Bereits jetzt lässt sich sagen, dass der Waldkindergarten Wilde Welle Wellendingen ein Erfolgsmodell geworden ist. Gerade einmal sieben Monate nach seinem Start.
Wellendingen - 15 Kinder tummeln sich auf dem alten Sportplatzgelände, ab Mai werden es 18 sein, im Juni 19 – dann ist die genehmigte Gruppengröße von 20 nahezu erreicht. Die Stimmung an diesem sonnigen, leicht windigen Morgen ist prächtig. Frisch gestärkt durch das Vesper, verteilt sich die "Wilde Welle" auf dem großzügigen Gelände. Ein Gelände, das bereits etliche Wellendinger als Paradies bezeichnet haben.
Holzzaun und Erdwall
Ein Holzzaun, den der Bauhof errichtet hat, grenzt es ein. Ein Erdwall schirmt es etwas ab. Darauf dürfen Blumen blühen und Sträucher Wurzeln schlagen. Himbeere oder Johannisbeere werden hier wachsen. Zum Naschen zwischendurch. Wenn nicht gerade Löwenzahnpesto gekocht und verspeist wird. Mit selber gezupften Löwenzahnblättern.
Bäume verschönern das Gelände bei der alten Tanne ("Am hohen Tann"), Wahrzeichen des Sportclubs, die eigentlich eine Fichte ist. Obstbäume – Walnuss, Zwetschge, Birne, Kirsche, Apfel –, alles alte Sorten.
Jurte wartet auf Genehmigung
Die Jurte dient – noch – als Lagerraum. Es fehlt weiterhin die Genehmigung der zuständigen Behörde, um sie als Kindergartenraum bei schlechtem Wetter zu nutzen. Wie die Natur, zeichnet sich das Landratsamt durch durchdachtes Tun aus. Es geht um die Statik bei größerer Windstärke.
Vielleicht wird ja der Zirkuswagen, der in etwa sechs Wochen geliefert werden kann, sogar zuerst "eingeweiht". Die "Wilde Welle" um Leiterin Michaela Geiger ist voller Vorfreude. Sein Standort ist Richtung Wald, unweit des kleinen Holzhäuschen – noch ohne Herzchen in der Tür –, dessen Bestimmung eine Toilette ist. Eine zweite muss noch folgen. So wollen es die Vorschriften.
Täglich mehr als 12 000 Schritte
Eine kleine Holzhütte komplettiert das Waldkindergartenareal. Aus diesem Geräte- wird schließlich ein Lagerhaus. Doch die meiste Zeit bewegen sich die großen und kleinen Herrschaften in der Natur. Besser noch im Wald. Nicht umsonst trägt er ja ihn im Namen, der Waldkindergarten.
Während Michaela Geiger so täglich zwischen 7.30 und 13.30 Uhr auf ihre 12 000 bis 14 000 Schritte kommt, dürfte die Rasselbande noch umtriebiger sein. So wuselig, wie sie die Natur "inspiziert". Wenn Blumen und Pflanzen gesehen, bestimmt und erklärt werden.
Für Bienen und Insekten
Der Seidelbast, der als einer der ersten blüht, ist giftig, dieser wird selbstverständlich in Ruhe gelassen. Aber auch fast alle anderen Blumen sollen blühen, damit sie den Bienen und Insekten erhalten bleiben. Das haben die Kinder sehr schnell verstanden. Deshalb bekommen die Mamas deutlich weniger Blumensträuße von ihrem Nachwuchs überreicht beim Abholen.
Aber auch die ganz jungen Bäume im Wald wollen weiter wachsen. Deshalb gehen die Mädchen und Buben achtsam um sie herum, treten nicht auf sie drauf, als sie auf die klitzekleinen Pflänzchen aufmerksam gemacht wurden, die dank Naturverjüngung das Licht der Welt erblicken durften.
Fleißig Müll eingesammelt
Überhaupt: Bei den Waldspaziergängen – ein großer ging neulich etwa sechs Kilometer Richtung Feckenhausen – sammeln die Kinder fleißig allerlei Müll ein. Müll, der natürlich nichts, aber auch gar nichts im Wald und auf dem Feld zu suchen hat. Hin und wieder so viel, dass das Erzieherinnen-Team nicht alles tragen konnte, was es "überreicht" bekam.
