Jan Christoph Uhl, Betreiber des Ostbahnhofs, wehrt sich dagegen, dass die Gastro-Btriebe im Schwarzwald-Baar-Kreis bereits um 23 Uhr schließen müssen. Foto: Marc Eich

Ostbahnhof-Betreiber Jan Christoph Uhl legt Widerspruch gegen Allgemeinverfügung ein. Berliner Gerichtsurteil als Vorbild.

Villingen-Schwenningen - Zapfenstreich um 23 Uhr, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen? Aus Sicht von Gastwirt Jan Christoph Uhl macht diese Maßnahme nur wenig Sinn. Er hat deshalb Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung des Landratsamtes eingelegt - und beruft sich dabei auf eine gerichtliche Entscheidung aus Berlin.

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Es ist ein weiterer Nackenschlag für die Gastronomen, die sich insbesondere auf das abendliche Publikum spezialisiert haben: Im gesamten Landkreis und damit auch in Villingen-Schwenningen müssen die Gastronomiebetriebe um 23 Uhr schließen. Diese Regelung ist ein Teil der Maßnahmen, die bei der Eindämmung und Bekämpfung der weiteren Ausbreitung des Coronavirus helfen sollen.

Was die ausgedehnte Sperrstunde zwischen 23 und 6 Uhr genau bezwecken soll, lässt sich in der Allgemeinverfügung nachlesen, die seit dem vergangenen Samstag gilt – nachdem die Infektionszahlen in die Höhe geschossen waren und zur Einstufung des Landkreises als Risikogebiet geführt hatten.

Demnach würde mit "fortscheitender Stunde erfahrungsgemäß auch die Alkoholisierung und damit einhergehend die Enthemmung der Besucherinnen und Besucher von Gastronomiebetrieben" zunehmen. Da die Folge eine "Verschlechterung der Einhaltung von Hygiene- und Infektionsschutzregeln" sei, müsse die Möglichkeit zum Ausgehen zeitlich begrenzt werden.

Gaststätten sind keine Infektionsschwerpunkte

Auch ein "Außenabgabeverbot" von alkoholischen Getränken nach 23 Uhr ist gegen die Gastronomiebetriebe verhängt worden. Damit sollen "Ausweichreaktionen des Publikums" verhindert werden. Sprich: Feierwütige sollen nach der Schließung der Lokale nicht weiter Alkohol kaufen können, um eine mögliche Party auf die Straße verlagern zu können.

Für Jan Christoph Uhl, der die Expressguthalle und die Bar Ostbahnhof in Schwenningen betreibt, sind diese Maßnahmen aber nicht nachvollziehbar, wie er im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten erklärt: "Das ist völlig überzogen in der aktuellen Lage." Aus seiner Sicht hätten sich Gaststätten bislang nicht als Infektionsschwerpunkte bei der Verbreitung des Virus herausgestellt. Er bezieht sich dabei auch auf das Verwaltungsgericht Berlin – dieses hatte jüngst entschieden, dass die verhängte Sperrstunde für Gaststätten einer rechtlichen Überprüfung nicht standhält.

Laut Urteil sei "nicht ersichtlich, dass die Maßnahme für eine nennenswerte Bekämpfung des Infektionsgeschehens erforderlich wäre". Und weiter: "Die Kammer vermag nicht zu erkennen, dass Gaststätten unter den bislang geltenden Schutz- und Hygienemaßnahmen einen derart wesentlichen Anteil am Infektionsgeschehen gehabt haben, dass wegen der nunmehr zu verzeichnenden Neuinfektionen eine Sperrstunde als weitere Maßnahme erforderlich wäre."

Auch das Robert-Koch-Institut sieht die Gefahr eher bei Feiern im Familien- und Freundeskreis – in den Gaststätten komme es "durch die massiven Gegenmaßnahmen" nur selten vor.

Für Uhl waren diese Informationen der springende Punkt, um am Montagabend beim Landratsamt Widerspruch gegen die Allgemeinverfügung einzulegen. Denn: Man halte sich an die Abstandsregeln, habe die Hygienemaßnahmen drastisch erhöht, habe die Gästekapazitäten zurückgefahren und dokumentiere vorschriftsmäßig die Gästedaten, "und als ob das nicht ausreicht, müssen wir unsere Betriebe um 23 Uhr ersatzlos schließen". Ohnehin würde das nur für den Ostbahnhof gelten, die Expressguthalle hat aufgrund des Betriebsverbots von Clubs bereits seit März geschlossen. Uhl: "Wir haben in der Gastronomie mitunter die härtesten Auflagen!"

Weitere Umsatzeinbußen für Betreiber

Er verstehe zwar die Bedenken, dass mit zunehmendem Alkoholkonsum die Regeln unter den Gästen laxer gehandhabt werden, "aber wir sind in der Gastronomie ja trotzdem noch eine Kontrollinstanz", stellt der Betreiber klar. Er und seine Mitarbeiter würden also auf die Abstände achten und dafür sorgen, dass die feste Platzzuweisung auch im Laufe des Abends aufrecht erhalten bleibe.

Die erweiterte Sperrstunde bedeute in Falle von Uhl Umsatzeinbußen von weiteren 50 Prozent und die Entlassung weiterer Mitarbeiter in die Kurzarbeit. "Ich empfinde diese Maßnahme als unverhältnismäßig", so Uhl, der betont: "Das ist existenzgefährdend!"

Die Verhältnismäßigkeit stellt der Gastwirt insbesondere mit Blick auf die anderen Landkreise in Frage. Beispielsweise gebe es in Stuttgart, trotz deutlich höherer Inzidenz, keine Verlängerung der Sperrstunde. "Die Gäste weichen also einfach auf andere Landkreise aus, was den Sinn und Zweck der Anordnung unterminiert und mehr Schaden als Sicherheit für den Schwarzwald-Baar-Kreis bringt", erklärt Uhl. Aus diesem Grund hoffe er, dass die entsprechende Passage in der Allgemeinverordnung wieder gestrichen wird.

Beim Landratsamt ist man diesbezüglich noch zu keiner Entscheidung gekommen. Pressesprecherin Heike Frank konnte auf Anfrage unserer Zeitung zunächst den Eingang des Widerspruchs bestätigen. "Dieser wird durch das Landratsamt geprüft", erklärt sie. Wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, steht derzeit noch in den Sternen.