Anfang Dezember 2021 nahm die Jurte so langsam Gestalt an und ermöglichte damals Durchblicke, die dann mit der Verkleidung nicht mehr gegeben war. Foto: Pfannes

Wie geschnitten Brot verläuft nicht jede Sitzung des Wellendinger Gemeinderats. Unterschiedliche Sichtweisen kommen durchaus vor. So als die Jurte des Waldkindergartens aufs Tapet gebracht wird.

Dass der Waldkindergarten Wilde Welle eine Erfolgsgeschichte ist und Wellendingen eine gewisse Vorreiterrolle einnimmt, hat sich in der Region herumgesprochen. Seit Ende 2021 besuchen Kinder diese Einrichtung. Sie und ihre Erzieherinnen leben im Einklang mit der Natur.

„Wilde-Welle“-Leiterin Michaela Geiger gibt einen Einblick, als sie im Ratssaal den Jahresbericht vorstellt. Der Waldkindergarten habe von Beginn an einen großen Anklang gefunden. Ab Februar seien alle 20 Plätze belegt. Auf der Warteliste stehen derzeit neun Kinder. Täglich gebe es Anfragen.

Noch nie habe ein Kind oder eine Erzieherin den Besuch abgebrochen. Die Jahreszeiten geben die Themen vor. Zuletzt haben sich die Vormittage um Apfel, Apfelernte, Mosten und Apfelsaft gedreht. Doch es gibt ein Anliegen, welches durchaus nicht als alltäglich anzusehen ist: die Jurte.

Ein Novum

Sie ist ein Novum, hat trotz ihres jungen Alters bereits eine bewegte Geschichte, bei der das Landratsamt eine „tragende“ Rolle spielt und bedarf der Reparatur. Ein Angebot der örtlichen Zimmerei Baier über 8267,95 Euro liegt vor.

Die Jurte kam ins Spiel, um dem jungen Waldkindergarten eine feste Unterkunft zu ermöglichen, weil es etwa ein Jahr gedauert hat, bis der „Zirkuswagen“ geliefert werden konnte. Doch aus statischen Gründen, so hieß es immer wieder, habe das Landratsamt all die Zeit eine Genehmigung versagt.

Mäuse, Wiesel, Hermeline

In diesen Monaten haben es sich dann Mäuse, Wiesel und Hermeline in der Jurte gemütlich gemacht, berichtet Michaela Geiger. Ein Sturm hat schließlich die Jurte derangiert, just als das Ziel nahe war. Nun bittet der Waldkindergarten um Reparatur.

Hintergrund: Wegen der nahezu täglichen Gänge durch Matsch, Schlamm und Wald dauert es seine Zeit und kostet etliche Nerven, bis alle Kinder ihre Kleidung vor dem Eintritt in den „Zirkuswagen“ gewechselt haben. Vor allem aktuell, da statt der zehn Vorschüler nun zehn Dreijährige dazugekommen seien. Kleiderwechsel und Vespern in der Jurte – ein Holzofen existiert ja bereits – würde es ermöglichen, den „Zirkuswagen“ pfleglicher zu behandeln.

Betrag für Spielsachen

Mit Blick auf die Kosten gibt Bürgermeister Thomas Albrecht zu bedenken, dass Kindergarten und Kinderzentrum in der Gemeinde immer wieder größere Beträge für Spielsachen benötigen. „Damit könnten wir die Jurte fast schon bezahlen.“ Der Schultes gesteht ein, dass der Kauf der Jurte ein „Schnellschuss“ gewesen sei, jedoch damals aus der Not geboren.

Zwei Notizen am Rande

Nette Notiz am Rande: Die Genehmigung für die Jurte (Statik) liege mittlerweile vor. Eine weiteres Schmankerl: Michaela Geiger kennt Jurten aus anderen Waldkindergärten in anderen Landkreisen, die ohne Genehmigung ihren Dienst tun dürfen.

Damals 6800 Euro

Weil jedoch die Kosten beim Kauf der Jurte 6800 Euro betragen haben, also weniger als die Sanierung, kommt diese Anfrage nicht bei jedem Ratsmitglied gut an. Vor allem nicht, da die Finanzen der Gemeinde derzeit einen gewissen Knick aufweisen.

Blick in den Haushalt

So ist im Haushaltszwischenbericht nach dem dritten Quartal vermerkt, dass die Gewerbesteuer von einem Tag auf den anderen um etwa eine Million Euro eingebrochen sei.

Statt 4,0 Millionen Euro im Plan stehen aktuell noch 3,082 Millionen Euro drin. 2022 betrugen die Gewerbesteuereinnahmen doch sehr erfreuliche 4,657 Millionen Euro. Weiter heißt es da: „Die Liquidität kann derzeit nur unter Zuhilfenahme von den 1,5 Millionen Euro Kassenkredit und dem Investitionskredit in Höhe von 600 000 Euro aufrechterhalten werden.“

Eine Gegenstimme

Während Armin Klaiber schließlich der Jurtensanierung als einziges Ratsmitglied nicht zustimmt, gehen die anderen Gemeinderäte diesen Weg weiter. Sie beugen sich der normativen Kraft des Faktischen und haben die ausnahmslos positiven Stimmen über die „Wilde Welle“ garantiert im Hinterkopf bei ihrer Entscheidung.