Tatjana Geßler bei ihrem Vortrag in Heiligenbronn Foto: Anton

Zum Vortrag „Tierwohl und Nachhaltigkeit in der Zeiten-Wende“ hat Marktplatz Kirche die TV-Moderatorin und Buchautorin Tatjana Geßler nach Schramberg-Heiligenbronn eingeladen.

Etwa 40 Zuhörer waren der Einladung in den Elisabetha Glöckler-Saal gefolgt. Die Referentin kam, wie sie sagte, als Privatperson, die sich seit einigen Jahren für Tierschutz und Tierwohl einsetze.

In ihrer Begrüßung für den Leitungskreis hob Ute Graf das neue Bioland-Zertifikat für die Produkte der Stiftung St. Franziskus hervor, das den ökologischen Gedanken der Bewahrung der Schöpfung zur Grundlage habe. Die Stiftung stelle die ganze Küche auf nachhaltige Ernährung um und gestalte die Tierhaltung nachhaltig. Darin sah Graf ein verbindendes Interesse zur Referentin.

Schock-Bilder von Schlachtungen

Dass der Abend dennoch eine Brisanz, ja Schockwirkung auf manche ausübte, lag nicht nur an der schonungslosen Offenheit Geßlers, sondern auch an erschütternden Filmaufnahmen von bis heute umgesetzten Schlachtmethoden. Auch das Etikett „Bio“ schütze die Tiere nicht vor der Tötung.

Letztlich gehe es um die Entscheidung Karnismus (fleischhaltige Nahrung) oder Veganismus (nur pflanzenbasierte Nahrung). Diese hat Geßler, Tochter einer Tierarztfamilie, vor nur acht Jahren getroffen. Bereits mit Tierschutz beschäftigt, erlebte sie eine als schrecklich beschriebene Schlachtung, die sie zur Frage führte, weshalb sie einen Hund habe, zum Essen aber Fleisch zu sich nehme. Entsprechend dem Ausspruch von Paul Mc Cartney „Wären Schlachthäuser aus Glas, wären alle Menschen Vegetarier“ erläuterte Geßler die Gründe für vegane Ernährung: Tierschutz, Schonung der Umwelt und Gesundheit.

Vegan löst das Platzproblem

Der Zunahme der Weltbevölkerung auf über acht Milliarden stünden jährlich 80 bis 150 Milliarden geschlachteter Tiere gegenüber, auf Dauer ein Riesenproblem. Der Raum für Tiere werde kleiner, Mensch und Tier rückten näher zueinander. Für tierbasierte Ernährung seien 83 Prozent des gesamten Ackerlands nötig, eine Fläche wie die USA, China, die EU und Australien zusammen. Die beste Art, seinen ökologischen Fußabdruck zu gestalten, sei über vegane Ernährung.

Ein Science-Fiction-Film spiegelte gleichnishaft den Umgang des Menschen mit bestimmten Tieren auf der Ebene Alien-Mensch, indem die Aliens zartes Kinderfleisch oder gemästete Menschen mit Genuss verspeisten. Dürfen wir Tieren etwas antun, was man uns nicht antun darf?

Tiere fühlen Freude und Schmerz

Auch sie war, betonte Geßler, so aufgewachsen, dass „man“ Fleisch isst und Milch trinkt. Je nach Kultur würden bestimmte Tiere auf- oder abgewertet. Dieser Speziesismus gehe davon aus, dass der Mensch als Krone der Schöpfung allen anderen Geschöpfen überlegen sei. Tiere seien uns aber ähnlicher als wir ihnen zusprechen. Sie empfänden Angst, Schmerz, Freude, gar Eifersucht. Fleischverzehr bedeute mehr als Nahrungsaufnahme. Es seien nicht Objekte, sondern tote Tiere oder deren Körperteile. Der Karnismus, der sich mit den 3Ns rechtfertige (es ist normal, notwendig und natürlich) sei ein System aus Glaubenssätzen, das uns von Kind auf konditionierte, bestimmte Tiere zu essen und bei anderen Ekel zu empfinden.

„Sind wir nun alle Verbrecher?“

So war es zu erwarten, dass aus dem Zuhörerkreis Fragen kamen, zum Beispiel die Frage, ob denn dann Landwirte, Metzger und Fleischesser Verbrecher seien. Die Referentin verwies auf fleischverarbeitende Firmen, die schon zu 50 Prozent auf vegane Produkte auf Basis von Erbsen oder Weizen umgestellt hätten. Damit werde Tierleid verhindert und der Umwelt geholfen. Der Wandel werde kommen, das könne man im Ausland (Israel, USA) schon sehen. Die Referentin erwartet ihn in spätestens 20 Jahren.

Umstieg mit Ersatzprodukten leichter

Mit Ersatzprodukten falle es leichter, ihn zu vollziehen. Jeder Schritt zähle, so wertete sie die Umstellung in St. Franziskus auf Bioland-Kost als ersten Schritt in die richtige Richtung. Mitarbeiter der Stiftung hoben hervor, dass die Stiftung viel investiert habe und dabei sei, sich zu entwickeln und zu bewegen, was von der Referentin vorbehaltlos anerkannt wurde. Das Thema tue weh, nichts mache dem Menschen mehr Angst als sich zu ändern.

Wer greift zu am Buffet?

Graf dankte zum Abschluss für den „spannenden und provozierenden Vortrag“. Sie sei stolz auf die Stiftung, die die Umstellung auf Bioland-Niveau geschafft habe. Es sei nicht möglich, etwas radikal einzufordern, doch gebe es mehr Verbindendes als Trennendes, fand sie. Die Besucher durften auf dem anschließenden „Markt“ Kostproben der Bioland-, aber auch der veganen Ernährung versuchen. Manche trauten sich nicht so recht, zuzugreifen.