Carlo Masala, Politikwissenschaftler und Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München, war Gastredner beim IHK-Herbstempfang. Sein Vortrag trug den Titel „Nichts wird mehr so sein, wie es war“. Foto: Marschal

Ein düsteres Zukunftsbild zeichneten die Redner beim Herbstempfang der Industrie- und Handelskammer (IHK) in den Räumen von Ridi Leuchten in Jungingen. Der Politikwissenschaftler Carlo Masala setzte die derzeitigen Krisen in einen Kontext.

Rund 270 Unternehmer aus der Region Neckar-Alb sowie Vertreter aus Wirtschaft und Politik lauschten gebannt beim Herbstempfang der IHK den Ausführungen von Carlo Masala. Der Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München zog die Zuhörer mit seinem Vortrag „Nichts wird mehr so sein, wie es war“ in seinen Bann, in dem er die Entwicklung des internationalen Systems seit Kriegsbeginn in der Ukraine erklärte. In seiner rund einstündigen Analyse machte er deutlich, wie die Kriege und Krisen über den Globus verteilt Europa und die deutsche Wirtschaft beeinflussen.

Die jüngste Eskalation im Nahost-Konflikt, Ukraine-Krieg, Corona-Pandemie Klimawandel und Rechtsruck: Es scheint, als gäbe es in den vergangenen Jahren besonders viele Krisen auszuhalten. „Multiple Krisen hatten wir schon immer“, stellte Masala fest. Doch nun sieht er das Zeitalter der Polykrisen: „Neu ist, dass sich die Krisen nun gegenseitig bedingen“. Früher hätte man Konflikte isoliert lösen können. „Heute hängen alle Krisen miteinander zusammen“, erklärte der Politikwissenschaftler.

Akteure nutzen die Krisen zum eigenen Vorteil

Wie sich diese gegenseitig bedingen – oft geht es dabei um Macht – erklärte der Militärexperte in der folgenden Stunde ausführlich und eloquent. „Die Krisen verbinden sich aber nicht von alleine – die Akteure nutzen diese Krisen bewusst, um Vorteile zu bekommen“, meinte der Politologe. „Das wird das 21. Jahrhundert beherrschen.“

Rund 270 geladene Gäste verfolgten die Reden des IHK-Herbstempfangs bei „Ridi Leuchten“ in Jungingen. Foto: Marschal

Zunächst setzte er das Publikum über die jüngsten Angriffe in Israel ins Bild und zeigte die Möglichkeiten Israels und verschiedene Szenarien auf, die den gesamten Nahen Osten betreffen. Dann sprang er zum Angriffskrieg Russlands, der seit Februar 2022 in der Ukraine tobt und erklärte die langfristigen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft mit einer düsteren Prophezeiung: „Dieser Krieg wird noch lange weitergehen, ohne ein konkretes Ergebnis.“

Neuer kalter Krieg mit Russland

Was kommt auf uns in Deutschland zu? „Wir sind bereits in einem neuen Kalten Krieg mit Russland“, betonte Masala. Auf die Europäer werde die Hauptlast der russischen Eindämmung kommen, vor allem wenn die Amerikaner sich irgendwann zurückziehen. Wie schnell das geschehen wird, hänge vom Ergebnis der Präsidentenwahl im kommenden Jahr ab.

Unternehmern, die Kontakte nach Russland pflegten und glaubten, diese nur vorübergehend auf Eis gelegt zu haben, machte er wenig Hoffnung: „Vergessen Sie es. Wir werden auf lange Sicht keine Geschäft mehr mit Russland machen können.“

Die Redner des Abends (von links): Landrat Günther-Martin Pauli, Politikwissenschaftler Carlo Masala, IHK-Vizepräsident Thomas Lindner und Jungingens Bürgermeister Oliver Simmendinger. Foto: Marschal

Über Russland spannte er einen Bogen nach China und den Konflikt mit Taiwan, der seit Jahrzehnten schwelt. Die Abhängigkeit der Weltwirtschaft von China sieht Masala höchst kritisch: „China ist die größte Bedrohung des internationalen Systems des 21. Jahrhunderts.“

Demokratie auf sämtlichen Ebenen verteidigen

Sind die Deutschen auf die Auswirkungen und Weiterentwicklungen der multiplen Krisen gerüstet? „Meiner Meinung nach Nein.“ Die Deutschen, auch die Europäer, seien nicht wehrhaft genug. Die Demokratie werde als gegeben hingenommen – man sehe es an einer Vielzahl von Nichtwählern. „Demokratie muss tagtäglich auf sämtlichen Ebenen verteidigt werden“, betonte der Gastredner abschließend. „Wenn das nicht passiert, werden wir krachend verlieren.“

Die regionale Wirtschaft schwächelt

Einen Fokus auf die deutsche Wirtschaft legte der Gastgeber, IHK-Vizepräsident Thomas Lindner. Seine Kernbotschaft: „Unsere regionale Wirtschaft schwächelt.“ Doch von einer tatsächlichen Krise sei man weit entfernt. Einige Probleme, wie Energie, Bürokratie und Fachkräftegewinnung sieht er als hausgemacht an.

Landrat Günther-Martin Pauli freute sich in seinem Grußwort, „mal wieder freundlich im Killertal begrüßt zu werden“, und Jungingens Bürgermeister Oliver Simmendinger hob die Bedeutung der „Perle des Killertals“ als Wirtschaftsstandort hervor. Das Schlusswort hatte der Hausherr Manfred Diez, Geschäftsführer von Ridi Leuchten, ehe die Unternehmer und Vertreter aus Politik im Foyer der Firma Gespräche zueinander suchen konnten.