VS-Schwenningen - War es Frust, Verzweiflung oder Rache? Wie die Polizei am Mittwoch bestätigte, gestand der 18-jährige obdachlose Tatverdächtige (wir berichteten), die alte Chefarzt-Villa am alten Klinikum in Brand gesetzt zu haben.

Zudem wurde der Brandstifter, der bereits am Dienstag festgenommen werden konnte, nach Angaben der Polizei zwischenzeitlich in eine psychiatrische Fachklinik eingewiesen. Ob ein Tatzusammenhang mit den Schwenninger Containerbränden besteht, würden die weiteren Ermittlungen und Spurenuntersuchungen zeigen.

Indes musste die Feuerwehr am Dienstagabend erneut an den Tatort rund um die Villa anrücken, weil sich aus kleinen Glutnestern Rauch entwickelt habe, wie Polizei-Sprecher Thomas Kalmbach vom Polizeipräsidium Tuttlingen mitteilte. Dieser konnte aber im Nu erstickt werden.

Derweil gehen die Fragen rund um den Brandstifter und jene Jugendgruppe, die sich zum Tatzeitpunkt auf dem Klinik-Areal aufgehalten hatte und im engen Kontakt mit dem Täter stand, weiter: Um mehr Sicherheit zu gewährleisten, werde das Schwarzwald-Baar-Klinikum – Inhaber des Geländes – ab sofort abends einen Sicherheitsdienst einstellen, der vor Ort bis in die Morgenstunden patroulliert, kann Richard Rösch, kaufmännischer Direktor des Kreis-Klinikums, berichten.

"Dieser erhöhte Sicherheitsaufwand soll kurzfristig gewährleistet sein, ehe entschieden wird, ob es eventuell zu einem früheren Abriss des Gebäudes kommt", meint Rösch. Das Klinikum stehe mit seinen begrenzten Ressourcen stets in der Zwickmühle, da die Patientenversorgung immer noch an erster Stelle sei.

Wenn auch nicht auf dem Privatgelände selber, aber in dessen Umfeld sei der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) stets präsent und führe – bei Beschwerden und Einzelfällen – gemeinsam mit der Polizei Kontrollen am Gelände durch, teilt Oxana Brunner von der städtischen Pressestelle mit.

"Das Schwenninger Klinikum ist ein abgeschlossenes Areal und durch einen Bauzaun gesichert. Wenn es konkrete Anhaltspunkte gibt und wir etwas mitbekommen, dann führen wir auch Kontrollen durch", meint Jürgen Laufer vom Polizeirevier Schwenningen nüchtern. Doch pro forma würden, so Laufer weiter, insbesondere die Durchgänge des leerstehenden Klinikums nicht weiter inspiziert.

Auch in Bezug auf die fünf Jugendlichen, die nach Augenzeugen-Bericht teils minderjährig seien und regelmäßig Alkohol und Drogen auf dem Gelände konsumierten, gibt sich der Polizist verhalten: "Da die alte Villa nun nicht mehr als Aufenthaltsort infrage kommt, werden sich die Jugendlichen wohl einen anderen suchen. Dann müssen wir natürlich schauen, wo dieser ist."

Das Prozedere, das nun auf die Minderjährigen zukomme, sei wie bei jedem Fall dieser Art gleich, so Laufer: Es werden Gespräche mit den Eltern geführt, das Jugendamt eingeschaltet und je nach dem eine Anzeige folgen.

Problematisch, aber nicht ungewöhnlich sieht Andreas Menge-Altenburger von der Fachstelle Sucht in VS, die Träger der mobilen Jugendarbeit ist, den Brennpunkt altes Klinikum an: "Jugendliche suchen sich gerne Orte, an denen sie sich unbeobachtet treffen und Drogen sowie Alkohol konsumieren können. Natürlich muss man schauen, dass gerade dort die nötige Sicherheit gewährleistet ist."

Besonders das leer stehende und abgezäunte Klinikum würde für Jugendliche einen gewissen Reiz darstellen. "Gerade in der Pubertät kommen die jungen Leute gerne zusammen und probieren aus – vor allem natürlich Illegales, und da kommt man ja heutzutage leicht dran", erklärt Menge-Altenburger.

Hinter der Tat des 18-jährigen Obdachlosen sieht er eine "sehr große Dramatik": "Was treibt einen jungen Menschen zu solch einem Vorgehen an? Das ist wirklich schlimm und es muss geguckt werden, dass er Hilfe bekommt." Langeweile – besonders in den Sommerferien – sowie Perspektivlosigkeit nennt der Diplom-Pädagoge unter anderem als Ursachen für diese "persönliche Dramaturgie".

Trotz des Vorfalls kann der Fachstellen-Leiter berichten, dass sich die Jugend- und Präventivarbeit in Villingen-Schwenningen ausgedehnt habe. In beiden Stadtbezirken seien mobile Jugendarbeiter per Wohnmobil und in den Jugendzentrum unterwegs, die gezielt versuchten, mit betroffenen Jugendlichen ins Gespräch zu kommen und ihnen Hilfe anzubieten. So kann sich Andreas Menge-Altenburger auch vorstellen, dass mit der Jugendgruppe vom Klinikgelände bereits im Vorfeld Kontakt aufgenommen wurde. "Das verhindert natürlich trotzdem oft nicht, dass wieder etwas passiert", gesteht der Leiter ein.

Und auch in Bezug auf eine Ausweitung der Kontrollen des Klinik-Areals macht er die Ausweglosigkeit der Situation deutlich: "Wenn das Gelände nun stärker bewacht wird, dann werden sich die jungen Leute garantiert einen anderen Ort suchen, an dem sie Drogen und Alkohol konsumieren."

Kommentar: Spiel mit Feuer

Von Mareike Bloss

Der Brand auf dem Gelände des ehemaligen Schwenninger Klinikums scheint geklärt – und doch stehen so viele Fragen offen. Erste Maßnahmen hat die Inhaberin, die Schwarzwald-Baar-Klinikum GmbH, mit der Anstellung eines täglichen Sicherheitsdienstes nun getroffen. Aber warum musste es überhaupt so weit kommen, dass ein junger, psychisch auffälliger Obdachloser seinem Frust auf kriminelle Weise Luft macht? Und was ist mit den Jugendlichen, die – teils minderjährig – sich auf dem Gelände herumtreiben? Es liegt vor allem an der Frage der Verantwortung und Zuständigkeit, die besonders die Polizei von sich schiebt. Denn das Klinik-Areal gilt seit Monaten als Zielscheibe von Vandalen. Es wird Zeit, auch präventiv in die Gänge zu kommen, um besonders Jugendlichen in Villingen-Schwenningen eine Zukunft ohne Drogen und Feuer bieten zu können.