Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir (Grüne, 2. v. r.) stellte sich im ZDF der Kritik und Diskussion angesichts der aktuellen Bauernproteste. Foto: ZDF und Svea Pietschmann/Svea Pietschmann

Am Donnerstag war Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zu Gast bei Maybrit Illner. In der Diskussion um die Bauernproteste und die Ampelpolitik geriet er in die Defensive - konterte aber auch.

Bundesminister Cem Özdemir hat es dieser Tage nicht leicht. Gerade erst musste er sich in Ellwangen einer Kundgebung protestierender Landwirte stellen, da ist er am Donnerstag in der Polit-Talksendung Maybrit Illner im ZDF erneut gezwungen, in die Defensive zu gehen.

Als Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft kommt Özdemir in der aktuellen Situation eine Schlüsselrolle zu. Nicht nur, weil bundesweit Landwirte mit ihren Traktoren gegen die Sparmaßnahmen der regierenden Ampelkoalition demonstrieren, Straßen blockieren und dabei auf breite Zustimmung in der Bevölkerung stoßen, sondern auch, weil Özdemir sich frühzeitig von eben jenen Sparmaßnahmen seiner Koalition distanziert hat.

„Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte es diese Beschlüsse nicht gebraucht.“

„Wenn es rein nach mir gegangen wäre“, bekräftigt Özdemir in der Talksendung noch einmal diese Distanz, „hätte es diese Beschlüsse nicht gebraucht, aber es ist am Ende immer auch ein Kompromiss.“ Gleichzeitig stellt sich der Minister nun hinter den neuen Kompromiss, wenn auch zögerlich, wie Illner anmerkt.

Genau für diese Haltung muss sich der in Kreuzberg lebende Stuttgarter auch Kritik anhören. Maria Fiedler, die stellvertretende Leiterin des „Spiegel“-Hauptstadtbüros, ist der Meinung, dass man den Menschen die derzeitigen Schwankungen in der Regierung nicht mehr lange zumuten könne: „Ich glaube, wenn die Ampel Beschlüsse trifft, dann muss sie da auch dahinter stehen.“

Maria Fiedler: Regierung muss geschlossen auftreten

Das ginge natürlich nicht, wenn jedes Mal ein Regierungsmitglied aus der Reihe tanze und sage, man stehe eben nicht dahinter. In diesem Fall war es der Minister, sonst sei es immer die FDP, wie Illner einwirft.

Regierung unter Protest, so der Titel der Sendung vom Donnerstag. Damit sind nicht nur die Bauernproteste gemeint. Der Protest ist auch in den Reihen der Bundesregierung zu spüren, so die Meinung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU). Aus Köln zugeschaltet - und deshalb als christdemokratischer Poltergeist immer wieder im Hintergrund zu sehen - kritisiert er, dass in der Ampel drei Parteien zusammen regieren würden, die so nicht zusammen passen würden und auch nicht wollten.

Wüst: Die Lage auf den Höfen wurde von der Ampel unterschätzt

Wüst kritisierte den verfassungswidrigen Haushalt der Bundesregierung und dass gerade die Landwirte unter den erzwungenen Sparmaßnahmen zu leiden hätten. Dabei gehe es nicht nur um „ein paar Cent Biodiesel“, sondern vor allem darum, dass die Ampel die Situation auf den Höfen in der Republik unterschätzt habe. „Ich erlebe zum ersten Mal, dass eine junge Generation die Höfe übernimmt und nicht investiert.“

Özdemir geht in die Offensive, denn Angriff ist die beste Verteidigung. „Das Problem mit dem Beschluss war, dass man ihn nicht zu Ende gedacht hat.“ Letztlich sei er der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, aber – hier erinnert Özdemir daran, wessen Partei in den vergangenen fast zwei Jahrzehnten seinen Ministerposten und und die Mehrheit in der Regierung gestellt hat und sich jetzt als Freund der Bauern präsentiert – „das Fass habe nicht ich gefüllt“.

Die Grünen als Buhmann der Nation?

Warum ausgerechnet die Grünen immer den Zorn der Bürger abbekommen, wird später ebenfalls diskutiert. Özdemir nimmt der Konkurrenz bewusst den Wind aus den Segeln und stellt wahrheitsgemäß fest, dass er weder die Tierhaltung verbieten noch Uli Hoeneß den Zucker aus dem Kaffee klauen will und auch nie wollte. Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern München, hatte im vergangenen Jahr im Bayerischen Rundfunk gegen den Bundesminister gewettert und unter anderem behauptet, Özdemir wolle ihm den Zucker im Kaffee verbieten. Diese Behauptung hatte der Landwirtschaftsminister schon damals öffentlich - und bissig - zurückgewiesen.

Gerade Wüst muss sich hier deutlich anhören, dass es auch seine Partei sei, die Debatten kulturkämpferisch zuspitze, stellte Fiedler fest, nachdem Wüst zu mehr Entspanntheit im Umgang miteinander aufgerufen hatte – eine Entspanntheit die seine Parteifreunde wie Friedrich Merz und Markus Söder definitiv nicht an den Tag legen würden.

„Die Grünen sind eine Metapher für eine alternativlose Haltung geworden“

Die Schriftstellerin und Richterin Juli Zeh, selbst Mitglied der Regierungspartei SPD, sieht den Grund dafür, dass die Grünen immer wieder den gesellschaftlichen Buhmann spielen müssen darin dass die Grünen mittlerweile zu einer Metapher „für eine bestimmte Haltung zur Politik“ geworden seien, die sich dadurch auszeichne, „dass man eine eigene Agenda hat und diese als alternativlos imprägniert“. Özdemir räumt selbst ein: „Wir haben dazu beigetragen, indem wir in der Vergangenheit sehr mit „moralinsaurer“ Haltung durch die Landschaft gezogen sind“.

Auch Zeh bezieht in der Sendung klar Stellung für die Bauern, deren jahrelang aufgestauter Frust sich nun entlade. Die Probleme der Bauern lägen tiefer, der Sparbeschluss sei bei weitem nicht das einzige Problem gewesen. Auf der anderen Seite freut sich Zeh sehr über die Unterstützung, die die Bauern aus der breiteren Bevölkerung erfahren: „Wir sitzen hier heute Abend und alle zeigen Verständnis für die Landwirte.“ Von einer Verharmlosung der Situation kann also keine Rede sein.