Wie viele Waren gehen hier noch übers Band? Wie es für sie weitergeht, wissen Petra Schneider und Elvira Seibt in der Schlecker-Filiale in Haigerloch-Stetten noch nicht. Die Schließung der Kette ruft bei Mitarbeitern und Kunden im Kreis große Enttäuschung hervor. Foto: Kost

Aus der Drogeriemarkt-Kette betrifft im Kreis mehr als 20 Märkte. Dörfer trifft's doppelt.

Zollernalbkreis - Mehr als 20 Standorte im Zollernalbkreis sind von der Pleite der Drogeriemarktkette Schlecker betroffen. Alle Filialen werden geschlossen, bis Ende Juni erhalten die Verkäuferinnen ihre Kündigungen – wie es weitergehen soll, weiß niemand so genau.

Das "Hallo", mit dem die Verkäuferin in der Schlecker-Filiale in der Balinger Bahnhofsstraße die Kunden begrüßt, klingt ziemlich deprimiert. Drei Frauen zwischen 40 und 54 Jahren werden arbeitslos, wenn der Markt schließt. Im Juni sollen sie ihre Kündigungen bekommen. "Wir sind alle zwischen 12 und 21 Jahren dabei", erklärt eine Verkäuferin und legt ihrer Kundin zwei Schachteln Zigaretten auf den Tisch – ohne dass die Kundin sie geordert hätte. Man kennt sich mittlerweile eben und weiß, was die Kunden wollen. "Wir haben eine altersmäßig bunt gemischte Kundschaft", erklärt die Verkäuferin.

Ihre Zukunftspläne? "Wir wissen nichts Genaues", kommt als Antwort zurück. Sie selbst hoffe, wieder in einem Drogeriemarkt unterzukommen – in Balingen und Umgebung gebe es ja auch genug davon.

An eine Rettung in letzter Sekunde glaubt die Balinger Schlecker-Verkäuferin nicht mehr. In dem Fax, das vergangenen Freitag an alle Filialen ging und mit dem mitgeteilt wurde, dass Schlecker dicht mache, habe gestanden, dass es eventuell noch eine dreimonatige Kündigungsfrist gebe – wann genau sie arbeitslos sein werden, wissen die Schlecker-Frauen folglich nicht. Besonders bitter im Fall Balingen: Erst im vergangenen Oktober wurde die Filiale umgebaut. "Diese Filiale war immer im oberen Bereich was den Umsatz angeht", weiß die Verkäuferin.

"Für Geislingen ist das schon schade – wir brauchen doch hier einen Drogeriemarkt". sagt eine Frau mittleren Alters, als sie aus dem Markt an der Schlossstraße kommt. "Für ältere Leute ist das super geschickt – die machen ihre Lebensmitteleinkäufe im Netto und kommen dann noch schnell in Schlecker und holen ihr Shampoo."

Aber: Die Geislinger Filiale ist nicht nur für ältere Menschen passend, auch Schüler und Mütter mit ihren Kleinkindern kommen regelmäßig in den Laden. "Wir haben Kunden in jedem Alter", bestätigt eine Verkäuferin. Und das wirkte sich auch auf den Umsatz aus: "Der Geislinger Markt galt immer als Top-Verkaufsstelle", betont die Verkäuferin.

Wie es jetzt für sie und ihre drei Kolleginnen weiter geht? "Wir sind alle um die 50 Jahre alt und haben hier mindestens zehn, teilweise über 20 Jahre gearbeitet – was jetzt wird, weiß ich noch nicht." Sie habe die Hoffnung, dass diese Filiale von einer anderen Drogeriekette beibehalten und das Team nicht arbeitslos werde – denn die Filiale sei ja umsatzstark. Und die Geislinger seien ihrem Schlecker immer treu gewesen.

Der ersten Schließungswelle, die Mitte März über die Schlecker-Filialen hereingebrochen war, hatte der kleine Schlecker-Markt in Haigerloch.-Stetten noch stand gehalten. Jetzt das Aus – für Filialleiterin Petra Schneider, seit 16 Jahren bei Schlecker, und ihre Kollegin Elvira Seibt ist das ganz schön deprimierend. "Wir sind sehr enttäuscht", sagen beide. Beide haben zwar bis jetzt keine schriftliche Kündigung erhalten, sie wissen aber auch nicht, wie es jetzt noch weitergeht. Vermutlich werden sie die vorhanden Waren verkaufen, bis der Laden leer ist. Dann steht beiden wohl der Gang zum Arbeitsamt bevor. "Aber wir sind in einem kritischen Alter, wer nimmt heutzutage noch jemand um die 50?", sieht Elvira Seibt eine ungewisse Zukunft auf sich zukommen.

