Zwei Lokale sind in der Färberstraße in den Fokus geraten. Foto: Marc Eich

Stadträte fordern Aufklärung zum Treiben in Färberstraße. Anwohner machen auf Lage aufmerksam. Mit Kommentar

Villingen-Schwenningen - Die Berichterstattung über die zweifelhaften Vorgänge rund um zwei Clubs in der Färberstraße schlagen hohe Wellen. Weitere Aussagen von Anwohnern und eine Anfrage im Gemeinderat erhöhen den Druck auf das in Kritik geratene Bürgeramt.

Es ist das derzeitige Gesprächsthema in der Stadt: Kuscht das Bürgeramt vor einem Clan? Denn die Berichterstattung des Schwarzwälder Boten am vergangenen Wochenende hatte aufgezeigt, dass zwei Lokalitäten in der Villinger Färberstraße nicht als normale Bars, sondern in den Augen der Anlieger illegal als Clubs betrieben werden.

Antrag der Freien Wähler

Zahlreiche Hinweise aus der Bürgerschaft auf das Treiben dort und die damit einhergehenden Probleme würden beim Bürgeramt aber ganz offensichtlich auf taube Ohren treffen, wie mehrere Anwohner gegenüber unserer Zeitung immer wieder betonen. Auch Gastronomen wunderten sich, warum trotz der deutlichen Hinweise von den zuständigen Behörden – die über die Missstände informiert sein müssten – nicht eingeschritten wird.

Die Freien Wähler haben als Reaktion auf die Enthüllung einen Antrag an den Oberbürgermeister, die Stadtverwaltung und auch das in Kritik geratene Bürgeramt mitsamt deren Leiter Ralf Glück gestellt, um die Geschehnisse in diesem Zusammenhang aufzuklären (wir haben berichtet).

Auch in der Gemeinderatssitzung am Mittwoch kam das Thema auf den Tisch. Dort bestätigte ein weiterer Eigentümer aus dem besagten Komplex die geschilderten Probleme rund um die beiden Clubs. Man sei seit Jahrzehnten nicht mehr nur Eigentümer, sondern viel mehr auch "Leidender", wie der Mann in der Fragestunde der Bürgerschaft deutlich machte.

Betreiber würden sich an keine Regeln halten

Die dortigen Betreiber würden sich an keinerlei Regeln halten – letztendlich sei die Situation "noch schlimmer" als bisher geschildert. Trotzdem würde gegen die Zustände nicht vorgegangen. "Was wird getan, um den Discobetrieb dort zu unterbinden?", fragte der Eigentümer mit Blick auf die Konzession, die ein solches Treiben dort nicht erlauben würde. Für ihn sei unklar, warum die Kneipen "solche Konzessionen bekommen und dann bis um 6 Uhr Partys machen", zeigt er auf. Anwohner in dem Haus könnten angesichts der massiven Beschallung in ihren Wohnungen "aktiv mittanzen".

OB Jürgen Roth versprach mit Blick auf den Antrag der Freien Wähler und des Eigentümers, zur kommenden Gemeinderatssitzung "Lösungsansätze" zu präsentieren. Anhand von Zahlen, Daten und Fakten könne sich einiges darstellen – "und dann können wir die Sache auch aufhellen".

Angesichts der Tatsache, dass in diese Aufarbeitung auch das betroffene Bürgeramt involviert ist, befürchten die Eigentümer aber, dass keine lückenlose Aufklärung betrieben wird. Schließlich habe das Amt die Zustände seit Jahren immer wieder beschönigt.

Das kann auch ein weiterer Anwohner bekräftigen, der sich nach der Berichterstattung bei unserer Zeitung gemeldet hatte. "Ich kann bestätigen, dass ich zig Anrufe beim Bürgeramt getätigt habe", erklärt der Anwohner aus der Färberstraße, der aus Angst vor Übergriffen nicht namentlich genannt werden möchte. Am Samstag habe er sich nach der Veröffentlichung des Artikels auch an den OB gewandt und in einer E-Mail die geschilderten Machenschaften bestätigt.

Anwohner abgewimmelt

"Das sind von Anfang an Discos gewesen, das ist schon seit zig Jahren so – seitdem der Clan die Lokale übernommen hat", erzählt er seinen Eindruck. Die Hinweise an das zuständige Amt seien aber nie ernst genommen worden – sogar ganz im Gegenteil. "Ich wollte mit Herrn Glück sprechen, wurde aber immer wieder abgewimmelt", berichtet der Anwohner. Man habe ihm seitens des Bürgeramtes mitgeteilt, er solle die Polizei rufen, ihnen sei nichts bekannt.

Jener Anwohner hatte sich auch kurz vor einer brutalen Attacke im Sommer 2017 beim Bürgeramt gemeldet und auf drohende Konflikte aufmerksam gemacht. So habe er eine Woche vor einer Messerstecherei, bei dem drei Menschen zum Teil schwer verletzt wurden, das Amt angerufen und auf die Aktivitäten des Clans hingewiesen. "Das Bürgeramt hat davon gewusst, aber alles ignoriert", meint er. Schon mehrfach sei der Mann zudem verbal von Personen aus dem Dunstkreis der Clubs angegangen worden. Zwischenzeitlich habe er deshalb resigniert und die Meldungen unterlassen, passiert sei ohnehin nie etwas. Da es nach der coronabedingten Schließung jedoch im gleichen Stil weitergegangen sei, habe er sich wieder beschwert.

"Auch dieses Wochenende war es selbst nach fünf Uhr immer noch laut dort", erklärt der Anwohner. Kontrollen habe es um diese Zeit aber offensichtlich keine mehr gegeben – wie immer habe man die Anwohner mit ihren Sorgen alleine gelassen.

Kommentar: Zweierlei Maß

Vielen Wirten in der Färberstraße dürfte die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 noch im Gedächtnis sein, als das Bürgeramt während des Public Viewings mit einem Dezibelmesser durch die Kneipenmeile lief, um den Jubel der Fans zu messen und zu überprüfen, ob die Lautstärke zumutbar ist. Nicht rational zu erklären ist, warum dann das gleiche Amt unter selber Führung seit Jahren nicht einschreitet, wenn zwei – wohl illegal betriebene – Clubs in der Färberstraße mit wummernden Bässen bis frühmorgens für wackelnde Wände bei den Anwohnern sorgen. Hier werden seit langer Zeit Beschwerden einfach ignoriert und Probleme kleingeredet. Es ist richtig und wichtig, dass Stadträte nun eine Aufklärung fordern und das Bürgeramt um Stellungnahme bitten. Um die Missstände lückenlos aufzudecken, wird es aber notwendig sein, in die Aufarbeitung neutrale Stellen miteinzubinden.