Jessica Fröhlich von der Trattoria Mio in Balingen hat in der Corona-Zeit viele Mitarbeiter verloren. Foto: Stefanie Kübler

Nach den monatelangen Zwangsschließungen stehen Restaurants vor der Schwierigkeit: Es fehlen noch mehr Mitarbeiter als bereits vor der Pandemie. Viele haben sich in der Corona-Zeit andere Stellen gesucht. 

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Oberndorf a. N. - "Wir haben tatsächlich ein großes Problem", berichtet Jessica Fröhlich von der Trattoria Mio in Balingen. Nach Monaten ohne Gäste und in ihrem Fall bislang ohne staatliche Hilfen müssen sich Fröhlich, ihr Mann und die Mitarbeiter des Restaurants dieser Tage abrackern. Sie müssen das leisten, was früher acht Festangestellte und vier 450-Euro-Kräfte schulterten. 70 Prozent der Angestellten haben die 42-Jährige und ihr Mann in den vergangenen Monaten verloren. "Wir sind gerade echt froh, dass die Gäste so viel Verständnis haben, dass nicht alles hundert Prozent rund läuft", sagt Fröhlich. Sie und ihr Mann betreiben das Restaurant für einfache Küche seit elf Jahren. Die Minijobber seien in der Corona-Zeit als Erstes weg gewesen und in anderen Bereichen untergekommen, schildert Fröhlich. Und auch einige der Festangestellten haben sich umorientiert: Ein gelernter Hotelfachmann startete beispielsweise eine Ausbildung als Elektriker.

Hoffnung auf Mitarbeiter aus dem Ausland

In ihren neuen Berufen haben ihre ehemaligen Mitarbeiter geregelte Arbeitszeiten mit festen Stunden und werden besser bezahlt. Dass da eine Rückkehr in die Gastronomie nicht infrage kommt, könne sie verstehen, so die Wirtin. Gleichwohl ist Personalmangel für das Gewerbe kein neues Problem. "Die Gastronomie hat sich über Jahre hinweg das eigene Grab geschaufelt", sagt Fröhlich. Die Jobs seien hart, vor allem in der Küche. Der Alltag sei stressig und körperlich herausfordernd, die Arbeitszeiten schwerlich mit dem Privatleben vereinbar, die Bezahlung zu gering. "Es war vorher schon schwierig, gute Leute zu finden", betont die 42-Jährige. Die Balingerin hofft gleichwohl, die Stellen wieder besetzen zu können. Bei Arbeitern aus dem europäischen Ausland sieht Fröhlich die besten Chancen. Für viele sei das schlagende Argument, dass das Mio nur wochentags geöffnet hat. Hinzu kommt Fröhlichs Überzeugung, dass der Job einem viel zurückgibt: "Natürlich ist es ein toller Beruf. Es ist unheimlich abwechslungsreich. Man hat viele Kontakte und trifft tolle neue Menschen."

Der Gastro-Überblick - wer hat wann geöffnet, wo gibt es Schnelltests vor Ort?

Oliver Widmann betreibt mehrere Restaurants im Kreis Freudenstadt - unter anderem das Friedrichs am Kienberg. Wie Wirtin Fröhlich berichtet er von "abgewanderten" Mitarbeitern, die "nicht mehr zurückkommen" - bei ihm waren es zuletzt acht von 50 Angestellten. Wer jetzt beispielsweise im Supermarkt gelandet sei, würde seinen sicheren Arbeitsplatz nicht so einfach wieder aufgeben, ist Widmann überzeugt. Selbst dann, wenn man am Gastgewerbe grundsätzlich Gefallen finde. Die Branche gelte einfach nicht mehr als krisensicher. Außerdem sei die Pandemie für seine Mitarbeiter finanziell wie psychisch belastend. "14 Monate in Kurzarbeit, das macht auch mental kaputt", klagt er. 

Branchenverband ist alarmiert

Auch beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) ist man angesichts der aktuellen Situation besorgt. In einer Umfrage geben 40 Prozent der Südwest-Betriebe an, dass Mitarbeiter in der Pandemie-Zeit gekündigt haben. "Das ist schon ein Alarmzeichen", sagt Tobias Zwiener, Geschäftsführer für Grundsatzfragen beim Dehoga Baden-Württemberg. Ähnlich wie Gastronom Widmann spricht er davon, dass das Gastgewerbe sein Image als "krisensicher" eingebüßt hat. "Essen und Trinken ging bisher immer. Jetzt haben wir gelernt, dass es auch mal anders sein kann", sagt er. Im vergangenen Jahr habe die Sparte bereits 10.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte weniger verzeichnet. Nun - nach dem zweiten Lockdown - geht der Verband davon aus, dass die Zahl noch viel weiter "runtergerutscht" ist. Desto länger der Lockdown, desto größer die Motivation der Mitarbeiter, sich anderweitig umzusehen. Das sei nur allzu verständlich, so Zwiener. Auf Dauer könne niemand von Kurzarbeitergeld leben. 

Aber wie schafft es die Branche aus der Krise? "Mit einer kurzfristigen Lösung ist nicht zu rechnen", urteilt der Dehoga-Geschäftsführer. Schließlich sei die Lage für Auszubildende gleichermaßen angespannt. Beim Buhlen um fähige Leute sei die Möglichkeit eines dritten Lockdowns im Herbst nicht gerade förderlich. Dessen ungeachtet wolle die Sparte nicht aufgeben, man habe sich in der Vergangenheit immer wieder "berappelt". Im Übrigen erfahre das Metier derzeit viel Wertschätzung. Als Argument für das Fortbestehen des Berufszweigs führt Zwiener außerdem an: Im Hotel- und Gastgewerbe würden auch in Zukunft immer Menschen arbeiten und keine oder nur wenig Maschinen - eine Automatisierung wie in der Automobilbranche sei nicht in Sicht.  

Trotzdem: "Einer der schönsten Berufe der Welt"

Michael Steiger, Geschäftsführer von drei Irish Pubs in Villingen-Schwenningen und in Tuttlingen, ist überzeugt, dass man sich in der Region als attraktiven Arbeitgeber darstellen muss. Seine Restaurants leiden derzeit zwar unter keinem Mitarbeitermangel - Steiger verzeichnete wegen Corona "so gut wie keine Abgänge". Dennoch schildert auch der Pub-Betreiber, dass es grundsätzlich schwierig ist, Fachpersonal zu finden. "Wir müssen da natürlich auch über den Tellerrand herausschauen", bemerkt er. Der Geschäftsführer hat diesbezüglich gute Erfahrungen mit Angestellten mit Migrationshintergrund gemacht. Wenn das Personal gern arbeite, bleibe es auch, meint er. Steiger ist überzeugt: Gastro-Jobs gehören zu den schönsten Berufen der Welt.