Urgroßmutter, Großmutter, Mutter und zwei Kinder der Familie Gideon-Pressburger aus Rexingen und Baisingen Foto: Staudacher

Die neue Ausstellung im Museum Jüdischer Betsaal in Horb mit dem Titel „Familientreffen“ ermöglicht einen Blick auf Menschen, die 1933 plötzlich verschwunden sind.Die Aussteller erzählen, was Besucher erwartet.

Wer waren die Menschen, die sich vor hundert Jahren durch nichts als ihre Religion von ihren Nachbarn unterschieden? Deren Familiennamen aus den Adress- und Telefonverzeichnissen von Horb verschwunden sind und nur noch bei einigen älteren Menschen einen schwachen Nachhall im Gedächtnis auslösen? Die neue Ausstellung im Museum Jüdischer Betsaal in Horb ermöglicht einen Blick auf die so plötzlich Verschwundenen.

Vor hundert Jahren lebten in unserer Region Christen und Juden in selbstverständlicher Nachbarschaft. Ihre Kirchen und Synagogen befanden sich meist nicht weit voneinander entfernt mitten im Ort. Geschäfte, Gasthäuser, Vereine, politische Gremien und Schulen standen allen offen.

1933 wurde diese Nachbarschaft durch den NS-Staat gewaltsam zerstört. Innerhalb von zwölf Jahren war es gelungen, durch Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung jüdisches Leben in unserer Region fast spurlos auszulöschen.

Außer den Friedhöfen, der Ehemaligen Synagoge in Rexingen, dem Jüdischen Betsaal in Horb und ein paar Dutzend Stolpersteinen vor früheren Wohnhäusern erinnert nichts mehr an die vertriebene und ermordete jüdische Bevölkerung.

Alle Bilder stammen aus Fotoalben

Aus seinem umfangreichen Bildarchiv hat der Synagogenverein eine Auswahl von historischen Aufnahmen jüdischer Familien aus Rexingen und Horb zusammengestellt. Alle Bilder stammen aus Fotoalben, die im Gepäck der Emigranten nach Amerika, Palästina oder an andere Fluchtorte mitgenommen wurden. Sie waren wichtig als Erinnerung an die Heimatstadt Horb, an das Heimatdorf Rexingen und an Familienmitglieder, die man zurücklassen musste. Manchmal sind es auch Aufnahmen, die in den ersten Jahren der Emigration entstanden sind, Dokumente geretteter Existenzen auf einem anderen Kontinent. Trotz der Schwierigkeiten des Neuanfangs strahlen sie Optimismus und Lebensfreude aus.

Die Beschäftigung mit den Fotos ist eine Zeitreise zurück in die Vergangenheit. Kinder und Jugendliche, Verlobte, Brautpaare, Eltern und Großeltern schauen uns an und verführen uns dazu, uns an unsere eigene Kindheit und Jugend zu besinnen, an unsere Eltern oder Groß- und Urgroßeltern, die zur selben Zeit gelebt haben wie die Familien Gideon, Pressburger, Frank und Esslinger.

Sorgfältig arrangierte und komponierte Bilder

Viele Fotos sind von professionellen Fotografen gemacht, sorgfältig arrangierte und komponierte Bilder. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen setzen einen eindrucksvollen Kontrapunkt zu den heutigen, bunten und oft beliebigen Handy-Bildern, die das Internet fluten.

Liliana Löwenstein, für deren Großtanten im April dieses Jahres in Rexingen Stolpersteine gelegt wurden, hat uns in ihrer Rede einen Auftrag gegeben: „Wir Juden sind Menschen wie alle anderen Menschen, seit Anbeginn ebenso wie heute und morgen. Ich wünsche mir, dass Juden in Deutschland sich nicht mehr rechtfertigen müssen, Juden zu sein, erklären zu müssen, was ein Jude ist, wie ein Jude lebt. Warum überhaupt?! Die in Deutschland aufgewachsene junge Generation von Juden möchte ebenso ein ganz normaler Bestandteil der Gesellschaft sein, wie es auch Juden vor dem Holocaust in diesem Land waren. Wir sollen daran erinnern, dass jüdische Menschen auf diesem Boden gelebt haben, zunächst unterdrückt, dann gleichgestellt, dann wieder entrechtet, ausgeschlossen, gedemütigt, verfolgt, in die Flucht oder in den Tod getrieben, ermordet.“

Die Autorin Barbara Staudacher engagiert sich seit Jahrzehnten im Förderverein Synagoge Rexingen.

Die Ausstellung

Eröffnung
 Die Eröffnungsveranstaltung findet am Sonntag, 24. September, ab 17 Uhr in der Ehemaligen Synagoge in Rexingen statt. Der SWR-Redakteur und Sprecher Peter Binder liest Texte, die Rexinger und Horber Juden über ihre Kindheit geschrieben haben. An diesem Abend feiern auf der ganzen Welt jüdische Familien den Beginn des Versöhnungstages Jom Kippur. Die Lesung beginnt im Andenken daran mit einer Erinnerung an eine Jom Kippur-Feier in Horb im jüdischen Betsaal.

 

Öffnungszeiten
Die Ausstellung ist ab Samstag, 30. September, bis zum Sonntag, 28. Januar, jeden Samstag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

 

Bildspenden
Die Fotosammlung des Rexinger Synagogenvereins wächst ständig an durch die Bildspenden der Nachkommen der zweiten, dritten und inzwischen auch vierten Generation, die jedes Jahr auf Spurensuche nach Horb und Rexingen kommen und die Fotos ihrer Vorfahren sorgsam hüten.