Kritische Fragen: Vor dem Publikums-Mikrofon bildete sich in der Hohenberghalle eine Schlange. OB Peter Rosenberger forderte, das im Kreistag beschlossene Konzept "einmal im Echtbetrieb auszuprobieren". Foto: Hopp

Emotionen kochen bei Infoveranstaltung hoch. Rosenberger: "Es geht um die Menschen".

Horb - Die Horber hängen an ihrem klassischen Krankenhaus. Gut 400 Bürger füllten am Montagabend die Hohenberghalle zur Info-Veranstaltung mit Landrat Klaus Michael Rückert und KLF-Geschäftsführer Peter Mast.

Auf dem Podium sitzen Landrat Klaus Michael Rückert, KLF-Geschäftsführer Peter Mast und Margit Schmaus vom Deutschen Krankenhaus-Institut. Sie hat das Gutachten, das bisher nur als Power-Point-Präsentation vorliegt, verfasst.

Die Folien, die die schlechten Nachrichten für Horb enthalten, sind rechts im dunkelgelb des Landkreis Freudenstadt gehalten. Die Schock-Folie trägt die Nummer 11: Egal, ob man die Innere Station und chirurgische Kurzlieger erhält oder nur die Innere Medizin hält – das Defizit liegt bei 7,3 Millionen Euro. Die Komplettschließung würde vier Millionen Euro Defizit erzeugen, die geriatrische Reha ein Minus von 5,1 Millionen Euro pro Jahr.

Horbs Oberbürgermeister Peter Rosenberger eröffnet die Diskussion mit einem flammenden Appell: "Wir glauben auch nicht immer alle Zahlen, die Details sind uns schon sehr wichtig. Man hört immer das Wort Wirtschaftlichkeit. Uns geht es in allererster Linie um die Menschen." Warmer Applaus tönt durch die Halle.

Dann spricht er die anwesenden Kreisräte an: "Drei Millionen Euro Defizit, das entspricht 25 Euro pro Bewohner des Landkreises. Der Kreistag muss sich die Frage stellen: Was ist uns die Gesundheitsversorgung wert?" Dann zitiert er einen Experten, der ihm geraten hatte: "Ihr müsst versuchen, die dezentralen Strukturen auch in der Medizin aufrechtzuerhalten, sonst könnt ihr die Landflucht nicht aufhalten."

Die Zuhörer klatschen. Landrat Michael Rückert wirkt äußerlich ruhig. Doch wer ihn genau beobachtet, bemerkt, wie angespannt er ist.

Vorher hatte KLF-Geschäftsführer Peter Mast dem Akut-Klinikum Horb ein verheerendes Zeugnis ausgestellt: "Wir haben dort 1800 Euro Erlös pro Fall, aber 4000 Euro Kosten pro Fall."

Akzeptanz der Ambulanz sei nicht sehr groß

Auch die Akzeptanz der Ambulanz sei nicht sehr groß: "Morgens zwischen 9 und 11 Uhr kommt durchschnittlich ein Patient."

Reiner Klinger, Vorsitzender der Bürgerinitiative Pro Krankenhaus Horb, greift die Verantwortlichen an: "Man hätte schon damals beim Kreistagsbeschluss (Juli 2010, d. Red.) erkennen können, dass Horb keine Überlebenschance hat. Viele Probleme, die die KLF nun hat, sind hausgemacht. Schon 2008 habe ich knapp 40 Geschäftsberichte von anderen Krankenhäusern studiert. Ich habe keins gefunden, welches bis 2007 nur halb so viel Schulden wie Freudenstadt gemacht hat."

Immerhin bekommt die Stadt Horb jetzt die Chance, mit einem eigenen Gutachter, die Zahlen des Landkreises und der KLF zu überprüfen. Rosenberger hatte Rückert darum gebeten. Rückert sagt bei der Info-Veranstaltung: "Zunächst müssen die Kreisräte informiert werden. Dann biete ich eine gemeinsame Gesprächsrunde mit Rosenberger, CMK, der Bürgerinitiative, KLF-Geschäftsführer Mast, Margit Schmaus von DKI und mir an, damit größtmögliche Transparenz herrscht."

DKI-Expertin Schmaus will das schriftliche Gutachten erst Ende der Woche fertiggestellt haben, wie sie dem Schwarzwälder Boten sagte. Dann will Rückert diese Unterlage nehmen, um daraus eine Beschlussvorlage für den Kreistag zu machen. Danach soll dann das Treffen mit OB Rosenberger und der BI stattfinden. Rückert: "Bis zum nächsten Sitzungstermin des Kreistages am 19. November wird das nichts mehr." Der nächste Sitzungstermin ist am 17. Dezember. Genau eine Woche vor Weihnachten.

Gegen 22.15 Uhr meldet sich Rosenberger noch einmal zu Wort – als letzter Redner: "Es geht um unser Leben. Und unsere Gesundheit. Wir machen uns große Sorgen um unsere akute Versorgung. Wir appellieren an den Kreisrat: Lassen Sie uns das beschlossene Konzept einmal im Echtbetrieb ausprobieren!"

Dann ist die Info-Veranstaltung zu Ende. Die Stimmung ist eher verzweifelt. Man hört oft: "Die geriatrische Reha in Horb hat keine Zukunft und macht keinen Sinn. Dann sollen sie das Krankenhaus doch ganz dicht machen."

Rückert wirkt am Ende abgekämpft. Die Horber Bürger haben deutlich gezeigt, dass sie sich nicht so einfach geschlagen geben.

Seite 2: Fünf kritische Fragen

Landrat Klaus Michael Rückert war am Montagabend um »Transparenz« bemüht. Dennoch blieben einige Fragen offen:

Frage 1: Warum überhaupt eine geriatrische Reha?

