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Stadträte: Dilettantisches Vorgehen vom Land bei Architektenwettbewerb - Vorgaben überschritten.

Stuttgart - Die neue John-Cranko-Schule des Stuttgarter Balletts wird um bis zu 40 Prozent teurer als vom Land ursprünglich berechnet. Am Mittwoch ist im Verwaltungsausschuss des Gemeinderates ein offener Streit über die Verantwortung für die Kostenexplosion von 25 auf 35 Millionen Euro entbrannt. Die Vertreterin des Landes räumte haarsträubende Versäumnisse ein.

Ob diese Versäumnisse und Fehler schlicht Unfähigkeit oder aber einer bewussten politischen Fehlkalkulation geschuldet sind, ließ Annette Ipach-Öhmann, die Leiterin des Landesbetriebs Vermögen und Bau, offen. Für beide Thesen lieferte die Direktorin aber einige Ansatzpunkte.

20 Millionen hatte das Land, das gemeinsam mit der Stadt die Baukosten trägt, für den Neubau berechnet. Dann erfolgte ein Aufschlag von fünf Millionen Euro "grundstücksbezogener Kosten". Auf Deutsch: Man baut am Hang. Dass nach einem Wettbewerb mit dem Siegerentwurf der Architekten Stefan Burger und Birgit Rudacs (München) nun 35 Millionen Euro (ohne Ausstattung, die das Staatstheater bezahlen soll) in Rede stehen, begründete Ipach-Öhmann so: Das zur Kalkulation der 20 Millionen verwendete Computerprogramm habe schlicht "zu wenig Verkehrs- und Technikfläche" ausgewiesen. Auch seien die Räume bei der Berechnung in zu niedrige Kostengruppen sortiert worden. Später sei klar geworden, dass zum Beispiel die Säle eine mechanische Belüftung erforderten. Außerdem, rechtfertigte sich die Direktorin, sähen alle Wettbewerbsentwürfe größere Flächen als in der Ausschreibung gefordert vor.

Neue Cranko-Schule "nicht um jeden Preis"

In der Debatte ergab sich, dass nicht nur der Computer des Landes Fehler gemacht hat. Die Beamten hatten bei der Kostenberechnung Preissteigerung, einen Puffer für Unvorhergesehenes, einen Regionalfaktor und die auf dem Stadtgebiet verschärfte Energieeinsparverordnung ignoriert. Dafür zogen sie von der errechneten Summe noch zehn Prozent "Globaleinsparung" ab.

"Zehn Prozent Aufschlag wären nötig gewesen", sagt Technikbürgermeister Dirk Thürnau (SPD). 30 Millionen Euro hatte die Stadt errechnet - und dem Land alle Punkte mitgeteilt. "Wir sind in die 25 Millionen hineingepresst worden", versuchte Ipach-Öhmann eine Verteidigung. "Nicht von uns", konterte Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU). Die Gemeinderatsfraktionen wollen die neue Schule grundsätzlich. "Aber nicht um jeden Preis", warnt CDU-Stadtrat Jürgen Sauer. Er fordert eine Deckelung der Kosten. "Wenn unsere Fachverwaltung eine solche Rechnung bringt, kriecht sie anschließend aus diesem Saal raus", beschrieb Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold, dass die Stadträte bei Bauprojekten inzwischen einen höheren Standard gewohnt sind.

"Wir hätten das Ding nicht losgekriegt, wenn wir es zu hoch gehabt hätten", bemerkte Ipach-Öhmann vor der Tür in kleiner Runde. Soll heißen: Mit den wahren Kosten hätte es gar keinen Wettbewerb gegeben.