Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart müssen sich drei mutmaßliche Unterstützer der IS verantworten. Foto: dpa

In Stuttgart stehen von Mittwoch an drei Männer vor Gericht, die die Terrormiliz "Islamistischer Staat" unterstützt haben sollen. Am ersten Prozesstag begründet der Hauptangeklagte Ismael I. seine Syrienmission mt einem Trauma.

Stuttgart - Der Hauptangeklagte im Stuttgarter Terrorprozess hat seinen Einsatz für die radikale Miliz „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien mit seiner Familiengeschichte begründet. Seine Großeltern, Onkel, sein Bruder und weitere Verwandte seien vom syrischen Regime verfolgt worden, schilderte Ismail I., Sohn einer Syrerin und eines Libanesen, am Mittwoch vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht. Ein Bruder sei bei einem Raketenangriff durch syrische Truppen im Libanon umgekommen. Seine Oma sei in syrischer Haft mehrfach vergewaltigt worden. „Meine Familie war stark traumatisiert“, sagte der Libanese, dessen Familie Anfang der 1990er Jahre nach Deutschland kam.

Der 24-Jährige, sein 34-jähriger Bruder Ezzedine I. und ein weiterer Mitangeklagter, Mohammad Sobhan A. (38), müssen sich wegen Mitgliedschaft und Unterstützung des IS vor dem 6. Staatsschutzsenat verantworten. Zu klären ist für den Vorsitzenden Richter Hermann Wieland und seine zwei Beisitzer, ob es sich bei der Terrorgruppe, für die Ismail I. gekämpft hat, nicht auch um „Dschaisch al-Muhadschirin wal-Ansar“ (JMA) gehandelt haben könnte, die erst Ende 2013 in der IS aufgegangen ist. Das Verfahren wurde zum Auftakt unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen in Stuttgart-Stammheim geführt.

Ismail I. hat laut Anklage Mitte 2013 zwei Monate in Syrien eine militärische Ausbildung erhalten und dann Wachdienste absolviert. Zudem soll er an einem Häuserkampf bei Aleppo gegen Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad beteiligt gewesen sein. Die beiden Mitangeklagten waren nicht in Syrien, sondern sollen Ismail I. bei der Beschaffung von Ausrüstung für die Kämpfer unterstützt haben. Das Trio flog im November 2013 auf. Das Personal eines Geschäfts für Jagdzubehör war stutzig geworden und hatte die Polizei informiert.

Nach Scheidung "demoralisiert“

Eindrücklich berichtete Ismail I. über sein Leben, das nach dem Verlust eines ungeborenen Kindes mit seiner damaligen Frau palästinensischer Herkunft aus den Fugen geraten war. Nach seiner Scheidung war er „demoralisiert“ und brach eine berufliche Schule wegen Drogenkonsums ab. „Ich habe mich selbst zerstört. Das hat den Schmerz weggenommen - wissen Sie, was ich meine?“, sagte der 24-Jährige.

Hilfesuchend habe er ein Moschee besucht, wo man ihm eine Pilgerfahrt nach Mekka empfohlen habe. Diesen Rat befolgte er 2013. Nach der zweimonatigen Reise setzte er sich laut Anklage über die Türkei nach Nordsyrien ab. Die Erlebnisse als Gotteskrieger wollte er am Nachmittag schildern. Allerdings erwähnte er, dass er unter posttraumatischen Störungen leide und die Knallerei an Silvester für ihn fast unerträglich sei. In der Untersuchungshaft werde er wegen seines Einsatzes in Syrien von Kurden bedroht. Deshalb sei ihm künftig Einzelhaft zugesagt worden.

Der Verteidiger von Ismail I. berichtete, sein Mandant sei auch aus Abenteuerlust nach Syrien gereist und durchaus kein Salafist - eher ein weltlicher Mann, der „Wein, Weib und Gesang“ zugetan sei. Die Fakten seien jedoch unbestreitbar, deshalb gehe es in dem Prozess für ihn um eine Strafmaßverteidigung und keinen Freispruch, so der Anwalt.

Angesichts der Distanzierung seines nicht vorbestraften Mandaten von seinen Taten - er sei tagelang von der Polizei vernommen worden - seien aber Deals möglich. Ihm schwebe eine Freiheitsstrafe zur Bewährung vor.