Auch für die Kundschaft in Stetten finden sie und ihre Chefin die Entscheidung bitter, denn die Schlecker-Filiale dort sei mehr gewesen als nur ein Drogeriemarkt, er hatte eine Nahversorgungsfunktion. Senioren des Ortes deckten sich dort ebenso mit Dingen des täglichen Bedarfs ein wie Schüler aus der nahen Werkrealschule: "Für unsere ältere Kundschaft ist das ganz schlimm", erklären deshalb beide, und eine ältere Dame, die gerade mit ihrer Tochter im Laden ist, pflichtet ihnen bei. "Ich bin gehbehindert, für mich war der Laden geschickt zu erreichen", meint sie. Bereits im Sommer 2011, als von der drohenden und jetzt Tatsache gewordenen Schlecker-Insolvenz noch keine Rede war, hatte Schlecker seine Filiale in der Haigerlocher Kernstadt geschlossen.

Auch die Schömberger Mitarbeiterinnen wissen noch nicht, wie es weitergeht und wann wann die Filiale geschlossen wird. Neuigkeiten erführen sie auch erst aus den Nachrichten und der Presse. Sie hatten bis Freitag gehofft, dass sich irgendwie ein Weg findet, weitermachen zu können. Von der Entscheidung, dass Schlecker abgewickelt wird, seien sie enttäuscht.

"Man hängt völlig in der Luft"

"Wir stehen hier nur noch für die Kunden", sagt die 53-jährige Schlecker-Mitarbeiterin in Rangendingen. Auch sie ist enttäuscht von der Unternehmensführung. "Man hängt völlig in der Luft", sagt sie. Wie es weitergeht wisse auch hier keiner. Seit Tagen wartet sie auf eine Nachricht, sei es von der Gründerfamilie Schlecker oder vom Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz. "Was wir wissen, wissen wir aus den Medien."

In den Nachbargemeinden Bisingen und Grosselfingen herrscht ähnliche Stimmung. Die Mitarbeiterinnen hofften bis zum Schluss, dass es irgendwie eine Zukunft für den Drogeriemarkt gebe. "Ich bin jeden Tag gerne zur Arbeit gekommen", sagt die 53-jährige Angestellte in Grosselfingen. "Uns ging es recht gut, wir haben gut verdient und haben sogar Weihnachts- und Urlaubsgeld erhalten."

Jetzt, da die Tage der Schlecker-Filialen gezählt sind, scheinen einige Kunden auf Vorrat zu kaufen, beobachtet die 49-jährige Verkäuferin in Bisingen. Gerade läuft eine Kundin mit mehreren Tüten Katzenfutter der Schlecker-Hausmarke aus der Filiale neben dem Rathaus. "Das essen meine beiden Katzen so gerne – wer weiß, wie lange ich das noch kaufen kann", sagt sie.

Ein doppelt harter Schlag ist die Insolvenz für Sandra Meloni. Sie hatte sich in der Lautlinger Filiale in kurzer Zeit von der Aushilfe zur Filialleiterin hochgearbeitet und war 13 Jahre dort. Als vor wenigen Wochen das Aus kam, wechselte sie nach Bitz und muss nun auch diese Filiale schließen, die für viele aus der Ortsmitte kaum wegzudenken ist. Um in den Märkten am Ortsrand einzukaufen, brauchten die meisten ein Auto, sagt Erhard Schweitzer aus Bitz, der regelmäßig kam – auch mit seiner Tante, die den ebenerdigen Eingang schätzten. "Auf diese Weise sterben die Ortskerne aus, und wenn man schnell etwas braucht, muss man weit fahren."

Für Verkäuferin Erika Goltz ist es die vierte Filialschließung, die sie erlebt, und sie wird Schlecker vermissen: "Ich kann nur Gutes sagen, denn ich hatte immer gute Kolleginnen, gute Bezirksleiterinnen, einen guten Stundenlohn – und der Zahltag kam immer pünktlich." Eine Vollzeit-Stelle als Verkäuferin zu finden, sei schwierig, fügt ihre Chefin hinzu: "Die meisten suchen Teilzeit- oder 400-Euro-Kräfte."

"Für die älteren Leute wird es schwer werden – die Filiale war schon ein Anlaufpunkt", sagt Stephanie Hoch, die nur drei Türen weiter arbeitet. Ihrer Bekannten Gabi Schmidt hingegen wird Schlecker nicht fehlen: "Ich habe selten dort eingekauft und gehe lieber zu Rossmann oder Müller, weil ich dort alles bekomme."