Yvonne Arras blättert in historischen Akten. Die Stadtarchivarin ist froh, dass sie nun endlich im neuen Gebäude aktiv sein kann. Foto: Maier

Das Balinger Stadtarchiv füllt sich. Neben den Akten der Kernstadt kommen auch diejenigen aus den Ortsteilen darin unter. Archivarin Yvonne Arras freut sich, darin nun loslegen zu können.

Balingen - Wer zu Yvonne Arras ins neue Balinger Stadtarchiv will, muss derzeit noch den Hintereingang nutzen. Und auch der ist wegen der anhaltenden Bauarbeiten nicht eben barrierefrei: Man muss sich zwischen Gerüsten durchschlängeln, um zur Tür zu kommen. Ist man drin, atmet und spürt man frische Luft: Das Archivgebäude ist innen praktisch fertig. "Endlich", sagt Arras, die mit ihren Mitarbeitern nach monatelangem Homeoffice seit wenigen Tagen dort tätig sein kann.

Aufbau durch Schimpf-Reinhardt

Bis Anfang Dezember 2021 war das Balinger Stadtarchiv an der Charlottenstraße angesiedelt. In einem Gebäude, das als Wohnhaus gebaut worden – und entsprechend eigentlich ungeeignet war für die Lagerung der wertvollen Bestände aus der Stadtgeschichte. Eingerichtet worden war das Stadtarchiv dort als Provisorium. Das Gebäude ist mittlerweile abgerissen, entstehen wird dort ein weiterer Wohnblock des Denkinger-Areals. Das Balinger Archiv aufgebaut hat Hans Schimpf-Reinhardt, der 2017 verstarb.

Nähe zum Zollernschloss

Das historische Balinger Vermächtnis hat derweil am neuen Standort nicht nur ein neues Gebäude erhalten – mit Holz-Glas-Fassade im Erdgeschoss sowie Klinkerfassade obendrüber. Sondern auch einen passenden Rahmen: in unmittelbarer Nähe zum Zollernschloss, dem darin beheimateten Waagenmuseum sowie zur Zehntscheuer, dem Museum der Stadtgeschichte. Baubeginn war im September 2020. Das neue Stadtarchiv wird auf den Namen Artur Eppler getauft, der der Stadt ein Millionenvermögen hinterlassen hat. Zudem entsteht im Zuge der Gartenschau ein schicker Platz drumherum, über den der eyachbegleitende Uferweg führt. Hochwassersicher ist das Gebäude auch.

Schick und funktional

Beim Rundgang mit Arras durch die neuen Räume wird deutlich, wie zum einen schick und zum anderen funktional das Gebäude geworden ist. Fast schon ein Traum sei es, sagt Arras – sie ist, das merkt man schnell, sehr stolz auf ihre neue Arbeitsstätte. Außer in Balingen gibt es eigene Archive nur noch in Hechingen und Albstadt und das Kreisarchiv, aber keines sei so modern wie das in der Kreisstadt – und keines sei eigens für diesen Zweck gebaut worden, etwa mit wohlkühltemperierten Räumen. Mehr als zwei Millionen Euro kostete das Gebäude.

"Keine geschlossene Gesellschaft"

Im Erdgeschoss befindet sich etwa das Lesezimmer, dort können Interessierte Akten studieren und sich Mikrofilme anschauen. Dort sind auch die Büros der Mitarbeiter und ein großzügiges Foyer, in dem Ausstellungen und Veranstaltungen stattfinden können. Das Archiv soll ausdrücklich der Öffentlichkeit zugänglich sein – "wir sind keine geschlossene Gesellschaft", so Arras. Und dort befindet sich der Quarantäne-Raum – gedacht für schimmlige Unterlagen.

Älteste Bestände aus dem 14. Jahrhundert

Kaufbücher, Urkunden, Fotos, Gemeinderatsprotokolle, Zeitungsbände, Dokumente von Schulen und Vereinen: Die Bestände des Archivs, die ältesten aus dem 14. Jahrhundert, sind in den beiden Obergeschossen in Rollregalen gelagert. Platz ist dort für rund drei Kilometer Akten – aktuell ist laut Arras etwa die Hälfte belegt. Anders ausgedrückt: Die Akten der nächsten 30 Jahre finden darin auch noch Platz, bevor, so die Hoffnung, durch die zunehmende Digitalisierung immer weniger Regalmeter benötigt werden.

Zentrales Balinger Archiv

Das Stadtarchiv soll zudem das zentrale Archiv Balingens werden, dort gesammelt werden auch die Unterlagen, die bisher in den Ortsteilen gelagert waren, zumeist in den Kellern oder auf den Bühnen der dortigen Rathäuser – und damit unter Bedingungen, die dem Archivgut nicht eben angemessen oder gar förderlich gewesen wären. Die Bestände sind teils in schlechtem Zustand, müssen erst zum Restaurator, bevor sie neu eingelagert werden.

Baustelle bald abgeschlossen

Weit mehr als 2000 Kartons mit Unterlagen wurden vom alten Standort ins neue Gebäude umgezogen, ein "Kraftakt" sei das gewesen, so Arras. Und der Kraftakt dauert an: Manche Kartons sind noch nicht ausgepackt, stehen in den Fluren. Und natürlich die noch nicht abgeschlossene Baustelle drumherum – in den nächsten Wochen soll alles fertiggestellt sein. Damit man dann zur Einweihung, die für September geplant ist, das Gebäude nicht mehr durch die Hintertür, sondern durch den Haupteingang betreten kann.