In Villingen kam es bei Demos zu Ausschreitungen. Foto: Marc Eich

Knaller und Rangeleien: Polizist von Antifa-Anhängern verletzt. Mehrheit setzt auf Latschariplatz aber friedliches Zeichen. Mit Kommentar.

Villingen-Schwenningen - Die Barrieren an der Josefsgasse und der Kanzleigasse in Villingen sprachen für sich. Erneut wurden knapp 80 Anhänger der Sbh-Gida-Bewegung von etwa 200 Antifa-Unterstützern niedergebrüllt, während sich an die 400 No-Pegida-Anhänger auf dem Marktplatz versammelten.

Der Schnee und die Straßenverhältnisse hatten am Montagabend wohl viele ausgebremst, nur nach und nach trudelten dick eingepackte Menschen zur Kundgebung auf dem Latschariplatz ein – aber dann kam doch noch eine stattliche Anzahl zusammen. Und die Initiatoren Nicola Schurr und Pascale Pestre hatten gelernt: Waren vor zwei Wochen in der Menschenmasse viele Beiträge nur schwer zu verstehen, hatten sie zur zweiten Runde mit Beschallungstechnik aufgerüstet .

Ob Stadtpfarrer Frank Banse, von der evangelischen Kirche Schwenningen, Khalil Hourani als Vertreter der musimischen Gemeinden, der SPD-Gemeinderat Edgar Schurr, der für alle demokratischen Parteien sprach, Gunther Volk von der Jüdischen Gemeinde, Elif Cangür von der alevitischen Gemeinde oder Regionalsekretärin Juliane Hoffmann vom Deutschen Gewerkschaftsbund, sie alle forderten dazu auf, entschieden Rassismus keine Chance zu geben. Gerade am Vorabend des 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, sei es wichtig, ein Zeichen zu setzen, betonte Volk. Es gelte, den Anfängen zu wehren. "Wir müssen dem Hass gegen Muslime und dem Hass gegen Juden Kampf ansagen und zeigen, dass wir aus der Geschichte gelernt haben."

Mit Transparenten untermauerten die Teilnehmer die Forderungen für ein vielfältiges Miteinander. Das Schild "Flüchtlinge willkommen" hatte sich Thomas Herzog-Singer umgehängt. "Damit ist alles gesagt", stellte er fest. "Wir müssen immer deutlich mehr sein als die in der Kanzleigasse", bei einem weiteren Aufmarsch der Sbh-Gida gehe er wieder auf die Straße. "Es heißt, Farbe zu bekennen, dass VS bunt ist", so Christian Föhrenbach. Froh ist er, dass Pestre und Schurr die Pegida-Gegner mobilisiert haben. Mit Blick auf den vielfältigen Protest und die niedrige Zahl an aufmarschierten Abendlandpatrioten hofft Schurr, dass keine weitere Kundgebung erforderlich wird.

Auf dem Münsterplatz stehen sich derweil Antifa und Sbh-Gida gegenüber. Im Gegensatz zu den ersten Kundgebungen von vor zwei Wochen achtete die Stadt VS nun auf Distanz. Die Antifa-Unterstützer rollen ihre Transparente vor dem Münster aus, während Sbh-Gida-Anhänger ein paar wenige Plakate in der Kanzleigasse hochhalten, getrennt durch Barrikaden und ein ordentliches Aufgebot an Bereitschaftspolizei und Anti-Konflikt-Kräften. Zu Wort sollte niemand wirklich kommen: Versuche die eigene Position zu erläutern, gingen im gegnerischen Gebrüll unter.

Bei leichten Schneeschauern machten Antifa VS und Anhänger erneut ihrem Ärger über das "rassistische Gedankengut der Pegida-Leute" Luft. "Pegida hetzt, NSU tötet, Staat schiebt ab" war auf Plakaten zu lesen. Fröstelnd hielten Antifa-Mitglieder aus Tübingen ihr Plakat hoch, Studenten und Azubis: "Wir dürfen den Rassisten keine Chancen geben". Auf einem anderen Plakat war zu lesen: "Rassismus rus usem Städtle." Viele der Umstehenden nickten: "Wir leben in gefährlichen Zeiten." Es sei Zeit, "etwas entgegen zu setzen".

Und die anderen? Die mischen sich aus ganz unterschiedlichen Gründen unter die Sbh-Gida-Leute. Sie sind nicht alle da aus Angst vor einer "Islamisierung des Abendlandes", wie es im Facebook-Auftritt heißt. Doch Plakate wie "Europa den Europäern" sprechen für sich. Walter Martin ist da, "weil der Staat so korrupt ist", der einzige an diesem Abend, der sich zitieren lässt.

Andere wiederum sprechen sehr wohl aus, dass sie im Islam verstärkt radikale Tendenzen sehen und deshalb zum Handeln auffordern. "Wir leben doch längst in einer Moslemdiktatur", wirft ein älterer Mann ein. Während am Megaphon die Lügenpresse verteufelt wird, meint der nächste: "Eine Demokratie gibt es hier nicht mehr, das können Sie ruhig schreiben." Das Gebrüll der Antifa-Anhänger wird lauter: "Lösen können wir die Probleme nur im Dialog", schreit einer dagegen. "Wir sind doch nicht alle Rechtsradikale." Die letzten Silben gehen im Läuten der Münsterglocken unter.

Und nach der friedlichen Demonstration ist noch nicht aller Tage Abend: Antifa-Anhänger spüren Vertreter der Gegenseite auf, gehen vor der Volksbank auf sie los, die Polizei muss dazwischengehen, ein Beamter wird verletzt. Die Polizei eskortiert die Antifa-Anhänger zum Bahnhof. Auch dort nochmals brenzlige Szenen. Drei Tatverdächtige wurden vorläufig festgenommen. Erst dann ist die Villinger Nachtruhe wieder hergestellt.

Kommentar: Beschämend

Cornelia Spitz

Am Ende lief doch alles aus dem Ruder. Zunächst standen alle Zeichen auf eine friedliche Demonstration. Und 400 Bürger schafften das auch, sie lauschten den Reden bei der Kundgebung der No-Pegida. Selbst zwischen den emotional aufgeheizten Fronten des Pegida-Ablegers Sbh-Gida und der Antifa hatten die Hundertschaften der Polizei die Lage während der gesamten Demonstration rund um das Münster im Griff.

Cleverer Schachzug: Beide Seiten wurden von vornherein mit Absperrgittern und Einsatzkräften voneinander getrennt. Einige Vertreter beider Seiten aber hatten neben ihren Transparenten den festen Willen zum Krawall mitgebracht. Sie spürten die Vertreter der Gegenseite in Villingens Gassen auf, ließen es dann doch noch krachen und die Fäuste fliegen. Getroffen aber wurden die Falschen: Jene, die kamen, um friedlich zu demonstrieren.