An vielen Stellen in Deutschland werden derzeit provisorische Zeltlager für Flüchtlinge aufgebaut – wie hier in Halberstadt in Sachsen-Anhalt Foto: dpa-Zentralbild

Das Regierungspräsidium Stuttgart will im Kreis Heilbronn in den nächsten Wochen 200 Asylbewerber in Zelten unterbringen. Die Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes platzen aus allen Nähten.

Neuenstadt - Um die mit Flüchtlingen überfüllte Erstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen zu entlasten, sind in Neuenstadt (Kreis Heilbronn) Zelte nahe der Autobahn aufgestellt worden. Dort sollen in der kommenden Woche die ersten Asylbewerber einziehen, ausschließlich Männer, wie der Stuttgarter Regierungsvizepräsident Christian Schneider am Samstag sagte. Insgesamt sollen in dem provisorischen Zeltlager 200 Menschen untergebracht werden, bis für sie ein Platz in einer Kommune gefunden wird. „Das ist eine absolute Zwischenlösung“, sagte Schneider.

Die Landes-Erstaufnahmeeinrichtungen (Lea) in Baden-Württemberg sind überbelegt. In Ellwangen (Ostalbkreis) sollten ursprünglich 1000 Flüchtlinge unterkommen, derzeit leben dort nach Schneiders Worten aber 1600 Menschen. In diesem Jahr rechnet Baden-Württemberg mit mehr als 52 000 Flüchtlingen, mehr als doppelt so viele wie 2014. Die Kommunen wissen nicht mehr, wo sie die Hilfesuchenden unterbringen können. Am Montag soll bei einem Flüchtlingsgipfel der Landesregierung nach Lösungen gesucht werden.

Die Landesregierung will den Problemen nach Informationen von „Sonntag Aktuell“ mit einer „Task Force“ entgegentreten. In der kommenden Woche soll eine Lenkungsgruppe eingesetzt werden, die für alle Fragen der Flüchtlingsproblematik zuständig ist. Der entsprechende Beschluss soll am Dienstag im Kabinett fallen, schreibt das Blatt unter Berufung auf Koalitionskreise.

Finanzminister Nils Schmid (SPD) wird bei dem Flüchtlingsgipfel nach Informationen der „Stuttgarter Zeitung“ (Samstag) den Vertretern von Städten, Gemeinden und Landkreisen ein mit 30 Millionen Euro ausgestattetes Wohnraumprogramm unterbreiten. Dies bestätigte ein Ministeriumssprecher. Die Mittel sind für das Jahr 2016 reserviert und zielen auf die Anschlussunterbringung der Flüchtlinge in den Kommunen. Gefördert werden der Wohnungsbau, der Erwerb von Wohnraum sowie Erweiterungsprojekte in Höhe von 25 Prozent der Investitionskosten.

Das Regierungspräsidium Stuttgart hofft, von 2016 an in Wertheim (Main-Tauber-Kreis) eine neue Lea einrichten zu können. Die dortige Polizeiakademie werde aufgelöst, sagte Schneider. Die Liegenschaft sei für 350 Menschen ausgelegt, womöglich könnten aber auch mehr Asylsuchende dort untergebracht werden. Die Zeichen für die neue Lea stünden gut, sagte Schneider, der auf entscheidende Signale des Landes beim anstehenden Gipfel setzt. Parallel liefen Gespräche über den Kauf eines Areals im Kreis Göppingen, um Flüchtlinge unterzubringen. Details wollte er aber nicht preisgeben. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte am Freitag als Reaktion auf die Überfüllung in den Aufnahmeeinrichtungen Sofortmaßnahmen angekündigt. Er versprach unter anderem, mehr Sozialarbeiter und Polizisten einzusetzen. Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) plant, bis zum Winter in neuen Erstaufnahmeeinrichtungen 5700 neue Plätze zu schaffen. 2016 könnten auf Baden-Württemberg bis zu 85 000 Flüchtlinge zukommen.

Das Integrationsministerium hat das Regierungspräsidium Stuttgart derweil um kurzfristige Lösungen gebeten, um die Lea in Ellwangen bis Ende August zu entlasten. Deshalb werden seit Samstag auf der Fläche der ehemaligen Autobahnmeisterei direkt an der Autobahnabfahrt Neuenstadt am Kocher 40 Zelte aufgebaut. Sanitäre Anlagen würden in einem Container zur Verfügung gestellt, für Essen soll zunächst ein Caterer sorgen. In drei Wochen sollen die Zelte, in denen einfache Betten stehen, durch ein stabileres und größeres Zelt ersetzt werden, sagte Regierungsvizepräsident Schneider. CDU-Fraktionschef Guido Wolf sagte: „Zelte für Flüchtlinge entlang der Autobahn sind menschenunwürdig und das Ergebnis einer gescheiterten Flüchtlingspolitik.“

In jedem Zelt können den Angaben zufolge acht Menschen unterkommen, sie sollen aber nicht voll belegt werden. Das Areal der ehemaligen Autobahnmeisterei befindet sich direkt an der A81, ist aber umzäunt. Familien sollen dort nicht unterkommen. Spätestens im Winter sollen die Zelte wieder abgebaut werden.