Stuttgart - Die Zahl der Beschwerden wegen Fluglärms rund um den Landesflughafen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen - doch um die Gründe ist es immer ruhiger geworden. Der Bericht des Fluglärmbeauftragten fiel drei Jahre hintereinander wegen Überlastung aus.

Fast auf den Tag genau vor drei Jahren hat Klaus Peter Siefer den Job des Lärmschutzbeauftragten am Flughafen Stuttgart angetreten. Seither hat es den jährlichen Fluglärmbericht nicht mehr gegeben, der für Siefers Vorgänger eine normale Übung war. Jetzt erst, zu Beginn von Siefers viertem Jahr in diesem Amt, soll wieder wie früher verfahren werden. "Uns ist bewusst, dass wir es der Öffentlichkeit schuldig sind, zum sensiblen Thema Fluglärm Statistiken und Auswertungen der Beschwerden vorzulegen", sagt Clemens Homoth-Kuhs vom Regierungspräsidium (RP) Stuttgart, auf dessen Lohnliste der Lärmschutzbeauftragte geführt wird.

Noch im Frühjahr werde man das Thema anpacken, sagt Homoth-Kuhs, wahrscheinlich einen Bericht für drei Jahre anfertigen und in Zukunft wieder regelmäßig informieren, von wo die Beschwerden kamen, wodurch sie ausgelöst wurden und wie man sich bemüht hat, durch Hinweise und Vorschläge für die Fluglotsen Abhilfe zu schaffen. Bisher, heißt es im RP, hätten Siefer und seine Vorgesetzten die Jahresberichte bewusst zurückgestellt. Zuerst geschah das, weil Siefer sich einarbeiten musste. Später lag es daran, dass er durch andere Aufgaben und die große Zahl von eingehenden Beschwerden überlastet war. Im Moment überlege man, wie man ihm bei den Jahresberichten helfen könne, erklärte das RP.

Bisher ist Siefer - wie seine Vorgänger - ein Einzelkämpfer. Ohne Stellvertreter. Ohne Sekretariat. "Ganz so heftig hätte ich mir diesen Job nicht vorgestellt, bevor ich ihn antrat", räumt Siefer ein. Gleich im ersten Jahr wurde er auch noch von den Turbulenzen erfasst, die die Flughafenchefs mit Plänen für eine zweite Piste ausgelöst hatten. Einen Jahresbericht, sagt Siefer, fertige man nicht in zwei Tagen an, das dauere Wochen, zumal niemand für ihn die Beschwerden nach Herkunftsorten vorsortiere. Und der Lärmschutzbeauftragte hat auch noch diverse andere Aufgaben. Unter anderem bemüht er sich um Kontakte zur US-Armee, um den Lärm durch den Militärflugverkehr zu beeinflussen, für den er eigentlich keine Zuständigkeiten hat.

Im Fall des Flughafens Stuttgart habe es der fleißigste der Anrufer allein auf fast ein Viertel aller Beschwerden gebracht, bilanzierte Siefer. In diesem Jahr will er die elektronische Auswertung noch verfeinern. Sein Ziel, Beschwerden möglichst am nächsten Tag zu beantworten, wird er wohl trotzdem nicht erreichen.

Siefer, der selbst die Lizenz zum Fliegen hat, redet auch gern und oft mit den Berufspiloten über ihre An- und Abflugrouten. Dass es um die Abflüge nach Westen dank eines Tempolimits ruhiger wurde und dass im Februar 2009 der westliche Abdrehpunkt der gestarteten Flugzeuge verlegt wurde, führt Siefer auf seine Arbeit zurück. Auch im RP gelte seine Arbeit als erfolgreich, sagt Homoth-Kuhs.

Siefer hält auch Kontakt zu den Kommunen, aus denen die Beschwerden über Fluglärm kommen. Deren Zahl ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, obwohl der Dauerschallpegel der Flugzeuge im unmittelbaren Flughafenumfeld in den verkehrsreichen Monaten zurückging, weil leisere Maschinen eingesetzt werden als früher. Im Jahr 2005 waren noch 946 Beschwerden eingegangen. Dann stieg die Zahl auf 1522 im Jahr 2006, auf 2157 im Jahr 2007, auf 2259 im Jahr 2008 - und sank dann wieder auf 1599 im vergangenen Jahr. Das Gros der Beschwerden geht üblicherweise binnen sechs oder sieben Monaten ein - in der wärmeren Jahreszeit, wenn die Fenster häufiger geöffnet sind und sich die Menschen mehr im Freien aufhalten als im restlichen Jahr.

Siefer ist eigentlich nur für die an- und abfliegenden Zivilmaschinen am Flughafen Stuttgart im Luftraum zwischen null und 3000 Meter Höhe zuständig. Sein Job ist es, vermeidbaren Lärm zu vermeiden. Manche wollten partout nicht begreifen, dass er keine Maßnahmen ergreifen könne, wenn Maschinen mit gedrosselten Turbinen fünf Minuten vor Beginn der üblichen Betriebszeit um 6 Uhr im Landeanflug in rund 2000 Metern über eine Ortschaft fliegen. Oder wenn Maschinen sich nicht ganz auf der Ideallinie bewegen, sich aber beim Starten oder Landen im festgelegten Flugerwartungsgebiet befinden. Weil manche das nicht verstehen und ihren Ärger unangemessen abreagieren, steuert das RP zurzeit auf einen Rechtsstreit mit einem Beschwerdeführer zu.

Vor Jahren, als noch etwa 400 Anrufe und Briefe eingingen, sei das Beschwerdewesen als kleine Nebenaufgabe zu betrachten gewesen, sagt Siefer. Bei den heutigen Zahlen von Beschwerden sei die Auswertung ohne elektronische Hilfsmittel gar nicht mehr zu schaffen. 2009 stellte Siefer um - und fand heraus, dass gut 40 Prozent aller Beschwerden von nur vier Personen auf den Weg gebracht worden seien - ein Phänomen, das in ähnlicher Form auch an anderen Flughäfen beobachtet wird.

Im Fall des Flughafens Stuttgart habe es der fleißigste der Anrufer allein auf fast ein Viertel aller Beschwerden gebracht, bilanzierte Siefer. In diesem Jahr will er die elektronische Auswertung noch verfeinern. Sein Ziel, Beschwerden möglichst am nächsten Tag zu beantworten, wird er wohl trotzdem nicht erreichen.