Unter anderem die Obere Apotheke Albstadt hat am Mittwoch Notdienst. Foto: Kuster

Zum zweiten Mal streiken bundesweit die Apotheken im Zollernalbkreis und machen auf die prekäre Lage aufmerksam. Karl Lauterbach muss Rede und Antwort stehen.

Bundesweit – und damit auch im Zollernalbkreis – bleiben an diesem Mittwoch ab 13 Uhr viele Apotheken geschlossen. Aufgerufen zum Protest hat die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hält an diesem Tag eine Rede beim Deutschen Apothekertag, in der er Stellung dazu beziehen soll, wie er zukünftig die wohnortnahe und niedrigschwellige Gesundheitsversorgung der Menschen sicherstellen will.

Die Apothekenzahl hierzulande sinkt seit Jahren. Von den verbliebenen 17 600 Apotheken arbeiten aktuell knapp 2000 defizitär, weitere 6000 Apotheken sind betriebswirtschaftlich akut bedroht.

Apothekerin Nina Müller erläutert die Forderungen

Bereits im Juni hat es einen Protesttag der Apotheken gegeben. Allerdings wurde laut einer Pressemitteilung von den Forderungen der Apotheker bisher nur eine umgesetzt. Apotheken haben es nun etwas leichter, bei fehlenden Medikamenten gegen ein gleichwertiges Präparat oder eine andere Dosierung auszutauschen, ohne vorher Telefonate mit Ärzten führen zu müssen, um Rezepte zu ändern.

Apothekerin Nina Müller von der Oberen Apotheke Haigerloch & Stadt Apotheke Balingen erläutert die Details der weiteren Forderungen und die Schwierigkeiten, vor denen die Apothekenteams stehen. „Der Medikamentenaustausch geht ja nur dann, wenn auch was da ist“, sagt Müller und bezieht sich auf anhaltende Lieferengpässe bei Medikamenten.

Der Apothekerverband fordert wirksame Maßnahmen

„Die Engpässe betreffen nicht nur Arzneimittel für Kinder“, betont sie. Blutdrucksenker, Insulinersatztherapie, Augenmedizin, Präparate für Dialysepatienten – nur ein Auszug einer langen Liste fehlender Arzneimittel, die die Apotheke führt. Am 22. September war die Liste auf über 350 Präparate angewachsen, die die Apotheke normalerweise für ihre Patienten bereit hält, aber derzeit nicht erhältlich sind.

Der Apothekerverband fordert wirksame Maßnahmen, um die Lieferengpässe zu beseitigen, die bisher von Bundesgesundheitsminister Lauterbach umgesetzten Regelungen werden nach Einschätzung der Apothekerin den Medikamentenmangel weder kurz- noch mittelfristig beseitigen können.

„Damit wir unsere wichtige Arbeit weiter tun und für unsere Patienten da sein können ist – völlig unabhängig von der Problematik der Lieferengpässe – auch eine lange überfällige Anpassung unserer Vergütung nötig“, sagt Nina Müller.

Apotheken legen ihre Preise für Arzneimittel nicht selbst fest

Apotheken legen ihre Preise für Arzneimittel nicht selbst fest, sondern erhalten einen gesetzlich festgelegten Fixbetrag pro Arzneimittelpackung. Dieser Fixbetrag liegt seit knapp 20 Jahren nahezu unverändert bei 8,35 Euro, unabhängig vom Preis des Medikaments. „Davon sind alle meine Kosten, etwa Miete, Nebenkosten und vor allem auch meine Mitarbeiterinnen zu bezahlen“, sagt Apothekerin Müller.

Eine Kernforderung der Apothekerin an den Gesundheitsminister ist die Anpassung des Fixbetrags, um die in den vergangenen 20 Jahren gestiegenen Kosten abzufangen. „Apothekerinnen oder PTAs haben einen sehr hohen Wissensstand und leisten jeden Tag gesellschaftlich relevante, ja unersetzliche Arbeit“, betont Müller und beklagt auch eine fehlende Wertschätzung des Berufes vonseiten der Politik.

Deshalb fordert sie eine Stärkung der Vor-Ort-Versorgung. „Gesundheit muss menschlich bleiben. Einfühlungsvermögen, Geduld und ein lösungsorientierter, individueller Blick auf den Patienten sind ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Im Moment gibt es noch eine flächendeckende Versorgung, die aber vor allem in ländlichen Regionen in akuter Gefahr ist“, sagt Müller und verweist darauf, dass aktuell alle 19 Stunden eine Apotheke in Deutschland ersatzlos schließt.

Viele Apotheken zwischen Hechingen, Balingen und Albstadt werden ab 13 Uhr die Türen geschlossen halten, um zu hören, welche Antworten Gesundheitsminister Lauterbach zum Erhalt der Vor-Ort-Apotheken liefern wird.

Diese Apotheken haben Notdienst

Jungingen
Die Killertal-Apotheke in Jungingen, in der Killertalstraße 6

Balingen
Die Ginkgo-Apotheke in Balingen, im Erzinger Weg 20

Albstadt
Die Obere Apotheke in Albstadt, in der Marktstraße 44