Freuen sich, dass die Aktion startet: Initiator Ben Roundtree (links) und Bürgermeister Michael Lehrer (rechts). Zweimal 14 Stunden unterwegs sein werden (von links) Stefan Krischak, Manfred Laufer, Benjamin Heizmann und Frank Hezel. Foto: Wegner

Mit zwei Kleinbussen sind am Dienstagabend insgesamt vier Fahrer von Aichhalden aus an die polnisch-ukrainische Grenze gestartet. Sie sollen dort vier Familien mit behinderten Kindern abholen.

Aichhalden - Vergangenen Donnerstag, so berichtet Bürgermeister Michael Lehrer, habe es eine Anfrage von Ben Roundtree gegeben, ob es denkbar wäre, dass in der Gemeinde für eine Übergangszeit eine oder zwei Familien aus der Ukraine unterkommen könnten. Roundtree stammt ursprünglich aus den Vereinigten Staaten, ist Berufsmusiker und wohnt seit rund fünf Jahren mit seiner Familie in Rötenberg. Er hat durch seine Musikertätigkeit und seine Tochter, welche selbst behindert ist, Kontakte zu der christlichen Behinderteneinrichtung "Wings of Faith" in der Ukraine.

Etwas Vorlauf

"Ich habe ihm zugesagt, dass wir hier sicher mit etwas Vorlauf helfen können. Denn es ist klar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Flüchtlinge hier im Landkreis Rottweil ankommen", berichtet Lehrer. Als die russischen Streitkräfte das Atomkraftwerk in Saporischschja angriffen hätten, sei eine Dynamik in die Flüchtlingsthematik gekommen. Denn die Behinderteneinrichtung befinde sich in Riwne, ein Ort in dem es ebenfalls ein Atomkraftwerk gibt.

Mittlerweile gibt es dort fünf Familien mit jeweils mindestens einem behinderten Kind, die aus der Ukraine gerne nach Deutschland kommen würden. Deshalb hatte Lehrer am Sonntag Fahrer für einen solchen Transport gesucht. Innerhalb kürzester Zeit seien vier Fahrer gefunden worden, die sich gegen 22.30 Uhr auf den Weg nach Berdyszcze an die polnisch-ukrainische Grenze nach machten. Vor den Fahrern liegen rund 3000 Kilometer Wegstrecke.

Spontan zugesagt

Es sind dies Stefan Krischak aus Schiltach, Manfred Laufer, Frank Hezel und Benjamin Heizmann aus Rötenberg. Er habe den Aufruf zur Fahrersuche gelesen und spontan zugesagt, sagt beispielsweise Frank Hezel. Da er einen sozial eingestellten Arbeitgeber habe, sei ihm klar gewesen, dass er zwei Tage im Unternehmen fehlen könne – Resturlaub habe er noch genug. Und der Stuttgarter Manfred Laufer ist über verwandtschaftliche Beziehungen mit der Region verbunden: Seine Frau ist die Tante von Sumi Storz, der Ehefrau von Gemeinderat Marcus Storz.

Zwei Fahrzeuge zur Verfügung

Da das Rote Kreuz aus rechtlichen Gründen keine Fahrzeuge an Nichtaktive übergeben darf, wurde auf andere zur Verfügung gestellte Fahrzeuge ausgewichen. So hat Obstbrenner Gerhard Wössner aus Rötenberg sowie die Firma Hansgrohe aus Schiltach je ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt, die Spritkosten übernimmt die Gemeinde.

Die Familien werden um 8 Uhr ukrainischer Zeit bei sich aufbrechen und am Dienstag um 15 Uhr an der Grenze erwartet. Dann sollen sie mit den umgehend nach Aichhalden gebracht werden. Derzeit, so Lehrer, sei noch unklar, ob mit den Kindern übernachtet werden muss oder ob die Strecke komplett durchgefahren werden kann. Voraussichtlich würden aber im Lauf des Mittwochnachmittags bis Abends die Flüchtlinge dann im Ortsteil Rötenberg erwartet.

Vier Familien finden Unterkunft

Drei Familien, insgesamt drei Erwachsene (44, 27 und 69 Jahre) und vier Kinder (eins, drei, vier und 18 Jahre) werden in der oberen Wohnung in der Alpirsbacher Straße 13 untergebracht, eine weitere Familie (zwei Erwachsene 38 und 44 Jahre) und drei Kinder (fünf, neun und zehn Jahre) im Schwanenmoos 35 bei den Schwiegereltern von Michael Lehrer.

Hilfsgüter mitgenommen

Sehr schnell sei auch klar gewesen, dass es wenig Sinn macht mit leeren Fahrzeugen in ein Krisen- und Flüchtlingsgebiet zu fahren. Dabei habe die Gemeindeverwaltung beschlossen einige Hilfsgüter zu kaufen. Die Einkauf am Dienstag hatte der DRK-Ortsverband übernommen.

Gemeinde bittet um Spenden

Für die Kosten des Transport und für die Hilfsgüter ruft die Gemeinde zu Spenden auf. Entweder Überweisung auf das Konto der Gemeinde bei der Raiffeisenbank AHS IBAN: DE40 6006 9553 0071 1230 08 oder bar im Bürgerbüro im Rathaus Aichhalden oder der Ortsverwaltung in Rötenberg.

Updates:

12.30 Uhr: Die Stimmung bei den Fahrern, die im ständigen Austausch mit Michael Lehrer sind, sei "sehr gut", auf der Fahrt habe bislang alles geklappt, es habe auch genügend Kraftstoff in Polen gegeben, um für die weitere Fahrt an die Grenze zu tanken. Jetzt seien alle gespannt, berichtet Lehrer, ob das Treffen der Fahrer und der Passagiere, die zwar bis zur Grenze gefahren würden, dann aber diese zu Fuß überqueren müssten, auch reibungslos klappe. Gegen 12.30 Uhr lagen noch rund zwei Stunden Fahrt vor der Gruppe aus Aichhalden.

15.45 Uhr: Mittlerweile haben die Fahrer den ersten Teil ihrer Mission erfüllt. Sie sind am Grenzübergang Berdyszceze angekommen. Dort haben sie die Hilfsgüter, die die Gemeinde Aichhalden besorgt hat, übergeben. Die Flüchtlingen befinden sich laut Angaben vom Michael Lehrer noch an der Grenzkontrolle. "Bitte Daumen drücken, dass sie alle durchgelassen werden", schreibt der Aichhalder Bürgermeister in einem Facebook-Post.

16.45 Uhr: Eine Familie hat mittlerweile den Grenzübergang in Richtung Polen passieren können, meldet Michael Lehrer.

17:15 Uhr: Für den Großteil der Flüchtlinge heißt es noch immer warten am Grenzübergang. Dort, so haben die Fahrer berichtet, gebe es eine kilometerlange Schlange an Menschen, die passieren wollten. Es sei bitterkalt, "richtig bitterkalt", heißt es und man hoffe, dass die Familien möglichst bald die Grenze überqueren könnten. Gegenseitigen Kontakt via Handy und Übersetzer-App gebe es.

Mittwoch, 9. März: Am Morgen informierte Michael Lehrer, dass sich die Rückreise etwas verzögere. Grund sei am Abend starker Schneefall bei Warschau gewesen. Deswegen sei die Fahrt unterbrochen worden. Mittlerweile seien die Fahrzeuge wieder unterwegs.