Geschichte: Ausstellung zur Ausraubung der jüdischen Bevölkerung in Württemberg und Hohenzollern ist in Horb zu sehen / Teil 1

"Ausgrenzung, Raub, Vernichtung. NS-Akteure und ›Volksgemeinschaft‹ gegen die Juden in Württemberg und Hohenzollern. 1933 bis 1945". So lautet der Titel der neuen Ausstellung im Museum Jüdischer Betsaal. Eine zweiteilige Serie in unserer Zeitung berichtet über die Hintergründe.

Horb. Mit der Ausstellung werden ab Sonntag, 5. Juli, die Ergebnisse eines großen Forschungsprojekts, das Ende 2019 abgeschlossen werden konnte, im Museum Jüdischer Betsaal in Horb präsentiert. Es beschäftigte sich mit der materiellen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in Württemberg und Hohenzollern von 1933 bis 1945. Am Anfang dieses Projekts stand 2011 eine Ausstellung des Rexinger Synagogenvereins, in der Akten aus dem Horber Finanzamt gezeigt wurden. Sie belegten, wie mit größter Akribie zentral und lokal die letzte Ausraubung der jüdischen Familien organisiert worden war, die 1941/1942 in die Vernichtungslager deportiert wurden. Diese Ausstellung bewegte viele Besucherinnen und Besucher sowie Aktive in den Gedenkstätten. Es entstand das Bedürfnis, den Prozess der beruflichen und wirtschaftlichen Vernichtung der Juden in der Zeit des Nationalsozialismus für ganz Württemberg und Hohenzollern grundlegend zu erforschen und in Buchform und in einer Ausstellung zu dokumentieren.

Mit Unterstützung des Landesarchivs Baden-Württemberg konnte der Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb das Projekt 2013 starten, an dem sich schließlich 29 Forscherinnen und Forscher aus Gedenkstätten, Staats- und Stadtarchiven beteiligten.

Die Ausgrenzung begann 1933

Schon am 1. April 1933 organisierte die NSDAP im ganzen Deutschen Reich militante Boykottaktionen gegen Geschäfte, Arztpraxen und Rechtsanwaltbüros, die von jüdischen Familien geführt wurden. Das "Schwarzwälder Volksblatt" berichtete dazu am 3. April 1933: "Vormittags gegen 10 Uhr sammelte sich eine große Abteilung von SA-Leuten auf dem Turnhallenplatz (...). Punkt 10 Uhr bezogen die einzelnen Posten mit Plakaten, die zur Meldung der jüdischen Geschäfte aufforderten, ihre Stellungen vor den einschlägigen Häusern. In der unteren Stadt herrschte den ganzen Tag über viel Betrieb in den Straßen. Die Aufforderung des Tages wurde fast restlos befolgt."

Der endgültige Raub 1941/42

Am 7. April 1933 erließ die Reichsregierung das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums", das bestimmte, dass Juden nicht mehr Beamte sein durften. Nur sogenannte Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs oder wer einen Vater oder Sohn in diesem Krieg verloren hatte, war ausgenommen. Zum gleichen Zeitpunkt wurde Rechtsanwälten die Zulassung entzogen – es genügte ein jüdischer Großelternteil. Jüdische Ärzte verloren ihre Kassenzulassung. Jüdische Kaufleute waren für die Zeitungen gute Kunden gewesen. Sie nutzten modern gestaltete und großzügige Anzeigen, um auf ihr Sortiment aufmerksam zu machen. Am 30. Juni 1933 schrieb die lokale Horber Zeitung an ihre Leser: "Ab 1. Juli 1933 erscheint ... das ›Schwarzwälder Volksblatt‹ als amtliches Organ der NSDAP für den Bezirk Horb." Ab diesem Zeitpunkt konnten jüdischen Kaufleute Werbeanzeigen nicht mehr in dieser Zeitung aufgeben. Gleichzeitig begann in den Zeitungen eine Hetze gegen nichtjüdische Kundinnen und Kunden, die weiter Geschäfte jüdischer Familien aufsuchten.

Auf dem Reichsparteitag der N SDAP 1935 in Nürnberg wurde das "Reichsbürgergesetz" beschlossen, in dem festgehalten wurde, dass Jüdinnen und Juden nicht mehr Reichsbürger sein konnten. In Württemberg wurden dann auch die Boykottmaßnahmen von 1933 wieder aufgenommen. Die NS-Hago (der Zusammenschluss der NS-Handwerks-, Handels- und Gewerbeorganisationen) verteilte 1935 die Broschüre "Deutscher kaufe nicht beim Juden!", in der versucht wurde, alle Geschäfte mit jüdischen Eigentümern für Württemberg und Hohenzollern aufzulisten.

Mit dem Novemberpogrom von 1938 wurde die Endphase der wirtschaftlichen Vernichtung der jüdischen Familien eingeleitet. Wer nicht schon vorher aufgegeben hatte, wurde jetzt durch Verordnungen zur Geschäftsaufgabe gezwungen. Nach der Zerstörung der Synagogen und der Plünderung von Geschäften jüdischer Eigentümer wurden von Hermann Göring drei Verordnungen unterzeichnet, und zwar alle am 12. November 1938, also wenige Stunden nach dem Pogrom. Im Zentrum stand die "Verordnung über eine Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit". Wer noch mehr als 5000 Reichsmark Vermögen besaß, musste davon 20 Prozent als "Judenvermögensabgabe" zahlen. Im Oktober 1939 wurde der Betrag auf 25 Prozent erhöht. Vielen Familien war es damit praktisch nicht mehr möglich, ihre Flucht zu finanzieren.

Es wurde Juden verboten, Einzelhandelsgeschäfte oder Handwerksbetriebe zu führen. Es war ihnen untersagt, auf Märkten Waren anzubieten und es wurden Gewerbescheine eingezogen. In Rexingen bedeutete dies das Ende aller Viehhandelsbetriebe und in Horb war das Ende aller Geschäfte jüdischer Familien damit besiegelt.

Wer zurückblieb, wurde 1941 meist aus seiner Wohnung vertrieben und – wie es die NS-Behörden formulierten – in "Judenhäuser" zwangsumgesiedelt. Die jüdischen Familien von Horb wurden nach Rexingen gebracht und lebten dort auf engstem Raum zusammen. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 erließ die Reichsregierung im Oktober für Juden ein generelles Ausreiseverbot. Wer sein Haus verließ, musste jetzt zur Kennzeichnung einen gelben Stern mit dem Aufdruck "Jude" tragen.

Weitere Informationen: Welche besondere Rolle das damalige Horber Finanzamt bei der Beraubung der jüdischen Bürger spielte, und wer davon profitierte, darüber berichtet der zweite Teil dieses Beitrags www.ehemalige-synagoge-rexingen.de/aktuelles