So wünschen sich viele Eltern den Unterricht: Die Kinder arbeiten konzentriert, die Lehrkräfte haben ein offenes Ohr und ein gutes Verhältnis zu den Kindern. Foto: Murat Foto: Schwarzwälder-Bote

Eltern nehmen einiges an Wegstrecke, Kosten und Zeitaufwand in Kauf, um ihr Kind an eine passende Schule zu bringen.

Schramberg/Aichhalden - Wo müsste ein neuer "Campus" der Erhard-Junghans-Schule für dem Raum Schramberg stehen, damit er für Familien attraktiv ist? Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit die Kommunalpolitik in Schramberg. Dabei spielt dieser Aspekt in der Entscheidung der Eltern offensichtlich kaum eine Rolle. Wir sprachen mit Rafael Frick von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, Experte für Schulwahlmotive von Eltern.

Herr Frick, wie entscheidend ist der räumliche Standort einer Schule, damit er von den Familien angenommen wird?

Bei unserer Umfrage unter Eltern war auch der Aspekt "Länge und Dauer des Schulwegs" Thema. Von der Bedeutung her landete dieses Kriterium jedoch abgeschlagen auf einem der hinteren Plätze. Man kann es vielleicht so herum sagen: Eltern nehmen einiges an Wegstrecke, Kosten und Zeitaufwand in Kauf, um ihr Kind an eine Schule zu bringen, die in ihren Augen gut und passend ist.

Nach welchen Kriterien fällen die Eltern denn ihr Urteil, ob sie eine Schule gut finden oder nicht?

Das ist ein ganzes Bündel. Wir haben bei der Studie die Eltern befragt, deren Kinder gerade erst vor einigen Tagen von der Grundschule an die weiterführende Schule gewechselt waren. Da sind die Erinnerungen an die Gründe für die Schulauswahl noch ganz frisch und unverfälscht. Von großer Bedeutung war, vereinfacht gesagt, wie positiv die Sicht von außen auf die Schule ist. Eine große Rolle spielen der Ruf der Schule, das Schulkonzept und die Atmosphäre an der Schule. Beliebt sind beispielsweise Schulen, die nach dem Marchtaler Bildungsplan unterrichten; dort geht es wunderbar ruhig, konzentriert und schaffig zu.

Wie informieren sich Eltern über Schulen?

Wichtig ist die Selbstdarstellung der Schule nach außen, etwa über Homepage, Schnupperunterricht für angehende Fünftklässler oder Tage der offenen Tür. Öffentlichkeitsarbeit ist enorm wichtig in der Wahrnehmung der Eltern. Dazu kommen äußeres Erscheinungsbild des Gebäudes und Ausstattung der Schule. Eltern werten dies offenbar als Indiz dafür, dass Schulleitung und Lehrerschaft engagiert und hinterher sind, dass es läuft. Auch Familientraditionen spielen eine Rolle: Wenn Eltern schon an einer bestimmten Schule waren, tendieren sie auch dazu, ihre Kinder dorthin zu schicken.

Das sind nicht gerade rationale Kriterien. Können Eltern überhaupt objektiv beurteilen, ob eine Schule gut ist?

Im Grunde genommen nicht. Es kommt auch darauf an, welche Maßstäbe man anlegt und wie man "gut" definiert. Nach unseren empirischen Erkenntnissen sind eher so genannte weiche Faktoren entscheidend: ein gutes Klima an der Schule, damit sich Kinder wohlfühlen, ein gutes Verhältnis zwischen Schülern und Lehrerschaft, ein ausgeprägtes Erziehungskonezpt mit klaren Regeln. Kinder sollen geschützt sein von schlechten Einflüssen, ob sie nun von innen oder von außen kommen. Ein Fastfood-Restaurant direkt um die Ecke wird eher nicht als Standortvorteil gesehen. Natürlich gibt es auch harte Kriterien wie schulische Leistungen, Abschlüsse oder Notendurchschnitte. Aber nach unseren Erkenntnissen sind die weichen Faktoren sehr viel relevanter für die Entscheidung. Ob tolle Programme wie Klassenfahrten nach New York oder Tokio übrigens so gefragt sind, sei mal dahingestellt. Das kostet die Familien schließlich viel Geld.

Ihre Untersuchungen beschäftigten sich vor allem mit Privatschulen oder andere Sonderformen wie Mädchenrealschulen. Lassen sich die Erkenntnisse überhaupt auf die allgemeinen staatlichen Schulen übertragen?

