Der Tatort kurz nach der schrecklichen Tat in Villingendorf im September 2017. Schon einmal soll der Beschuldigte Drazen D. Morddrohungen gegenüber einer Expartnerin ausgesprochen haben. Foto: SDMG / Maurer

Prozess um Familiendrama geht weiter. Ehemalige Arbeitgeberin sagt aus. Zellengenossen in Angst versetzt.

Rottweil/Villingendorf - "Wenn ich die Kinder nicht bekomme, bringe ich sie um, bevor meine Frau sie hat." Das hat Drazen D., dem der Dreifachmord von Villingendorf zur Last gelegt wird,  seiner damaligen Arbeitgeberin  nach der Trennung von seiner ersten Frau gesagt. Von diesem und vielen anderen Vorfällen mit dem Angeklagten berichtet die Geschäftsführerin eines Autohauses am Dienstag im Prozess vor dem Landgericht Rottweil. Außerdem sagen weitere Villingendorfer und Rettungssanitäter zur Tatnacht am 14. September 2017 aus.

Die ehemalige Chefin vor Drazen D. berichtet zunächst von ihrem schwierigen Mitarbeiter, den sie 2014 entlassen und drei Jahre später auf dem Fahndungsbild der Polizei als mutmaßlichen Dreifachmörder wiedergesehen hat. Der Schock war groß – und  der 56-Jährigen kam die Äußerung über seine Kinder aus erster Ehe  wieder in den Sinn. "Ich hatte das Gefühl, er wollte die Kinder besitzen." Der heute 41-jährige Kroate hat ab 1999 15 Jahre lang in dem Autohaus am Bodensee als Wagenpfleger gearbeitet. Er habe seine Sache gut gemacht, habe aber ein massives Problem mit Autoritäten gehabt. Manchmal habe er sich schlicht geweigert, eine Arbeit auszuführen, habe einem Autoverkäufer einmal gedroht, ihn privat zu schädigen, wenn er "nicht aufpasst". Ständig sei er zu seinem Anwalt gegangen, wenn ihm etwas nicht passte, so die Ex-Chefin. Die Anwaltsschreiben füllen  fast einen  Ordner.

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Die Schwierigkeiten nehmen zu:  2012 nimmt  Drazen D. abends unerlaubt einen Wagen des Autohauses an sich und verursacht nachts auf dem Firmengelände alkoholisiert einen Unfall mit damals 100.000 Mark Sachschaden. Drei Autos und die Scheibe der Ausstellungshalle sind kaputt. Trotzdem wird er weiterbeschäftigt. Der Arbeitgeber hilft Drazen D. mehrmals mit Darlehen aus. "Heute frage ich mich, warum wir diesen Wahnsinn so lange mitgemacht haben", so die ehemalige Chefin. Man sei wohl "zu gutmütig" gewesen. 2014 wird Drazen D. entlassen, er bekommt 10.000 Euro Abfindung, die  jedoch weitestgehend für Anwaltskosten, Schulden und Unterhaltspfändungen draufgehen.

Als er nach der Tat von Villingendorf auf der Flucht war habe man große Angst gehabt, dass Drazen D. kommt und sich ein Auto holt, berichtet die Geschäftsführerin. Während seiner Beschäftigungszeit dort war ein Schlüssel des Autohauses verschwunden. Er ist bist heute nicht gefunden worden.

Auch in der JVA Offenburg, wo Drazen D. aktuell einsitzt, gab es bereits Probleme: Am  4. April wird Drazen D. nach einer Drohung gegen seinen 22-jährigen Zellengenossen und Äußerungen über Suizid vorläufig in einen besonders gesicherten Haftraum verlegt. Ein Mitglied der Anstaltsleitung sagt  am Dienstag   aus, dass sich der Mithäftling an den JVA-Psychologen gewandt habe, weil er Angst vor Drazen D. habe. "Du bist mein Babysitter, bevor ich mich umbringe, muss ich erst dich umbringen", habe der 41-Jährige zu ihm gesagt. Dabei habe er mit einer manipulierten Rasierklinge hantiert.  Der Anstaltsleitung sagte Drazen D. später, diese Aussage  sei ein "Scherz" gewesen. Er wolle allein in einer Zelle sein, weil die Verhandlung ihn sehr belaste und er den Tränen freien Lauf lassen wolle. "Bei mir sind drei Menschen gestorben, das muss ich verarbeiten", habe Drazen D. gesagt. Einwegrasierer bekomme er jetzt nur noch unter Aufsicht ausgehändigt.

Während die meisten Nachbarn in der Tatnacht hauptsächlich die Schüsse, unverständliches Stimmengewirr und Hilferufe gehört haben, berichtet nun ein angrenzender Nachbar, dass er aus Richtung des Tatorts  nach den ersten Schüssen etwas deutlich verstanden habe: "Ich habe sie gewarnt...  ich habe es gesagt...  wer zahlt für sie", habe eine Männerstimme gesagt. Danach seien Hilferufe zu hören gewesen. Ein Nachbar sagt aus, dass er in der eigentlich leer stehenden  Wohnung über dem Tatort Licht gesehen habe.

Notfallsanitäter berichten am Dienstag von dem dramatischen Einsatz, dem Kampf um das Leben der später verstorbenen 29-jährigen Frau und der Angst, dass der Täter zurückkommt. Die dreijährige Tochter der 29-Jährigen, die in der Wohnung gefunden wurde, hat sich noch im Krankenhaus an einen 51-jährigen Sanitäter geklammert und wollte ihn nicht gehen lassen. Die Mutter des erschossenen Sechsjährigen sei in einem totalen psychischen Ausnahmezustand bei Nachbarn vorgefunden worden, habe geweint, nach ihrem Sohn gerufen und gesagt, der Täter wollte sie leiden sehen.

Wido Fischer, Rechtsanwalt der 31-Jährigen, fragt an diesem Prozesstag mehrfach die Nachbarn, ob sie in den Wochen vor der Tat Polizei in dem Wohngebiet gesehen hätten, Streifenpatrouillen oder ähnliches. Die Antwort ist jeweils: Nein. Polizeipräsenz ist niemandem aufgefallen. Wie berichtet, hatte Drazen D. im August bei einem zufälligen Aufeinandertreffen mit seiner Ex-Partnerin angekündigt, dass er "kommen  und  alle umbringen" werde. Die  Frau hatte dies der Polizei gemeldet und erneut um Hilfe gebeten. Sie wird Mitte Mai aussagen und – nach jetzigem Stand – dem Angeklagten von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten. Der Prozess wird am Montag, 23. April, fortgesetzt.

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