Die Große Freiheit in Hamburg in den Abendstunden (Archivbild). Foto: IMAGO/imagebroker/IMAGO/imageBROKER/Stanislav Belicka

Sollte Prostitution ein legales Gewerbe sein? Und was bringt die Meldepflicht? Das Thema polarisiert wie eh und je. Was aktuell für eine neue Debatte sorgt.

Die Zahl der offiziell registrierten Prostituierten in Deutschland ist nach dem Ende der Corona-Auflagen wieder gestiegen. Wie viele Sexarbeiterinnen es wirklich sind, steht auf einem anderen Blatt: Viele sind illegal tätig. Über die Meldepflicht - und über Prostitution an sich - wird jetzt wieder verstärkt gestritten.

 

Zum Jahresende 2022 waren bei den Behörden 28 280 Prostituierte gemeldet. Das waren 19 Prozent mehr als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte. „Ursächlich für den Anstieg dürfte der vollständige Wegfall der Corona-Auflagen bis zum April 2022 sein“, ordneten die Statistiker ein. Ende 2019 - vor der Corona-Pandemie - waren 40 370 Prostituierte gemeldet.

Seit Einführung des Prostitutionsgesetzes 2002 ist Prostitution in Deutschland nicht mehr sittenwidrig, sondern gilt als normales Gewerbe. Ein Prostituiertenschutzgesetz schreibt seit 2017 zudem vor, dass Bordelle eine Betriebserlaubnis benötigen. Prostituierte sind verpflichtet, ihre Tätigkeit anzumelden und regelmäßig zur Gesundheitsberatung zu gehen.

Warum die Statistiken nur bedingt aussagekräftig sind

Ende 2022 hatten in Deutschland 2310 „Prostitutionsgewerbe“ eine solche Erlaubnis. Ein Jahr zuvor waren es 2290 gewesen. 2019 lag die Zahl mit 2170 sogar noch niedriger. Die Zahlen bilden aber nur einen Teil des Marktes ab: „Nicht angemeldete Gewerbe und Prostituierte werden in der Statistik nicht erfasst“, betonen die Statistiker.

Wie viele Sexarbeiterinnen es wirklich gibt, weiß niemand. Unionsfraktionsvize Dorothee Bär nannte diese Woche in der „Bild“-Zeitung die Zahl 250 000. Die Organisation Doña Carmen, die sich für die Rechte von Sexarbeiterinnen einsetzt, geht realistisch von 90 000 aus. Der Verband deutscher Laufhäuser schätzt die Zahl auf maximal 60 000. Die weitaus meisten Prostituierten arbeiteten in illegalen Wohnungen, Hotels und dem unerlaubten Straßenstrich.

Doña Carmen findet die Statistik „völlig unbrauchbar“: Schon allein wegen der erheblichen Fluktuation im Gewebe sei die Zahl an einem Stichtag stets zu niedrig. Die systematisch zu niedrigen Zahlen provozierten „wild ins Kraut schießende Spekulationen über angeblich Hunderttausende illegal anschaffender Frauen“.

CSU-Politikerin will Verbot von Prostitution

Tatsächlich ist in dieser Woche die Debatte über Prostitution neu entflammt. Unionspolitikerin Bär plädierte in der „Bild“ dafür, den Kauf von Sex in Deutschland zu verbieten, um betroffene Frauen besser zu schützen. „Die Situation von Prostituierten in Deutschland ist dramatisch. Wir brauchen dringend einen Paradigmen-Wechsel: ein Sexkauf-Verbot in Deutschland“, sagte die CSU-Politikerin.

„Deutschland hat sich zum Bordell Europas entwickelt“, sagte Bär. Die meisten kämen aus dem Ausland. Laut Bundesamt hatten zum Stichtag 18 Prozent der Prostituierten die deutsche Staatsangehörigkeit. Die drei häufigsten ausländischen Nationalitäten waren rumänisch (35 Prozent), bulgarisch (11 Prozent) und spanisch (6 Prozent). Deutlich gestiegen ist die Zahl der gemeldeten Prostituierten aus der Ukraine: von 180 Ende 2021 auf 470 Ende 2022.

Bär spricht sich für die Einführung des „Nordischen Modells“ aus. Dabei werden - wie in Schweden und Norwegen, aber auch in Frankreich - Käufer von Sexdiensten bestraft werden. Und nicht die Prostituierten.

Verbot sorge für illegale Prostitution, so der Verband deutscher Laufhäuser

Der Verband deutscher Laufhäuser widerspricht: „In keinem einzigen Land, in welchem ein generelles Prostitutionsverbot umgesetzt wurde, wurde gleichzeitig die Prostitution selbst ausgerottet“, sagt Vorstand John Heer. Ein Verbot treibe Frauen in die Illegalität - es sei wissenschaftlich belegt, dass es den Frauen in diesen Ländern „wesentlich schlechter geht als in Ländern, in denen die Prostitution legal und kontrollierbar ist“.

Auch der Bundesverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen lehnt Bärs Vorschlag ab. Ein Sexkauf-Verbot führe für Sexarbeitende in prekären Situationen zu noch schlechteren Arbeitsbedingungen, sagte ein Sprecher am Mittwoch den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Im Klartext: Gerade diejenigen, die eigentlich gerettet werden sollen, müssen in der Sexarbeit verbleiben.“

Neben der Debatte, welchen rechtlichen Status Prostitution generell haben sollte, ist auch die Meldepflicht für Prostituierte weiter umstritten. Nach Erfahrungen des Berufsverbands stößt die sie auf große Widerstände. Grund sei unter anderen die weit verbreitete Angst, dass die Information weitergegeben würden.

Woran es mangele

Der Verband der Laufhäuser kann dem Gesetz durchaus Gutes abgewinnen: „Das Ziel des Prostituiertenschutzgesetzes 2017 war es, den Prostituierten ein gesichertes und gutes Arbeitsumfeld zu schaffen, selbstbestimmend mit Rechten bestückt dieser Tätigkeit nachzugehen“, so Heer. „Der Gedanke und das Gesetz waren richtig, jedoch mangelt es an der konsequenten Umsetzung, Kontrolle und Sanktion.“