Calw - Die Strecke von den Calwer Schulen zur Walter-Lindner-Sporthalle ist etwas mehr als einen Kilometer lang. So weit ist es zum Sportunterricht. Alles kein Problem, so der Tenor der Schulleiter. Doch was sagen die Schüler? Wir haben nachgehakt.

Wer vom Hermann Hesse-Gymnasium (HHG) oder der Heinrich Immanuel Perrot-Realschule zum Sportunterricht in der Walter-Lindner-Sporthalle gelangen möchte, hat einen kleinen Fußmarsch vor sich – rund eine Viertelstunde, glaubt man der Internet-Karte "Google Maps". Ein Weg, der unvermeidlich ist – aber nichtsdestoweniger die Zeit der Schüler kostet.

Doch wie sehen hier die Regelungen aus? Müssen die Kinder und Jugendlichen ihre Pausen nutzen? Fragt man den frisch gebackenen Schulleiter des HHG, Markus Köcher, und Tobias Häberle, Schulleiter der Realschule, so verweisen beide darauf, dass es "praktikable, schulinterne Regelungen" gebe, "mit denen wir den Sportunterricht gut mit dem Unterricht verbinden können". Wie genau diese Regelungen aussehen, dazu will sich aber keiner der beiden näher äußern.

Stattdessen beteuern die Rektoren in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass es "hinsichtlich der Laufwege von und zur Turnhalle" bislang keine Beschwerden gegeben habe.

Sollte also über einen Kompromiss nachgedacht werden, wie man die Situation verbessern kann?

Man sei "froh, dass wir mit der Walter-Lindner-Halle über eine vierteilige, sehr funktionale Sporthalle verfügen, so dass wir unseren Sportunterricht an einem Ort erteilen können".

Ferner geben Köcher und Häberle in ihrer Stellungnahme noch einen Literatur-Tipp, der den Titel "Schulwege als Raum für soziales Lernen" trägt – um die positiven Aspekte von Schulwegen hervorzuheben.

Doch sind die Wege von und zur Sporthalle wirklich so unproblematisch für alle Beteiligten? Wir haben uns in der Lederstraße auf Spurensuche begeben und mit einigen Schülern gesprochen – und die sehen die Sache ganz anders.

"Ich find’s mega doof", meint beispielsweise eine Schülerin. Eine weitere bezeichnet die Situation als "total scheiße". Und warum? "Wenn man läuft, hat man die ganze Pause verplempert", heißt es.

Denn sowohl am HHG als auch an der Realschule haben die Schüler jeden Morgen zwei größere Pausen: zwischen der zweiten und dritten sowie zwischen der vierten und fünften Schulstunde. Und genau diese Pausen müssen die Kinder und Jugendlichen praktisch zur Gänze nutzen, um zur Sporthalle oder zurück zu gelangen. Im schlechtesten Fall – so der Sportunterricht in der dritten und vierten Schulstunde angesetzt ist – sind sogar beide größeren Pausen betroffen.

Was zunächst harmlos klingt, ist für viele Schüler ein massives Problem. Denn "laufen, essen und mit Freunden reden" zugleich, das gefällt den Betroffenen gar nicht. Häufig sei kaum Zeit, überhaupt zu essen. Die Pause erscheine "verschwendet" – und fühle sich keineswegs wie eine Pause an. Wer darüber hinaus nicht beim Gehen essen möchte, habe zumindest in der betroffenen Pause kaum noch Gelegenheit dazu: Das Essen im Unterricht sei bei den meisten Lehrern strikt verboten.

Und wer bis zur sechsten Stunde Sport habe, so berichten die Schüler, laufe Gefahr, den Bus nach Hause zu verpassen – was vor allem im vergangenen Schuljahr auch immer wieder passiert sei. Am HHG dürften seit diesem Schuljahr zumindest jene früher gehen, deren Busse besonders früh fahren.

Wer zu lange zum Gehen braucht, könne sogar Strafarbeiten bekommen

Eine andere der "schulinternen Regelungen" betreffe am HHG die Mittagspause: Wer nachmittags Sport habe, für den beginne bereits um 13.30 Uhr statt wie sonst üblich um 13.50 Uhr der Unterricht. Das Busproblem sei damit zwar gelöst, die Pause verkürze sich allerdings um 20 Minuten. Wer dann noch etwas zu Essen holen müsse, sei sehr in Eile und habe keine Zeit, sich zu erholen.

Insgesamt erklären die Schüler durchweg, sie würden sich mehr Kompromisse wünschen. Beispielsweise fünf Minuten mehr Pause an Tagen, an denen es zur Sporthalle geht. Oder wenigstens die Erlaubnis, an diesen Tagen im Unterricht essen zu dürfen – und seien es nur die ersten zehn Minuten.

Das Gegenteil sei jedoch der Fall. Manche Lehrer hätten bereits Strafarbeiten verteilt, wenn Schüler den Weg nicht innerhalb der Pausenzeit geschafft hätten. Andere Schüler seien zu spät zu Klassenarbeiten gekommen. Von Verständnis sei zumindest bei einigen Lehrern keine Spur zu finden. Deren Reaktion habe sich stattdessen auf ein "Beeilt euch eben!" beschränkt.

Glosse: Keine Ahnung?

Von Ralf Klormann

Der Weg von den Calwer Schulen zur Walter-Lindner-Sporthalle ist lang – das bezweifeln weder Schüler noch Schulleiter. Unterschiede tauchen dagegen auf, wenn man die beiden Gruppen befragt, wie sie diesen Weg bewerten.

Laut Markus Köcher und Tobias Häberle gibt es keine Klagen. Der Weg zur Halle habe sogar positive Seiten: als "Raum für soziales Lernen".

Die Schüler beschweren sich dagegen sehr wohl. Essen, reden und gehen gleichzeitig, und das noch während der gesamten Pausen – das schmeckt eigentlich keinem.

Sollte also über einen Kompromiss nachgedacht werden, wie man die Situation verbessern kann?

Ach was! Ist doch super, dass die Schulen das berühmte Multitasking fördern – also die Fähigkeit, mehrere Aufgaben zugleich zu erledigen. Essen, reden, gehen und dazu soziales Lernen – Wahnsinn, wie die Schüler gefördert werden.

Besonders kurios ist aber die Aussage der Schulleiter. Denn diese deutet entweder an, dass Köcher und Häberle keine Ahnung haben, wo und dass bei ihren Schülern in Sachen Weg zur Halle der Schuh drückt. Oder sie ist ein schwacher Versuch, ein Problem zu lösen, indem es einfach totgeschwiegen wird.