Im Landgericht Tübingen wurde das Urteil gegen den wegen Drogenhandels angeklagten Calmbacher gesprochen. Foto: M. Bernklau

Haft bleibt wegen Cannabis-Handels angeklagten Calmbacher erspart. Verdeckter Ermittler überführt 66-Jährigen.

Tübingen/Bad Wildbad - "Danke, danke!", rief der Angeklagte aus, nachdem Manuela Haußmann als Vorsitzende der Strafkammer am Landgericht Tübingen das Urteil verkündet hatte. Dann musste der schwer lungenkranke Mann husten. Er und sein Anwalt Andreas Bittighofer hatten ihr Ziel erreicht: ihm die Haft zu ersparen.

Zwei Jahre auf Bewährung lautete das Ergebnis des zweiten Prozesses, den der Karlsruher Bundesgerichtshof (BGH) auf den Revisions-Antrag des Verteidigers hin angeordnet hatte. Fünf Fälle von Rauschgifthandel wurden zu einem zusammengefasst, zweieinhalb Haftjahre ohne Bewährung auf zwei mit Bewährung verkürzt, wie die obersten Richter vom BGH dezent nahegelegt hatten.

Es ging nur noch um das Strafmaß, der Rest des ersten Urteils war rechtskräftig. Staatsanwältin Julia Merkle hatte in ihrem Plädoyer zwei Jahre und vier Monate Haft für tat- und schuldangemessen erachtet, die der Angeklagte dann hätte antreten müssen. "Das war knapp, sehr knapp", begann die Vorsitzende ihre Urteilsbegründung. Angesichts der Menge von 20 Kilo Marihuana aus der Plantage auf einem einsamen Schwarzwaldhof, die der Calmbacher im April 2019 einem verdeckten Ermittler gegen 100.000 Euro auf einem Parkplatz nahe dem Kniebis hatte verticken wollen, wäre ihr die Bewertung als ein minderschwerer Fall bis dahin undenkbar erschienen. "Aber sag niemals nie", zitierte die Vizepräsidentin des Landgerichts James Bond.

Dass eventuell die grenzwertigen Ermittlungsmethoden des Landeskriminalamts auch bei der BGH-Entscheidung eine Rolle gespielt haben könnten, dementierte sie. Zwar sei die Haupttat "initiiert", worden, "nicht aber provoziert" - und wegen des "legitimen Interesses an den Hintermännern" nicht rechtswidrig gewesen. Ein verdeckter Ermittler hatte sich als vermeintlicher Mitpatient in einem Heidelberger Lungensanatorium das Vertrauen des Angeklagten erschlichen und später mit seinem Jaguar den Großdealer gegeben.

Viele mildernde Umstände

Als entscheidend für seine Entscheidung "auf Messers Schneide" habe das Gericht aber die vielen mildernden Umstände betrachtet, die zugunsten des Angeklagten gesprochen hätten und eine Bewährung "gerade noch vertretbar" machten, sagte die Richterin. Man hätte den bis dahin und seither völlig unbescholtenen Mann mit einem Haftvollzug geschäftlich, familiär und sozial "aus allem rausgerissen".

Er stehe, so die Vorsitzende, vor einer Lungentransplantation, habe "hoch haftempfindlich" schwer an sieben Wochen im Untersuchungsgefängnis tragen müssen, sei von Anfang an voll geständig und kooperativ gewesen, habe alle Erlöse der vorangegangenen Drogen-Deals erstattet und sei von glaubwürdiger Reue erfüllt. Zudem sei er nicht die wirklich treibende Kraft des unerlaubten Rauschgifthandels gewesen. Und es habe es sich mit Marihuana "nur um eine weiche Droge gehandelt", die dank der Obacht der Ermittler auch nicht in Gebrauch gelangt wäre.

Der 66-jährige Kanada-Heimkehrer mit seiner Cannabis-Plantage auf dem einsamen Schwarzwaldhof im hintersten Renchtal war im ersten Prozess zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Sieben Ernten aus 600 Pflanzen hatte er für 230.000 Euro zum Weiterverkauf an seine Dealer abgegeben. Der mitangeklagte Partner aus Calmbach musste ebenfalls ins Gefängnis, wenngleich nach Anrechnung der U-Haft nur noch für kurze Zeit. Auch für einige weitere Dealer des Marihuana-Rings in ganz Südwestdeutschland gab es andernorts wohl Haftstrafen.

Die Prozesskosten muss der Angeklagte tragen, die Revisionsgebühren allerdings nur hälftig. Außerdem müsse er als Bewährungsauflage 3000 Euro an die Tübinger Drogenhilfe zahlen, entschied das Gericht.