Mit dem E-Bike zur Arbeit? Verkehrsminister Winfried Hermann (Zweiter von rechts) gab gestern den Startschuss für das Modellprojekt "Nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum". Darüber freute sich auch IHK-Präsident Dieter Teufel (rechts). Foto: Eich

Ein Projekt zum Angeben: Schwarzwald-Baar-Heuberg wird Modellregion. Mobilitätslücken sollen geschlossen werden.

Villingen-Schwenningen - Nachhaltige Mobilitätskonzepte sollen nun erstmalig auch in einer ländlichen Region erprobt werden. Gestern gab es dafür den Startschuss von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) für die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg.

Dynamisches Wirtschaftswachstum und eine erfreuliche Arbeitslosenquote: Die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg gehört zu einer der führenden Industrieregionen in Deutschland. Doch da die drei Landkreise Schwarzwald-Baar, Rottweil und Tuttlingen zum ländlichen Raum gehören, ist die Region besonders vom demografischen Wandel betroffen. Die Folge ist ein ausgeprägter Fachkräftemangel, dem die Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg zwar mit vielen Aktionen entgegenwirken möchte, doch einer der wesentlichen Standortfaktoren wurde dabei bisher noch nicht umfangreich in Angriff genommen: das Mobilitätsangebot.

Fokus liegt in erster Linie auf den Arbeitnehmern

"Unser Fokus liegt nun auf der Mobilität der Arbeitnehmer", erklärte IHK-Präsident Dieter Teufel bei der gestrigen Pressekonferenz über die erste Modellregion für nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum. Denn die Probleme bisher liegen für alle beteiligten auf der Hand. Auszubildende haben Schwierigkeiten, ohne Auto zu ihren Betrieben zu kommen, während Familien dies nur durch zwei Fahrzeuge schaffen können.

Dass das Auto im ländlichen Raum eine große Rolle spielt, hängt vor allem an den dezentralisierten Wirtschafts- und Siedlungsstrukturen. "Wir haben hier einen zersplitterten Verkehr, viele Ziele sind mit dem öffentlichen Nahverkehr nicht zu erreichen", führt Teufel die Problematik weiter aus.

Dabei sind die Voraussetzungen, die Arbeitnehmer für eine autofreie Fahrt zur Arbeitsstätte zu motivieren, günstig: Nur acht Prozent der Pendler arbeiten außerhalb der Region, die durchschnittliche Pendlerdistanz beträgt lediglich 22 Kilometer.

Ohne Auto 20 Kilometer von Tuningen zur Arbeitsstelle nach Rottweil oder von Vöhrenbach in das 17 Kilometer entfernte Villingen-Schwenningen? Für viele Bürger klingt das angesichts der bisherigen ÖPNV-Verbindungen nach weit entfernter Zukunftsmusik. Doch bereits bis zum 30. Juni 2016 sollen laut Christoph Moschberger, IHK-Geschäftsbereichsleiter, "modellhafte Projekte umgesetzt und erprobt werden".

Drei beispielhafte Gewerbegebiete werden untersucht

Einen konkreten Blick in die Zukunft wagte gestern jedoch keiner der zahlreichen Beteiligten von Industrie- und Handelskammer, des Regionalverbandes oder auch die Landräte der drei Kreise.

Fakt ist: Bevor es zur Umsetzung kommen soll, steht zunächst einmal die Entwicklung von Ideen und Maßnahmen zur Verbesserung des Mobilitätsangebotes. Dazu sollen drei beispielhafte Gewerbegebiete in den Landkreisen über die gesamte Projektdauer untersucht werden und als Modell für den gesamten ländlichen Raum in Baden-Württemberg dienen. "Dafür werden entlegene Gebiete ausgesucht, die nur schlecht mit dem ÖPNV erreichbar sind", so Moschberger.

Doch wie soll diese Verbesserung erreicht werden? Im Mittelpunkt soll dabei, auch dank der kurzen Pendlerbewegung, nachhaltige E-Mobilität stehen. Dafür macht sich besonders der grüne Verkehrsminister stark: "Wir wollen einen systematischen Ausbau der Elektromobilität." Dadurch soll natürlich auch der CO2-Ausstoß reduziert werden.

Ausbau der Elektromobilität heißt auch: Die Benutzung der E-Bikes soll attraktiver gemacht werden. Dazu plant man, den Rad- und Fußverkehr auszubauen. 22 Kilometer zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen – das ist auch für den sportlichen Arbeitnehmer ein ambitioniertes Ziel. Jürgen Guse, Vorsitzender des Regionalverbandes, sieht daher den "3er-Ringzug", der die drei Regionen wie eine Art "S-Bahn auf dem Lande", miteinander verbindet, als "hervorragendes Rückgrat" um attraktive und schnelle Verbindungen zu schaffen.

Konzepte wurden bisher nur in urbanen Räumen erprobt

Für Stefan Bär, Landrat des Kreises Tuttlingen, ist hierbei das zentrale Anliegen, dass der Fokus des Ringzuges nicht mehr nur auf den Schüler- und Freizeitverkehr liegt. Sven Hinterseh (CDU), Landrat des Schwarzwald-Baar-Kreises, hofft derweil, dass durch diese Modellregion die vielen Einzelprojekte der Landkreise, wie beispielsweise die Bürgerbusse oder auch die Radverkehrspläne, miteinander vernetzt werden können.

Insgesamt rund 365.000 Euro kostet dieses Projekt, das zu 60 Prozent (219.000 Euro) vom Land Baden-Württemberg bezuschusst wird. Die restlichen 40 Prozent werden von den drei Landkreisen (93.200 Euro) sowie der IHK (65.800 Euro) getragen. Einen entsprechenden Förderbescheid übergab Verkehrsminister Hermann an IHK-Präsident Dieter Teufel.

Hermann sieht diese Modellregion derweil bereits als Prestigeprojekt, schließlich habe man Mobilitätskonzepte bisher nur in urbanen Räumen erprobt. "Ich gebe mit diesem Projekt an", lacht der Grünen-Politiker und hofft, dass diese "große Herausforderung" gestemmt werden kann, um schlussendlich eine Verbesserung der Standortqualität und einen Rückgang des Fachkräftemangels zu erreichen.