MdB Volker Kauder hört den Sorgen und Problemen der Flüchtlinge und ihrer ehrenamtlichen Betreuer direkt an der Basis beim Netzwerk Schenkenzell-Schiltach. Foto: Schmidtke

Bundestagsabgeordneter hört sich beim Netzwerk Sorgen der Betreuer und Flüchtlinge an.

Schenkenzell - Themen wie Familiennachzug, Asyl, die oft zähe Zusammenarbeit mit den Behörden beschäftigen Flüchtlinge sowie ehrenamtliche Helfer. Bundestagsabgeordneter Volker Kauder stand am Freitag in der Flüchtlingsunterkunft Sonne Schenkenzell Rede und Antwort.

Das Netzwerk Schenkenzell-Schiltach hatte Vorarbeit geleistet und die wichtigsten Fragen gesammelt. Knappe eineinhalb Stunden Zeit standen zur Verfügung. Gerhard Gaiser moderierte. Insgesamt leben 91 Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien, Irak und vom Balkan in der Sonne. Betreut werden sie von rund 50 Ehrenamtlichen. Diese bringen sich als Paten oder hinter den Kulissen, wie im Bereich der Sachspenden ein. Dass es zu Spannungen unter den unterschiedlichen Nationalitäten auf so engem Raum komme, sei normal, so Joachim Waidele vom Leitungsteam. Verglichen dazu laufe es vor Ort eher friedlich ab. Bemängelt wurde von den Helfern, dass zu wenig Mitarbeiter vom Landratsamt kämen.

Dringend wäre ein Hausmeister erforderlich. "Es gibt keine Jugendherberge ohne Hausmeister und kein Hotel ohne Rezeption", verglich Hans Kurt Rennig vom Leitungsteam die Situation.

Die ersten Flüchtlinge kamen im Oktober. Schnell starteten VHS-Sprachkurse. Bald schlossen 17 Personen die A1-Prüfung ab und weitere 17 die A2-Prüfung. Danach stoppten die Kurse. Dabei sei die Sprache der Grundstein zu Weitervermittlung und Integration. Ehrenamtliche Helfer unterrichteten Sprachkurse, angefangen mit Alphabetisierungskursen. Die unter 20-jährigen haben die Chance auf einen Schulbesuch. Einige der Geflohenen sprechen Englisch, ein paar hatten bereits Deutschkenntnisse. Ein Chor hat sich in der Sonne gebildet. Am gestrigen Montag startete das Sprachcafé für Frauen.

Schwierig gestaltet sich die Wohnungssuche. Zwei Flüchtlinge arbeiten in Teilzeitjobs, vier sind derzeit in Praktika. Dringend müsse das Angebot von Integrationsplätzen erweitert werden, so der Tenor der Schenkenzeller. Kurse in Schramberg, Rottweil oder gar Villingen-Schwenningen seien mit dem öffentlichen Nahverkehr nur aufwendig oder fast nicht zu erreichen.

Betreuer loben Einsatz der Agentur für Arbeit

Gelobt wurde die Agentur für Arbeit und das Jobcenter für die Kooperation. "Doch die Menschen brauchen vernünftige Beschäftigungen", hieß es. Dennoch sei es schwierig, qualifizierte Menschen in Jobs zu bringen. Ganz zu schweigen von weniger Gebildeten. An Ein-Euro-Jobs komme man nicht vorbei, meinte Kauder.

Viel Nerven kostet die Hoffnung auf Familiennachzug. Viele Angehörige leben in Kriegsregionen unter Lebensgefahr. Glück hat, wer einen Status als Asylbewerber bekam. Keine Hoffnung hat, wer nur den subsidiären Status bekommen hatte. Das trifft durchaus auch Syrer.

"Oft sind Männer alleine gekommen. Aber das Modell, dass einer vorgeschickt wird und ganze Familie nachkommt funktioniert nicht", erklärte Kauder trocken. Der subsidiäre Schutz gilt für maximal drei Jahre. Ist dann Frieden in der Heimat, würden die Menschen – egal wie integriert – zurück geschickt werden. Anerkannte Asylbewerber haben eine Perspektive dauerhaft bleiben zu können. "Ich kenne eine Frau mit drei Kindern hier. Zwei Kinder sind noch in Aleppo. Ich musste ihr sagen, dass ich die Kinder nicht holen kann. Glauben Sie, da geht es mir gut dabei?", verteidigte sich Kauder.

