Manche der kleinen Patienten müssen beatmet werden (Symbolfoto). Foto: © nateejindakum - stock.adobe.com

Die Lage an Kinderkliniken ist bundesweit ernst. Freie Betten sind rar, Patienten gibt es aber mehr als genug – nicht zuletzt durch die rasant um sich greifenden Infektionen mit dem RS-Virus. Auch im Nordschwarzwald sieht es alles andere als rosig aus.

Nordschwarzwald - Das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RS-Virus, ist ein "weltweit verbreiteter Erreger von akuten Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege". Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) gehört es zu den bedeutendsten Erregern von Atemwegsinfektionen bei Säuglingen und Kleinkindern. Und: Die Verbreitung sei lange unterschätzt worden. Dieser Tage trifft sie Kinderkliniken in ganz Deutschland mit voller Wucht.

Nicht nur die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) schlägt deshalb Alarm. Laut einer Umfrage der DIVI mangelt es bundesweit an Betten in Krankenhäusern und insbesondere auf Intensivstationen für Kinder; teilweise müssen die Patienten abgewiesen und an andere Standorte transportiert werden. Angesichts der sich aufbauenden RS-Viren-Welle fürchtet die DIVI, dass es nicht genügend Kinder-Intensivbetten geben wird, um alle Kinder, die es benötigen, dort zu beatmen.

Wie ist die Lage im Klinikverbund Südwest?

"Auch unsere Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Böblingen macht keine Ausnahme vom momentanen bundesweiten Trend", berichtet Ingo Matheus, Pressesprecher des Klinikverbunds Südwest, zu dem auch die Krankenhäuser in Calw und Nagold gehören.

Die Kinderklinik, Zentralversorger im Klinikverbund für die Landkreise Böblingen und Calw, registriere derzeit eine Auslastung von bis zu 110 Prozent – "sprich deutliche Überbelegung mit täglich zwischen zehn bis 20 RS-Virus-Patienten (meist Säuglinge), die stationär versorgt werden müssen, davon mehrere bisher schon intensivpflichtig (mit nichtinvasiver Beatmung versorgt)", erklärt Matheus. Darüber hinaus häuften sich Fälle der Grippe und weiterer Atemwegserkrankungen.

Generell sei die Aktivität der akuten Atemwegserkrankungen laut RKI in der Bevölkerung im Vergleich zur Vorwoche deutlich gestiegen, "die Werte liegen aktuell zum Teil weit über dem Niveau der vorpandemischen Jahre". Ein Eindruck, den der Klinikverbund durch seine tägliche Arbeit bestätigen könne, so der Pressesprecher – weshalb dieser auch für die Grippeschutzimpfung einstehe.

Sieht es in anderen Kliniken besser aus?

Nicht wirklich. Auch im Klinikum in Freudenstadt sei die Lage angespannt, erklärte in dieser Woche Gerald Hellstern, Chefarzt für Kinder- und Jugendmedizin. Noch gelinge es, alle Patienten unterzubringen, "wir waren aber auch in diesem Jahr schon an der Belastungsgrenze".

Der Tenor einer Pressemitteilung des Helios-Klinikums in Pforzheim von Donnerstag klingt nicht besser. Auch dort vermelden die Mediziner, dass das RS-Virus auf dem Vormarsch sei. Mehr als die Hälfte der Kinder, die gegenwärtig dort versorgt würden, seien an Atemwegsinfekten, insbesondere RS-Virus-Infektionen, erkrankt. Besonders schwer betroffen seien Neugeborene in den ersten Lebenswochen und generell Kinder im ersten Lebensjahr. Frühgeborene sowie an Herz und Lunge kranke Kleinkinder stellten eine besondere Risikogruppe dar.

Auch das Helios-Klinikum bestätigt indes: Da alle Kinderkliniken vor den gleichen Herausforderungen stehen, könnten Kinder bei Erreichen der Kapazitätsgrenzen in der Regel nicht in umliegende Kliniken verlegt werden.

Was sind die Symptome einer RS-Virus-Infektion und wie lassen sich diese von anderen Erkrankungen unterscheiden?

Als Symptome gelten unter anderem Fieber, Husten und Atemnot. Bei Säuglingen können nach Angaben des Helios-Klinikums auch gefährliche Atempausen auftreten. Eine Unterscheidung zu anderen Atemwegserkrankungen scheint indes nicht ganz einfach zu sein.

So könnten zwar die Gesamtheit der Beschwerden und das Lebensalter der Patienten laut RKI Hinweise auf eine RS-Virus-Infektion geben. Um sicher sein zu können, sei aber ein Erregernachweis nötig.

Was hat Corona mit der Situation zu tun?

Dass Infektionen mit dem RS-Virus jeden Winter zunehmen, sei bereits vor der Pandemie der Fall gewesen, heißt es aus dem Helios-Klinikum. Durch die Pandemie seien allerdings vor allem Kleinkinder aufgrund der Infektionsschutzmaßnahmen und Kontaktbeschränkungen bislang kaum mit dem RS-Virus in Berührung gekommen und konnten somit keine Immunität aufbauen.

Wie viele betroffene Kinder müssen im Krankenhaus behandelt werden – oder schlimmeres?

Grundsätzlich, so erklärt Klinikverbund-Sprecher Matheus, sei die Behandlung von Atemwegserkrankungen – auch beim RS-Virus – "zunächst im ambulanten Bereich angesiedelt, da die wenigsten stationär behandlungsbedürftig sind/werden". Nach Angaben des Bundesverbands der AOK müssten etwa zwei Prozent aller Kinder mit einer RS-Virus-Infektion ins Krankenhaus. Und laut Daten, die dem RKI vorliegen, verliefen etwa 0,2 Prozent aller Fälle bei Kindern ohne bekanntes erhöhtes Risiko tödlich.