Ich würde mal vorsichtig "Ja" sagen. Wir haben jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass es Eltern, deren Kinder eine öffentliche Schule besuchen, anders sehen. Außerdem ist es doch interessant zu erfahren, was Eltern bewegt, die offensichtlich eine ganz bewusste Entscheidung in der Schulwahl treffen. Übrigens sind wir dabei, unsere Umfragen auf staatliche Schulen auszudehnen.

Wie wichtig ist die Möglichkeit bei der Schulwahl, einen höheren Bildungsabschluss oder gar das Abitur zu erwerben?

Es gibt einerseits einen massiven Trend zur gymnasialen Bildung. Auf der anderen Seite ist auch was anderes erkennbar: Eine nicht geringe Zahl von Eltern, deren Kinder eine Gymasialempfehlung bekommen haben, schicken ihre Kinder an eine Realschule, wen sie die betreffende Schule für gut einstufen. Es ist schon ein Indiz dafür, vor allem im ländlicheren Raum, dass es Eltern nicht nur um einen möglichst hohen Schulabschluss geht. In ausgeprägten Akademiker-Städten wie Tübingen oder Heidelberg sieht das anders aus.

Haben Hauptschule und Werkrealschule Zukunft?

Aus meiner Sicht könnten sie auf jeden Fall eine haben; wenn man sie nicht kaputtredet, und wenn sie die Möglichkeit bieten, im Anschluss noch einen höheren Schulabschluss draufzusatteln. Da gab es schon erstaunliche Karrieren. Es gibt ja sehr unterschiedliche Ausprägungen von Begabung. Und es sollte in meinen Augen immer um die Kinder gehen, nicht um Namen von Schulformen.

Würden Sie als Akademiker denn Ihre eigenen Kinder an eine Werkrealschule schicken?

Die Frage stellt sich für mich nicht mehr, weil meine Kinder schon etwas älter sind. Aber wenn ich das Gefühl hätte, Kind und Schule passen gut zusammen: warum nicht?

Wie wichtig ist Eltern Ganztagsbetreuung an der Schule?

Dieser Aspekt wird von Eltern unserer Erfahrung nach nicht so hoch gewichtet. Allerdings muss ich sagen, dass unsere Erhebung darüber nur begrenzte Aussagekraft hat. Eltern stufen die Ganztagsschule vermutlich als wichtiges Angebot ein, sofern sie nicht für alle Kinder verpflichtend ist. Der Trend zur Ganztagsbetreuung wird interessanterweise oft arbeitsmarktorientiert oder gesellschaftspolitisch und weniger pädagogisch begründet. Aber auch hier bei der Frage nach der Ganztagsbetreuung gibt es sicher Unterschiede zwischen Stadt und Land. Ich nach meinem Dafürhalten würde Ganztagsschule nicht zur Pflicht machen, weil ich eine Verschulung des Kinds und des Alltags nicht zwingend für das Beste halte.

Wie läuft die Entscheidung bei Eltern eigentlich ab, an welche Schule sie ihr Kind geben wollen?

Da gibt es verschiedene Theorien. Eltern, die sich wenig aus Schule machen, werden immer den für sie einfachsten Weg gehen. Bei den anderen ist es wohl eher ein Abwägungsprozess, eine Art Kosten-Nutzen-Analyse. Es wird geprüft, welcher Vorteil welchen Mehraufwand rechtfertigt. Die Entfernung zur Schule spielt sicher auch eine Rolle, allerdings nur eine unter vielen. Aber wenn Eltern eine Schule als gute Schule eingestuft haben, nehmen sie dafür Umstände in Kauf, das kann man sagen.

Ob eine Busfahrt morgens fünf oder zehn Minuten länger dauert, spielt also keine Rolle?

Nein, sicher nicht.

Die Fragen stellte Volker Rath

Rafael Frick (54) ist ausgebildeter Lehrer für Grund- und Hauptschulen, unterrichtete aber an vielen Schulformen. Er ist promoviert und als akademischer Oberrat Hochschullehrer an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg tätig, unter anderem als stellvertretender Leiter der Abteilung Schulpädagogik.

Frick ist beteiligt an der Forschung über Schulwahlmotive von Eltern. Für eine Langzeitstudie, die 2009 begann, wurden dafür 800 Eltern in ganz Baden-Württemberg befragt. Die Rücklaufquote der Fragebögen betrug 80 Prozent. Zunächst wurden private Schulen, Schulen in freier Trägerschaft wie Waldorf- und Montesorischulen sowie besondere öffentliche Schulen, etwa Mädchenrealschulen untersucht.

Die Forschung soll ausgedehnt werden auf öffentliche Schulen.

Weitere Informationen: http://www.ph-ludwigsburg.de