Die Doppelstadt will Bootsflüchtlingen eine helfende Hand reichen. Foto: © byrdyak/akhenatonimages – stock.adobe.com

Verwaltung befürwortet Beitritt zu Initiative. Hilfe für Bootsflüchtlinge Ziel.

Villingen-Schwenningen - Oberbürgermeister Jürgen Roth sah den Auftrag zur Aufnahme von geflüchteten Menschen eigentlich als "übererfüllt" an, jetzt will die Verwaltung aber tatsächlich sicherer Hafen für Bootsflüchtlinge werden und mehr Menschen aufnehmen. Doch was hätte dies für Folgen?

Der Antrag hatte für viel Wirbel gesorgt und zum Teil wüste Beschimpfungen gegen die Initiatoren zur Folge – doch nun soll es tatsächlich so kommen: Die Stadt möchte die Forderung der SPD, der Initiative "Seebrücke – schafft sichere Häfen" beizutreten, unterstützen. Das geht aus den Unterlagen für die Gemeinderatssitzung am Mittwoch hervor. So hat die Stadtverwaltung eine entsprechende Beschlussvorlage formuliert und veröffentlicht.

Die Initiative

Die Initiative "Seebrücke – schafft sichere Häfen" stellt sich eigenen Angaben zufolge "gegen die Abschottungspolitik Europas und leistet selbst einen Beitrag, um mehr Menschen ein sicheres Ankommen zu ermöglichen". Sie fordert hierbei die deutsche und europäische Politik auf, sichere Fluchtwege zu schaffen, die Seenotrettung zu entkriminalisieren und den geflohenen Menschen eine menschenwürdige Aufnahme zu ermöglichen. Um als Kommune ein "sicherer Hafen" zu sein, muss mindestens eine von acht Forderungen der Initiative erfüllt werden. Dabei stehen für Villingen-Schwenningen insbesondere zwei Punkte im Vordergrund. So solle es zunächst eine öffentliche Solidaritätserklärung mit Menschen auf der Flucht und den Zielen der Initiative für eine sichere und menschenwürdige Migrationspolitik geben.

Weitreichendere Folgen hätte aber sicherlich die Aufnahme von Flüchtlingen zusätzlich zur öffentlichen Verteilungsquote. Hierzu müsse die Verwaltung ein Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Inneres und Sport, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und dem Bundesland eingehen.

Der Antrag

Im Juli hatte sich Nicola Schurr im Namen der SPD-Fraktion der Stadt mit einem Antrag an die Stadt gewandt. Dort wird eine Unterstützung der Initiative, die Aufnahme von zusätzlichen Geflüchteten und der Appell an die Bundesrepublik, sich weiterhin und verstärkt für die Bekämpfung der Fluchtursachen einzusetzen, gefordert. Die Berichterstattung des Schwarzwälder Boten zur Antragsstellung hatte insbesondere in den sozialen Medien für eine große Aufruhr gesorgt – so sah sich Schurr teils persönlichen Anfeindungen ausgesetzt.

Kurz darauf äußerte sich darüber hinaus Oberbürgermeister Jürgen Roth, der daraufhin hinwies, "dass die Stadt Villingen-Schwenningen in der Vergangenheit – und auch zukünftig – den Auftrag zur Aufnahme geflüchteter Menschen sehr gut erfüllt beziehungsweise übererfüllt hat." Gleichzeitig erklärte Roth, ihn würden die Schicksale auf dem Mittelmeer bewegen und ebenso betroffen machen, es müsse für Europa eine Lösung gefunden werden. Er wolle sich jedoch hinsichtlich des Antrags über die Fachämter informieren lassen. Dies ist nun geschehen.

Und auch in der Beschlussvorlage wird seitens der Verwaltung betont: Die Stadt nimmt bereits jetzt über die offizielle Quote hinaus geflüchtete Menschen auf. Mit Stand des dritten Quartals 2019 würde sich diese Zahl an zusätzlich aufgenommenen Personen auf 468 belaufen. Hierdurch seien umliegende Kreisgemeinden "signifikant entlastet" worden. Diese Aussage wird auch durch das Landratsamt unterstrichen, welche in einer Stellungnahme davon spricht, dass Villingen-Schwenningen sich einen Namen als "flüchtlingsfreundliche Stadt in Baden-Württemberg" gemacht habe.

Die Folgen

Die Stadtverwaltung hat sich intensiv mit den Folgen auseinandergesetzt, sollte Villingen-Schwenningen tatsächlich ein "sicherer Hafen" werden. In Bezug auf das Ausländerrecht hätten die per Boot einreisenden Flüchtlinge keinen speziellen ausländerrechtlichen Status, sie würden der Quote des Landkreises angerechnet werden.

Was die finanziellen Auswirkungen betrifft, so gebe es keine zusätzliche Mittel für die Kommunen. Es würde bei der Einmalzahlung von 145 Euro pro Person bleiben. Höhere Gelder könnten laut Stadtverwaltung nur generiert werden, wenn die Flüchtlinge in eine Anschlussunterbringung ziehen und dann als Einwohner gerechnet werden. Die monatlich durch die Stadt zu tragenden Kosten für einen Geflüchteten würden sich bei einer gesunden Person auf 1250 Euro belaufen. Für Personen, die an einer schweren Krankheit leiden, sei mit weiteren Kosten zu rechnen.

Unabdingbar ist aus Sicht der Stadt die Betreuung der Flüchtlinge. Derzeit existieren demnach fünf Vollzeitstellen im Integrationsmanagement, wobei drei davon befristet sind. Geplant sei eine Verlängerung, dann sei die Sozialbetreuung bis Ende 2020 gesichert. Unter diesen Voraussetzungen sieht die Stadt sich in der Lage, maximal 35 weitere Personen aufzunehmen.

Eine Unterbringung wäre teilweise im Gebäude im Fürstenbergring möglich. Dort würden mehrere Wohnungen zur Verfügung stehen – allerdings wohl nur noch bis zum 30. September 2020.

Andere Städte

Der Initiative haben sich eigenen Angaben zufolge deutschlandweit mittlerweile 109 Kommunen angeschlossen. In Baden-Württemberg sind dies neben Tuttlingen und Konstanz auch Biberach, Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Reutlingen, Schwäbisch Hall, Heidelberg, Mehrstetten, Rottenburg, Tübingen und Ulm.