lügner“, „Lusche“ oder „betrügende Beamtenclique“ nicht verkneifen. In einer Mail, die an die Redaktion ging, wettert er gegen einen Beamten im Landratsamt, den er als „Behörden- und Beamtenhalunken“ bezeichnet. Beleidigungen, die man auch in seinen weiteren zahlreichen E-Mails an Behörden wiederfindet und die ihn schon vor Gericht gebracht haben.

Thiemann stammt aus dem niedersächsischen Peine. Er absolvierte ein Studium der Raum- und Umweltplanung. Bevor er nach Oberndorf kam, war er Stadtplaner bei einem Tuttlinger Büro. Nach seinem Rauswurf aus dem Oberndorfer Rathaus arbeitete er als Geschäftsführer zweier Planungsbüros. Seit 2016 ist er laut eigener Angabe Privatier, wobei er nicht genauer erläutert, was er damit meint.

Im Gemeinderat auffällig

Als Hobbys nennt er den Aufbau eines eigenen privaten Heimatmuseums in Aistaig, Lokalpolitik, seinen Hund sowie die Geschichte Deutschlands und Oberndorfs.

Dass Lokalpolitik eines seiner Hobbys ist, stellt er regelmäßig unter Beweis. Er verpasst kaum eine Gemeinderats- oder Ausschusssitzung – sofern er denn darf. In der Vergangenheit wurde ihm wegen seines „ungebührlichen Verhaltens“ mehrfach der Besuch der Sitzungen verboten. Immer wieder störte er mit Zwischenrufen die Sitzungen. Mittlerweile trennt ein Sperrband im Sitzungssaal den Zuschauerbereich vom Gremium.

Eigentlich sollte er „die süßen Früchte seiner harten Arbeit genießen“, meint Thiemann in seiner Bewerbung. Doch er könne dem „Niedergang“ seiner Heimatstadt, in der er seit etwa 20 Jahren lebt, nicht tatenlos zusehen.