Stuttgart - Aufgrund eines EU-Urteils müssen womöglich bald 17 rückfallgefährdete Schwerverbrecher aus baden-württembergischen Gefängnissen entlassen werden. Das Land rüstet sich schon mal für eine anschließende Überwachung.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat kürzlich in letzter Instanz entschieden, dass die Sicherungsverwahrung bei Straftätern nicht rückwirkend verlängert werden darf. Dies verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, urteilten die Straßburger Richter in einem Fall und sprachen dem Häftling für die Jahre, die er ihrer Ansicht nach zu viel im Gefängnis saß, eine Entschädigung in Höhe von 50.000 Euro zu.

Hintergrund der Entscheidung ist eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 1998. Damals schaffte die Bundesregierung die Obergrenze für eine Sicherungsverwahrung (zehn Jahre) ab. Seitdem können Straftäter, die ihre Haft zwar abgesessen haben, aber noch immer als gemeingefährlich gelten, theoretisch bis zu ihrem Tod im Gefängnis gehalten werden. Alle zwei Jahre wird die Maßnahme überprüft.

Das Gesetz trat damals auch rückwirkend in Kraft, das heißt: Kriminelle, die damals bereits in Sicherungsverwahrung saßen, aber mit einer Entlassung nach spätestens zehn Jahren rechnen durften, wurden von der neuen Härte auch erwischt. Einer von ihnen klagte dagegen und bekam nun recht.

Ein Großteil der 17 Schwerverbrecher sind Sexualstraftäter, aber eben nicht alle. Auch Gewalttäter sind darunter, die Goll ebenfalls gerne im Auge behalten will. Landesweit sitzen im Land rund 80 Häftlinge in Sicherungsverwahrung. Bei 78 von ihnen wurde die Sicherungsverwahrung bereits beim Urteil angeordnet, bei zweien erst nachträglich, was seit 2004 möglich ist. Goll fordert seit Jahren, die Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung zu erleichtern. Aber auch hier bremsen die EU-Richter. Nach ihren Vorgaben muss die nachträgliche Sicherungsverwahrung in Deutschland eher erschwert werden.

Bis zu 70 ähnlich gelagerte Fälle gibt es in ganz Deutschland. Ob diese Straftäter nun aber alle automatisch entlassen werden müssen, ist strittig. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat dies in einem Fall bejaht, das OLG Koblenz in einem anderen Fall verneint. Die Richter in Koblenz argumentieren, dass das Urteil aus Straßburg zwar die deutsche Politik zum Handeln verpflichte. Es habe aber keine unmittelbare Gesetzeskraft für Einzelfälle. Demnach müsste sich jeder Häftling aus dem Gefängnis klagen - und notfalls wieder Straßburg anrufen.

Im baden-württembergischen Justizministerium neigt man der Rechtsauffassung der Koblenzer Richter zu. Freiwillig will man dort keinen der 17 Schwerverbrecher aus dem Gefängnis entlassen. Doch wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Gerichte den Staat dazu zwingen werden, was Justizminister Ulrich Goll (FDP) gar nicht gut fände. "Einen noch hochgradig gefährlichen Täter entlassen zu müssen bereitet Bauchschmerzen", sagt er.

Doch Goll muss sich auf den schlimmsten Fall vorbereiten. Deshalb hat er Kontakt mit Innenminister Heribert Rech (CDU) aufgenommen, um das seit April laufende "Konzept zur Überwachung rückfallgefährdeter Sexualstraftäter" (KURS) auszuweiten. Künftig sollen nicht mehr nur entlassene Sextäter von der Polizei im Land überwacht werden können, sondern auch Gewalttäter. Der entsprechende Erlass sei fertig und bereits mit dem Innenministerium abgestimmt, so Golls Sprecher.

Ein Großteil der 17 Schwerverbrecher sind Sexualstraftäter, aber eben nicht alle. Auch Gewalttäter sind darunter, die Goll ebenfalls gerne im Auge behalten will. Landesweit sitzen im Land rund 80 Häftlinge in Sicherungsverwahrung. Bei 78 von ihnen wurde die Sicherungsverwahrung bereits beim Urteil angeordnet, bei zweien erst nachträglich, was seit 2004 möglich ist. Goll fordert seit Jahren, die Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung zu erleichtern. Aber auch hier bremsen die EU-Richter. Nach ihren Vorgaben muss die nachträgliche Sicherungsverwahrung in Deutschland eher erschwert werden.