Die Juchtenkäfer bremsen Planer und Bauarbeiter in ihrem Bemühen aus, das 6,5 Milliarden Euro teure Bahnprojekt fristgerecht zu Ende zu bringen Foto: dpa

Projekt-Sprecher Wolfgang Dietrich hat 2012 als Inbetriebnahmejahr für den umgebauten Bahnknoten infrage gestellt. Schuld daran sei die Bedeutung, die man dem Schutz der Käferle in Stuttgart beimisst.

Stuttgart - Man sieht sie nicht, denn ihre Baumhöhlen verlassen sie – wenn überhaupt – nur an sehr heißen Tagen. Selbst ein Insektenexperte des Stuttgarter Naturkundemuseums entsinnt sich an nur eine Begegnung mit einem Juchtenkäfer in seinem Forscherleben. Viele S-21-Verfechter bezweifeln daher zuweilen deren Existenz. Doch die streng geschützten Eremiten bevölkern erwiesenermaßen Stuttgarts Parks. Einfach über sie hinwegzubauen verbietet geltendes Recht.

Die Bahn sieht das anders: Die Juchtenkäfer bremsen Planer und Bauarbeiter in ihrem Bemühen aus, das 6,5 Milliarden Euro teure Bahnprojekt fristgerecht zu Ende zu bringen. Projekt-Sprecher Wolfgang Dietrich hat 2021 als Inbetriebnahmejahr für den umgebauten Bahnknoten infrage gestellt. Schuld daran sei die Bedeutung, die man dem Schutz der Käferle in Stuttgart beimisst.

Die Frage ist erlaubt, ob wirklich jeder Juchtenkäfer-Baum im Rosensteinpark stehen bleiben muss – und dadurch womöglich dreistellige Millionenbeträge an Mehrkosten verursacht werden. Für die Bahn jedoch verbietet es sich zu jammern. Ihr sind die Auflagen seit Jahren bekannt, allein: Wirklich ernstgenommen hat sie der Verkehrskonzern nicht. Fehler hat auch das Eisenbahnbundesamt als Genehmigungsbehörde gemacht, indem es versäumte, Naturschützer wie gesetzlich gefordert anzuhören.

Man darf Projektgegnern unterstellen, sie instrumentalisierten den Artenschutz gegen das verhasste Projekt. Die richtige Strategie dagegen ist aber nicht, die strengen, vielleicht zu strengen Auflagen zu beklagen. Für die Bahn heißt es vielmehr, endlich rechtlich wasserdichte Lösungen zu präsentieren. Sie steht in der Pflicht, die Kosten durch Verzögerungen nicht noch weiter explodieren zu lassen. Erst schlampige Planung hat den Juchtenkäfer ins Blickfeld rücken lassen, obwohl man ihn eigentlich nicht sieht.