Der Horber Bürger Thomas Duffner stellt die »Frage des Abends«: »Was bringt uns Horbern eigentlich die geriatrische Reha (GR) und was ist das Motiv?« Eine schlüssige Antwort blieb vom KLF-Geschäftsführer Peter Mast gestern aus. Der Hintergrund: Viele der 68 Betten werden mit Menschen belegt sein, die nicht aus dem Kreis Freudenstadt stammen. Aus Calw und aus Sindelfingen/Böblingen gibt es bereits Anfragen an die KLF, da an beiden Standorten keine GR mehr betrieben wird. Das Problem ist aber: Die KLF macht damit keinen Gewinn, im Gegenteil: Denn pro Bett entstehen pro Jahr Kosten von 10.000 Euro, also Gesamtkosten von 680.000 Euro. Die GR also als gutherziger Dienst für andere Landkreise? Ein Umstand, den an diesem Abend viele Horber nicht verstanden. Denn dann wäre eine Komplettschließung logischer. Eine Stimme am gestrigen Abend: »Für uns Horber wäre das dann sowieso egal.« Die These, die von einigen gestern in den Raum gestellt wurde: Die KLF will nicht das Eingeständnis machen, dass viele Millionen Euro umsonst investiert wurden. Zweiter Punkt, der eine Rolle spielen könnte: Man will so viel Personal wie möglich halten. Doch rein wirtschaftlich betrachtet, wird die KLF in den kommenden Jahren viel Geld aus dem Fenster rauswerfen.

Frage 2: Muss die KLF-Vergangenheit nicht endlich aufgearbeitet werden?

»Lassen wir doch die Vergangenheit hinter uns«, hatte Landrat Klaus Michael Rückert beim Pressegespräch auf unsere Frage geantwortet. Bei der Info-Veranstaltung wurde allerdings klar, dass dies von den Horbern nicht akzeptiert wird. In den vielen Meinungsbeiträgen wurde zwar deutlich, dass Landrat Rückert und KLF-Chef Mast keine Verantwortung für den aktuellen Stand gegeben wird. Allerdings wird offen hinterfragt, warum die KLF so schlecht da steht. Reiner Klinger, Vorsitzender Bürgerinitiative Pro Krankenhaus Horb, sagte: »Das ganze Missmanagement der vergangenen Jahre hallt gehörig nach. Dass keine Wirtschaftlichkeitsberechnungen gemacht worden, sollen wir jetzt ausbaden«, erklärte . Klinger weiter: »Wenn Sie, Herr Mast, oder Ihr Vorgänger, Herr Roppelt, in der kurzen Zeit Verbesserungen (in der Prozessoptimierung, Anm. d. R.) geschafft haben, dann wird damit offensichtlich, was in der Vergangenheit passiert ist und wie viel Geld zum Fenster hinausgeblasen wurde.«

Frage 3: Bekommt die KLF wirklich kein Personal?

Einen einzigen Bewerber habe es für das Krankenhaus Horb für die Position des Chefarztes gegeben, erklärte KLF-Chef Mast: einen 67-jährigen Oberarzt aus Heidelberg. Manche fragten sich an diesem Abend: Und was sprach gegen diesen Mann? Weitere kritische Frage, die zu hören war: Muss das genauso sein, wenn die Rahmenbedingungen in Horb erstmal tatsächlich verbessert sind?

Frage 4: Warum ist Patiententourismus von Horb nach Freudenstadt so schlecht?

Das Modell der Portalfunktion sei gestorben, erklärte Margit Schmaus vom Deutschen Krankenhausinstitut. Sie argumentierte, dass man zwar ein niederschwelliges Angebot mit einem »zweitklassigen Arzt« in Horb anbieten könne, es aber bei schwierigeren Fällen (zum Beispiel nach einem Sturz auf den Kopf) dann auf jeden Fall einen Krankentransport nach Freudenstadt gebe. »Einen Patiententourismus hätte man auf jeden Fall.« Was einige Zuhörer allerdings daraus folgerten: Das wäre doch positiv, da dann der Patient in »KLF-Hand« bleiben würde. »Wir müssen zu den Patienten hin, wir müssen sie abholen«, argumentierte BI-Chef Klinger. Außerdem betonten viele Horber, dass ihnen ein »niederschwelliges« Angebot reichen würde oder sogar notwendig ist, wie der Bosch-Rexroth-Betriebsratsvorsitzende Möhrle aufzeigte.

Frage 5: Warum wird um die Gutachten so ein Geheimnis gemacht?

Der Talheimer Arzt Richard Brems wünschte eine »Nachhilfestunde in Sachen Demokratie«. Er konnte wie viele andere nicht verstehen, warum die Gutachten der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden. Da half auch das Angebot von Rückert nicht, dem Horber Gemeinderat, dem Oberbürgermeister und den CMK-Prüfern das Gutachten nach dem Kreistag zukommen zu lassen. Schmaus erklärte: »Es macht wenig Sinn, alles offenzulegen. Weil es nur wenige verstehen.« Ein Argument, das an diesem Abend nicht zog. »Dieses Fazit wollen wir uns selbst erarbeiten«, war zu hören. Klar ist: Nach der Vorgeschichte ist das Vertrauen der Bürger und Verantwortlichen vor Ort in die Glaubwürdigkeit von Aussagen der KLF-Geschäftsführung extrem gesunken. Kritische Fragen sollen schon wieder eher intern besprochen werden. Viele wollen sich aber selbst ein Bild machen – wie Brems, der als erfahrener Arzt sicherlich das Gutachten sehr wohl verstehen wird.