Baden-Württembergs Kinder sind vorbildlich beim Zähneputzen. Foto: obs/CSS Versicherung

„Gesund beginnt im Mund – für Jung und Alt“ lautet das Motto des 22. Tages der Zahngesundheit in Stuttgart. Eine Studie sieht den Südwesten bei der Mundpflege in Europa vorne. Senioren sind bei der Zahnmedizin aber im Nachteil.

Stuttgart - Cristina ist mächtig stolz – mit ihrer Klasse der Kirchhaldenschule hat die Elfjährige beim Tag der Zahngesundheit auf dem Schlossplatz ein Zahnputzlied vorgetragen. „Zähneputzen ist total langweilig, aber ich putz’ dreimal täglich,“ sagt sie, denn: „Zähne sind das Wichtigste!“ Löcher will sie auf keinen Fall. Dafür nimmt Cristina auch fünf Minuten Langeweile in Kauf.

Nicht nur ihr geht es so: Laut einer Studie liegt Baden-Württemberg bei der Zahngesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland und Europa an der Spitze. Was eigentlich eine positive Entwicklung ist, stellt die Zahnärzte vor neue Herausforderungen. Denn die Gesellschaft wird älter, doch das Gebiss bleibt bei vielen gut. Im Vergleich zu 1997 hatten Senioren 2005 im Schnitt drei eigene Zähne mehr. Anstelle eines kompletten Gebissersatzes sind nun unterschiedliche Brücken, Kronen und Einzelersatze getreten, deren individuelle Pflege etwa für Altenpfleger viel komplizierter ist. In Pflegeschulen und Praxisfortbildungen ist das Thema „Mundgesundheit im Alter“ längst wichtiger Lerninhalt geworden.

Von den rund 250.000 Senioren im Land wird ein Drittel in Heimen betreut, die meisten aber von Angehörigen zu Hause. „An Wissen und Zeit für die richtige Mundpflege mangelt es häufig“, sagt Udo Lenke, Vorstandsvorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft für Zahngesundheit (LAGZ).

Eine Zahnarztpraxis aufzusuchen ist für gehbehinderte Patienten mit viel Aufwand verbunden

Deshalb hat die Landesärztekammer 2001 den Arbeitskreis Alterszahnheilkunde und Behindertenbehandlung (Akabe) gegründet. In jedem Stadt- und Landkreis Baden-Württembergs ernennt er Senioren- und Behindertenbeauftragte. Diese vermitteln den Pflegeeinrichtungen vor Ort Betreuungsärzte und umfangreiches Lehrmaterial für deren Personalschulungen.

Gehbehinderte Patienten haben noch ein Problem: Eine Zahnarztpraxis aufzusuchen ist für sie mit viel Aufwand verbunden. Umgekehrt gilt das auch für Zahnmediziner, die einzelne Patienten in Heimen oder zu Hause besuchen. „Die Behandlung von Menschen mit Behinderung oder Senioren erfordert einen hohen Zeit- und Personalaufwand. Oft ist eine medikamentöse Vorbehandlung oder eine Narkose nötig“, sagt Ute Maier von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Die zahnärztliche Ausstattung zu den Patienten zu transportieren sei nahezu unmöglich. Vor allem fehle es an der Finanzierung. Auch Vorsorgemaßnahmen müssen Erwachsene selbst bezahlen, im Alter und bei Behinderung verfügen sie aber oft nicht über das nötige Geld.

„Unser Ziel ist es, dass der Anspruch auf Prävention und aufsuchende Betreuung für diese Patientengruppen gesetzlich festgeschrieben wird“, sagt Ute Maier. Gesundheitspolitiker haben das erkannt: In einem ersten Schritt können Zahnärzte von 2013 an für einen Hausbesuch mehr abrechnen als die bisher festgelegten 32 Euro.

Vor allem bei Kindern aus Zuwandererfamilien sei die Zahngesundheit oft auffallend schlecht

„Ein schönes Gebiss bedeutet Perspektiven und Lebensqualität“, sagt Joachim Kohler von der LAGZ. Dafür brauche es Aufklärungsprogramme für alle Bevölkerungsgruppen. Die Gruppenvorsorge in Schulen und Kindergärten konzentriert sich deshalb zunehmend auf soziale Brennpunkte. Denn oft spielen soziale Herkunft und Bildungsstand der Eltern für die Gesundheit der Kinder eine große Rolle, wie Studien zeigen. „Hier Chancengleichheit herzustellen ist sehr wichtig,“ sagt Kohler. Vor allem bei Kindern aus Zuwandererfamilien sei die Zahngesundheit oft auffallend schlecht.

Cristina zeigt, wie es anders geht: Als Tochter eines Italieners und einer Italienerin zählt sie eigentlich zu dieser Gruppe. Aber Karies hat bei ihr keine Chance: „Wenn ich einmal nur zwei Minuten putze, rufen meine Eltern sofort: zu kurz!“

Veranstaltungen zum Tag der Zahngesundheit auf dem Schlossplatz gehen bis Freitag, 28. September, täglich von 9 bis 17 Uhr und am Samstag, 29. September, von 10 bis 15 Uhr. Geboten werden unter anderem freie Beratung, Zahnputzbrunnen und Kreativwerkstatt.