So wich die anfängliche Skepsis bei Forst, Landwirtschaft und Jäger schnell. "Wir leben hier mit der Natur und nicht dagegen", lautet das Credo der "Wilden Welle". Kein Wunder, dass dieser Waldkindergarten viel Freude schenkt.
Des Bürgermeisters Baby
Bürgermeister Thomas Albrecht nimmt nicht nur qua Amtes die Vaterstelle ein. Die "Wilde Welle" sieht er als sein Baby. Zwar hatte er vor etwa einem guten Jahr, als diese Idee, die Eltern angeregt haben, das erste Mal im Gemeinderat zur Sprache kam, gewisse Bedenken. Diese zielten jedoch mehr in Richtung Personal. Ob es denn überhaupt Erzieherinnen geben werde!
Doch da wurde die Gemeinde Wellendingen sehr schnell eines Besseren belehrt. Albrecht: "So viele und vor allem so viele qualifizierte Bewerbungen hat es gegeben." Als dann nach den Vorbereitungen im Sommer und dem Erhalt der Betriebserlaubnis zum 1. Oktober der Startschuss mit Standort Sportheim fiel, war das Thema Personal längst kein Thema mehr.
Lernen von Wellendingen
Mittlerweile genießt nicht nur die "Wilde Welle" ihr Dasein an der frischen Luft, sondern die Gemeinde Wellendingen lernt die Freuden kennen, die eine Vorreiterrolle nun mal mit sich bringt. (Etwas, das ja Wellendingen fast schon gewohnt ist.) Anfragen von anderen Kommunen und Nachbargemeinden kamen und kommen. Auch Besuche wie aus Denkingen haben sich angekündigt.
Hier kann Wellendingen Erfahrungen mit bereits oben erwähnter Skepsis weitergeben, aber – fast noch wichtiger – auch über die Herausforderungen mit zuständigen Behörden berichten, die ja genauso Neuland betreten haben und sich nichts zuschulden lassen kommen wollen. Über Abstandsflächen zum Wald, über einmalige und regelmäßige Baumpflegemaßnahmen im direkten Umfeld des Lagers, über Statik von Jurten lässt sich so einiges lernen.
Das Kinderbildungszentrum
Lernen und einen Austausch pflegt innergemeindlich der Waldkindergarten mit dem Kinderbildungszentrum. Dahinter verbirgt sich eine Rarität, beinahe wie Bärlauch auf Wellendinger Gemarkung. Die Gemeinde ist eine von 20 Modellkommunen in Baden-Württemberg, erklärt der Bürgermeister.
Hier werden Kindergarten und Schule eng vernetzt. So besuchen die älteren Kindergartenkinder, die Vorschüler, einmal in der Woche die Schule und lernen die künftige Lern-Heimat kennen. Das Land fördert in diesem auf zwei Jahre angelegten Projekt die Gemeinde mit jährlich 100 000 Euro. Geld, das für Personal und Ausstattung gedacht ist.
Besuch von Kindern aus der Gemeinde angekündigt
72 Kinder schnuppern also, auf zwei Gruppen verteilt, demnächst in den Waldkindergarten. Eine Märchenerzählerin wird mit ihnen eine Wanderung durch den Forst unternehmen und dabei "Die Bienenkönigin" in die Wirklichkeit holen.
Weitere Projekte schlummern unter den Bäumen und Büschen. Und erwachen zu gegebener Zeit zum Leben. Eines verrät dann Michaela Geiger, bevor die "Wilde Welle" mit dem Gong, der an ein tibetanisches Mönchskloster erinnert, Richtung Jurte gebeten wird. An einen Weihnachtsweg in der Adventszeit ist gedacht.
An Sonnensegel gedacht
Doch erst einmal blüht und jubiliert der Frühling, und in Vorfreude auf den Sommer kitzeln Sonnenstrahlen die jungen Nasenspitzen. Demnächst soll ein Sonnensegel Schutz vor den heißen Tagen bieten. Damit das Vesper im Rund vor der Jurte ohne Sonnenbrand verputzt werden kann.