Annette Wolber wies auf einen anderen prekären Fall hin. Der Syrer lebe hier. Seine Frau hänge mit den drei Kindern in Griechenland fest. Die Familien sind verzweifelt. Die rechtlichen Vorgaben müsse man einhalten. Aber wie wäre es mit einer Änderung des Asylgesetzes? Noch völlig unklar sei, was mit den rund 60 000 Flüchtlingen passiere, die in Griechenland festsäßen. Dies entscheide die EU, doch einige Staaten wie etwa Polen sträubten sich zur Zusammenarbeit. "Das ist ein Skandal", zeigte sich Kauder empört. Seine Frau werde in wenigen Wochen in einem Camp bei Thessaloniki mit traumatisierten Kindern arbeiten.

Deutschland verdoppelte im vorigen Jahr den Waffenexport. Einige Waffenhersteller gibt es im Kreis Rottweil, wies eine Patin hin. Deshalb sieht Kauder aber keinen Grund mehr Kriegsflüchtlinge aufzunehmen. "Da unten wird überwiegend mit Kalaschnikows geschossen", antwortete der Politiker. Eine Herausforderung kam auch auf die Gemeinde zu, so Hauptamtsleiterin Daniela Duttlinger. "Ohne Ehrenamtliche hätte es nicht geklappt", sagte sie anerkennend. Besonders schwierig seien die Behörden. Zu viele Schnittstellen gebe es, wie etwa Heidelberg, Meßstetten oder Ellwangen. Überall werden die Abhandlungen ein wenig anders gehandhabt. Langwierig sei es, Zuständige zu finden. Die Gemeindeverwaltungen seien zudem vom Landratsamt nicht informiert worden, wer die Anerkennung habe und wer nicht. Wahnsinnig zäh sei die Zusammenarbeit mit dem BAMF, klagte Cornelia Kupsch vom Rathaus. Wochenlang bleibe man ohne Antwort.

"Kommunikation mit BAMF wahnsinnig zäh"

Das BAMF habe noch einen unbearbeiteten Berg von Altfällen, informierte Kauder.

Gerhard Gaiser forderte kürzere Wege zu Therapieplätzen für Traumatisierte. Doch auch hier gab es keine konkrete Lösung, da es an Therapeuten fehle. Noch wichtiger sei es, sich um unbegleitete Kinder zu kümmern. In der Sonne werde derweil ein interreligiöser Dialog versucht.

Frustrationen, Ängste und Vorurteile mischten sich auf allen Seiten. Eine junge Frau aus Syrien klagte, dass sie seit einem Jahr in Deutschland sei, aber noch keinen Ausweis bekommen habe. Gerne würde die hervorragend vorgebildete Syrerin studieren – aber ihr laufe die Zeit davon. Jetzt soll sie einen Sprachkurs in Villingen-Schwenningen annehmen, doch Hin- und Rückfahrt gestalten sich schwierig.

Eine ehrgeizige Afghanin ist 19 Jahre alt und hat zwei Kinder. Jetzt habe sie Zeit um Deutsch zu lernen, bekomme aber keinen Integrationskurs. Mit 25 sei sie sicher zu alt dafür. "Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie nach Afghanistan zurück müssen, ist sehr groß. Menschen aus Afghanistan werden nicht integriert, weil sie in der Regel kein Bleiberecht haben", antwortete Kauder. Afghanistan gilt als sicheres Land.

Immense Probleme gebe es mit der Landeserstaufnahme (Lea) in Karlsruhe, klagte ein kurdischer Syrer. Ein minderjähriger Bruder warte noch immer auf sein Interview und hänge völlig in der Luft. Bestätigt wurden die Schwierigkeiten aus der Lea in Karlsruhe von mehreren Flüchtlingen, aber Paten und Mitarbeiter der Verwaltung nickten.

Deutschland habe im Vorjahr eine große Herausforderung durch die große Flüchtlingswelle gehabt. "Aber kein einziger Bürger hatte dadurch Einbußen", schloss Kauder seinen Besuch.