Die 24-Jährige sprühte einem Nachbarn Pfefferspray ins Gesicht. (Symbolfoto) Foto: © AdobeStock_Jevgenij

Naziparolen, Faustschläge und Pfefferspray – ausgerechnet in der Silvesternacht lief es in Starzach gründlich schief. Das Amtsgericht Rottenburg sieht den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt.

Starzach/Rottenburg - "Deutschland den Deutschen" und "Ausländer raus" skandierte die Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 1. Januar dieses Jahres. Zudem sprühte die 24-Jährige einem Nachbarn Pfefferspray ins Gesicht – nur Sekunden, nachdem ihr Mitangeklagter das Opfer mit einem kräftigen Faustschlag ins Gesicht attackiert hatte. Das Amtsgericht Rottenburg reagiert mit einem klaren Urteil: Acht Monate und zwei Wochen Haft mit Bewährung wegen Volksverhetzung und Körperverletzung für die Frau sowie eine saftige Geldstrafe für den 36 Jahre alten Schläger. "Eine Warnung", so Richter Stefan Fundel. Zugleich setzte er mit dem Urteil auch ein klares Zeichen, dass Ausländerhass und rechtsradikale Parolen kein Kavaliersdelikt sind.

Die Liste der Zeugen ist lang, was genau in der Nacht alles an schmutzigen Parolen gerufen wurde, lässt sich vor Gericht nicht mehr genau rekonstruieren. Mehrere Zeugen sagen aus, auch Rufe wie "Heil Hitler" und "Sieg Heil" seien aus dem Wohnhaus der Angeklagten in Starzach zu hören gewesen. Zugespitzt habe sich die Lage kurz nach Mitternacht, als sich mehrere Nachbarn auf der Straße trafen, um sich ein Frohes Neues Jahr zu wünschen.

Doch ungetrübte Freundschaft herrschte zwischen den Nachbarn schon seit langem nicht mehr, und statt eitler Freude kam auch in der Silvesternacht rasch Aggressionen auf. Mehrere Zeuge sprechen von Gerangel und "Wortscharmützel", die Lage sei rasch eskaliert. Die Sprache war rau, politische Aversionen spielten dabei eine erhebliche Rolle. "Kommt runter Ihr linken Zecken", habe da jemand gerufen, "ich schlage Euch den Kopf ab". Der 36-jährige Angeklagte, so die Staatsanwaltschaft, schlug einem Nachbarn mit der Faust voll auf den Mund, dass die Lippe aufplatze. Unmittelbar darauf habe die Angeklagte das Opfer mit Pfefferspray besprüht.

Alkohol im Spiel

Natürlich war – schließlich ist Silvesternacht – auch Alkohol im Spiel. Man habe halt "e bissle was getrunken", so der Angeklagte, der als Stuckateur arbeitet und drei Kinder hat, auf breitem Schwäbisch. Wie viel das denn so "alkoholtechnisch" gewesen sein, will der Richter wissen: "Angetrunken, volltrunken, sturzbesoffen?", fragt Fundel. Die Antwort: "Besoffen halt." Später stellte sich heraus, dass der Angeklagte rund zwei Promille Alkohol intus hatte. Er meint, er habe den Streit und das nächtliche Gerangel schlichten wollen. Doch der Beschuldigte, der ohne Anwalt vor Gericht steht, gesteht seine Aggression ein – einige Monate nach der Tat entschuldigte er sich sogar bei seinem Opfer wegen des Faustschlages.

Andere Version

Die Version der Angeklagten, die derzeit schwanger ist und als Hauswirtschafterin arbeitet, hörte sich freilich anders an. Plötzlich habe da dieser nicht eben gelittene Nachbar – der ihrer Meinung politisch dem "linken Spektrum" angehört – auf ihrem Grundstück gestanden und sie als "kleine Nazischlampe" beschimpft. Er habe sie geschubst, sie sei rückwärts gefallen. Sozusagen in letzter Not habe sie zum Pfefferspray gegriffen. "Ich wollte ihn nicht verletzten aber ich habe keine andere Möglichkeit gesehen." Doch diese Parolen "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen" – die habe sie niemals gerufen, beteuert die Beschuldigte. "Das ist nie passiert."

Doch das sehen wiederum mehrere Zeugen anders – und die Staatsanwaltschaft hält diese Aussagen für glaubhaft. Angesichts der ausländerfeindlichen Parolen sei der Straftatbestand der Volksverhetzung eindeutig gegeben. Hinzu komme die Körperverletzung. Dagegen versucht die Verteidigung in Frage zu stellen, dass ihre Mandantin die bösen Worte tatsächlich gesagt habe, den Pfefferspray-Einsatz wertet sie als Notwehr. Doch Richter Fundel folgt in seinem Urteil der Staatsanwaltschaft. Seine Einschätzung zu der aus den Fugen geratenen Silvesternacht: "Häufig ist es so, dass solche Ereignisse ohne den Einfluss von Alkohol nicht geklärt werden können."