Auf Sicherheitsdefizite im Be- und Entladebereich einer Schule (Symbolfoto) wollte der Albstädter, der für den Fahrdienst einer Einrichtung für Kinder- und Jugendliche mit Behinderung gearbeitet hat, aufmerksam machen. Foto: 24K-Production - stock.adobe.com

Oberflächlich ging es um die Kündigung eines Arbeitsvertrages zwischen einem Fahrer und einer Einrichtung für Kinder mit Behinderung. Auf den zweiten Blick steckte mehr dahinter beim Termin vor dem Reutlinger Arbeitsgericht in Balingen.

Sich sinnvoll beschäftigen und etwas Nützliches tun wollte ein Albstädter Frührentner, der im Sommer 2022 auf die Zeitungsanzeige einer Einrichtung für Kinder und Jugendliche mit Behinderung reagiert hatte: Die suchte Fahrer, bot dem Mann eine dreimonatige Probezeit an und ließ ihn Kinder transportieren.

Die Probezeit begann am 1. September, einen Arbeitsvertrag gab es noch nicht, wie der Mann vor dem Arbeitsgericht Reutlingen in Balingen schilderte. Begründung: „Es springen immer so viele ab, und da lohnt sich der Aufwand nicht.“

Zur Sozialversicherung erst viel später angemeldet

Den Arbeitsvertrag bekam er schließlich doch, allerdings erst im vierten Monat – ohne, dass er dafür eine Kopie seines Führerscheins oder ein Führungszeugnis habe einreichen müssen. Am 7. Dezember habe er ihn an den Arbeitgeber versandt, sei aber erst am 8. Februar zur Sozialversicherung angemeldet und am 8. März dort wieder abgemeldet worden – am 9. März habe er die Kündigung erhalten – auf der Fahrt von der Zentrale nach Albstadt.

Aus seiner Sicht erfolgte die Kündigung im siebten Monat und somit außerhalb der Probezeit – der Geschäftsführer der Einrichtung war anderer Ansicht. Die Richterin sah das anders: „Ein Arbeitsverhältnis besteht, wenn jemand weisungsgebunden tätig ist. Wenn über sechs Monate hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht, bedarf es eines Kündigungsgrundes.“ Wie das steuerrechtlich aussehe, müsse das Finanzamt klären.

„In der Mappe für Fahrer steht dazu kein Wort“

Doch warum die Kündigung? Der Geschäftsführer begründete sie mit dem verlorenen Vertrauensverhältnis, dem „Wust an Papier“, den der Mitarbeiter verursacht habe. Dieser freilich habe Gründe, wie der Albstädter der Richterin erläuterte. Zum einen habe er auf Sicherheitsdefizite im Be- und Entladebereich einer Schule aufmerksam gemacht, in die er die Kinder brachte. In der Mappe für die Fahrer, die er im September erhalten habe, stehe dazu kein Wort.

Zum anderen würden Eltern nicht von der Zentrale informiert, wenn der Fahrer später komme, woraufhin er eine WhatsApp-Gruppe mit den betroffenen Eltern gegründet habe, um schnell mit ihnen kommunizieren zu können. „Ich wollte ein gutes Verhältnis zu den Eltern aufbauen, und sie waren allesamt hochzufrieden“, betonte der Mann.

Die Eltern zeitnah zu informieren ist sein Ziel

Das Informieren der Eltern sei Sache des Fahrdienstes, erklärte der Geschäftsführer, worauf der Albstädter entgegnete: „Warum unterrichtet Ihr Fahrdienst die Eltern nicht, wenn ich Zeuge eines Unfalls bin, der vor mir passiert ist, und ich später komme?“

Die Richterin machte einen „Vorschlag zur Güte“: eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. April. „Das wäre die gesetzliche Frist für ein Arbeitsverhältnis, das länger als sechs Monate andauert.“ Außerdem: eine Abfindung und eine Abgeltung für neun Urlaubstage, die dem Mann noch zugestanden hätten. Außerdem „müsste man nochmal über das Kündigungsschreiben reden“, betonte sie. Das war nämlich auf dem Briefpapier einer Firma gekommen, mit der er gar keinen Arbeitsvertrag hatte, und nicht auf dem Papier der Fahrdienst-Firma – aus Sicht des Fahrers ein weiteres Indiz für mangelnde kaufmännische Sorgfalt in dem als gemeinnützig eingestuften Unternehmen.

Ohne Arbeitsvertrag Verantwortung für Kinder mit Behinderung

Auch die Tatsache, dass man ihm ein Fahrzeug, eine Tankberechtigung und – vor allem – Kinder mit Behinderung anvertraut habe zu einem Zeitpunkt, da er noch keinen Arbeitsvertrag hatte, ist für ihn unverständlich.

Den Versuch, die Probezeit auszudehnen, bezeichnete er als „sittenwidrig“.

Ihm gehe es vor allem darum, dass die Einrichtung „aus ihren Fehlern lernt“, so der Albstädter. Zumal sie weiterhin Fahrer suche.