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Asylbewerber aus Gambia und vom Balkan erleben bei Brand in Rottenburger Container-Siedlung Dramatisches. Ursache unklar.

Rottenburg - "Feuer, Feuer." Panisch rennen die Flüchtlinge um 2 Uhr nachts aus ihren Wohncontainern. Es ist eng, die Flammen lassen nur einen Fluchtweg übrig, es bleibt keine Zeit mehr, noch irgendetwas von den wenigen Habseligkeiten zu retten. Drei Flüchtlinge springen sogar aus dem Fenster. Dramatische Szenen spielten sich in der Nacht vom Sonntag auf Montag in Rottenburg (Kreis Tübingen) ab.

Montagmittag: Die eine Hälfte der Containerunterkunft am Stadtrand ist vollkommen ausgebrannt. Auch die andere ist nicht mehr bewohnbar. Der Geruch von verbranntem Plastik liegt noch in der Luft. Hier, wo das Leben in den vergangenen Monaten pulsierte, herrscht jetzt Totenstille. 89 Asylbewerber waren hier in 56 Einzelcontainern untergebracht. Die meisten kamen aus Gambia, dazu einige vom Balkan.

Sechs Flüchtlinge haben sich bei dem Brand Verletzungen zugezogen. Ein Vater hatte seine drei Kinder aus dem Container gerettet und dabei eine Rauchvergiftung erlitten. Verzweifelte Brandopfer sprangen aus den Fenstern des zweistöckigen Gebäudes und zogen sich dabei Brüche und innere Verletzungen zu. Zwei schwangere Frauen wurden in die Tübinger Frauenklinik gebracht, da sie befürchteten, aufgrund von Rauchgasen ihre Babys zu verlieren. Die beiden werdenden Mütter sind aber wohlauf und wieder aus der Klinik zurück. Zwei Frakturen sind laut DRK-Bereichsleiterin Lisa Federle zu versorgen gewesen, zudem eine Schulterverletzung, zwei Rauchgasvergiftungen und Herzrhythmusstörungen.

"Ich habe schon geschlafen. Dann habe ich lautes Trampeln gehört, viele Schritte. Ich habe gedacht, das kann nicht normal sein. Da ist etwas passiert", erzählt der Gambier Kemo Jabbi von der traumatischen Nacht. Auch er musste alles zurücklassen, was er hatte. Ein anderer Flüchtling aus Gambia sagt: "Ich habe mein Handy verloren. Mein Handy ist mein ganzes Leben. Alles ist da drauf, was ich brauche." Die Flüchtlinge hoffen, dass wenigstens ein bisschen etwas von ihrem wenigen Besitz noch verwendbar ist.

Bei einer nach dem Brand einberufenen Pressekonferenz betonte Oberstaatsanwalt Martin Klose, dass die Brandursache noch immer unklar sei. Bereits gestern wurde von der Polizei eine 25-köpfige Ermittlungsgruppe eingesetzt, die den Fall in alle Richtungen untersucht. In Betracht komme laut Klose sowohl fahrlässige als auch mutwillige Brandstiftung. Auch werde ein möglicher technischer Defekt überprüft. Genauere Angaben konnte die Polizei bis gestern nicht machen.
In der Festhalle erhielten die Menschen warme Mahlzeiten. Zudem sind Feldbetten aufgestellt worden

Die 89 betroffenen Asylsuchenden wurden umgehend in die Rottenburger Festhalle gebracht, die zur Notunterkunft umgebaut wurde. Einzelne Gambier weigerten sich zwar zunächst und wollten bei den Containern bleiben, konnten aber schließlich doch überzeugt werden. In der Festhalle erhielten die Menschen warme Mahlzeiten, Kaffee und Getränke, zudem sind einige Feldbetten aufgestellt worden.

In der Festhalle war die Atmosphäre zwar bedrückt, aber in Anbetracht der Umstände recht entspannt. "Klar ist das ein traumatisches Erlebnis, aber die Flüchtlinge sind trotzdem sehr ruhig geblieben", erzählt Kirsten Modest, Sozialarbeiterin des Landratsamts in Tübingen. Kemo Jabbi ist trotz der dramatischen Nacht erleichtert: "Das Wichtigste für uns ist, dass es keine Toten gegeben hat." Heute Nacht sollten die Flüchtlinge in die Tübinger Kreissporthalle gebracht werden, wo bereits ein Notquartier eingerichtet wurde. Zwar benötige man die dortigen Plätze auch anderweitig, betonte Landrat Joachim Walter, doch könne man die 89 Plätze erst einmal den Flüchtlingen zuweisen, die Opfer des Brandes in Rottenburg geworden sind.

Für manche Flüchtlinge ist es ein Schock, Rottenburg verlassen zu müssen. "Wir sind hier sehr herzlich aufgenommen worden. Wir haben uns mit Menschen angefreundet, die uns hier helfen", erzählt ein junger Flüchtling. Die Gambier nahmen sogar am Rottenburger Fasnetsumzug als Laufgruppe teil. Zudem trugen sie kürzlich ein Fußball-Freundschaftsspiel gegen den FC Rottenburg aus.

Auch Regina Fetzer vom Rottenburger Freundeskreis Asyl hofft, dass die Flüchtlinge so schnell wie möglich in die Bischofsstadt zurückkommen. "Hier gibt es gewachsene Strukturen, die Kinder besuchen ja zum Beispiel die Schule oder den Kindergarten", sagt die evangelische Pfarrerin. Sie hofft auf einen technischen Defekt als Brandursache.

Als jemand, der ausschließlich mit Unterstützern der Flüchtlingsarbeit zu tun hat, könne sie die Stimmung in Rottenburg aber nicht so recht einschätzen: "Wir wissen, dass nicht jeder von Flüchtlingen begeistert ist. Ich hoffe, dass das nur eine Minderheit ist. Aber es reichen ja leider schon wenige aus, um Dinge zu zerstören."

Polizeipräsident Hans-Dieter Wagner betont, dass das Gebäude derzeit von Kriminaltechnikern untersucht werde, um die Brandursache zu klären. Temporär werde man verstärkt Streife fahren, um andere Unterkünfte zu schützen. 25 Beamte der Kriminalpolizei sind derzeit im Einsatz. In der Brandnacht waren 108 Feuerwehrmänner aus Rottenburg und Tübingen vor Ort, um die Flammen zu löschen. Rottenburgs Stadtbrandmeister Roland Kürner berichtete: "Wir haben ein brennendes Gebäude angetroffen, das Feuer brach im Erdgeschoss aus."

Die Welle der Hilfsbereitschaft ist in Rottenburg derweil groß. DRK-Bereichsleiterin Lisa Federle hatte Freunde angesprochen und um Spendengelder für die Kinder der Asylbewerber gebeten. Dabei kamen 1300 Euro zusammen. Mit diesem Geld wurde Spielzeug gekauft. Die Kinder tobten wenige Stunden später mit ihren neuen Bobbycars auf dem Gelände der Festhalle herum. Für einige Zeit treten die schlimmen Erlebnisse in den Hintergrund.