Die Gutachter sind der Meinung, dass der Fahrer etwas vom Unfall gewusst haben muss. (Archivbild) Foto: Wegner

Sachverständiger stellt Unfallsituation mit baugleichem Fahrzeug und Menschenpuppe nach.

Rottweil/ Schramberg - Am dritten Verhandlungstag vor dem Schwurgericht Rottweil zum Tatvorwurf versuchter Mord durch Unterlassung stellten die drei Sachverständigen aus der Unfallforschung, Gerichtsmedizin und Psychiatrie ihre Gutachten zum schweren Unfall im März 2018 vor.

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Davor wurde als Zeuge ein Augenarzt der Augenklinik Schramberg gehört. Bei ihm war der Angeklagte zur Behandlung gewesen. Der Arzt bescheinigte ihm gutes Sehvermögen, ausreichend für das Erlangen eines Führerscheins. Wegen seiner Laser-Augen-OP im Jahr 2001 zur Korrektur der Kurzsichtigkeit entschied das Gericht, zusätzlich ein augenärztliches Gutachten zur Nachtsichtfähigkeit einzuholen.

Danach berichtete das Unfallopfer über die vielen Krankenhausaufenthalte (28 Operationen) und Reha-Maßnahmen und die zahllosen Medikamente, die er einnehmen muss, darunter immer noch viele Schmerzmittel.

Gutachter machen den Selbstversuch

Anschließend stellte Fachabteilungsleiter Unfallanalytik Frank Rauland von der Dekra als Sachverständiger die Ergebnisse seiner Untersuchungen am Unfallort vor. Mit einem Mitarbeiter hatte er am Morgen nach dem Unfall Spuren auf dem Asphalt und Plastikteile auf der Steige gesichert, vermessen und fotografiert und später das gleiche mit dem Fahrzeug des Angeklagten gemacht.

Er hatte sogar mit einem baugleichen Fahrzeug und einer Puppe bei Dunkelheit den Unfall nachgestellt. Die Puppe trug dabei die durch den Unfall zerfetzten sichergestellten Kleidungsstücke und Schuhe des Opfers: Schon aus 50 Metern Entfernung war wegen der hellen Sohlen der Schuhe erkennbar, dass etwas auf der Straße liegt, und ab 15 Metern, dass da etwas liegt, was wie ein Mensch aussieht.

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Aus den Schäden an der Fahrzeugfront schloss er, dass dieses zwischen 50 und 70 Stundenkilometer gefahren sein muss. Daraus, dass die 320 Meter lange Schleifspur aus Blut und Kleidungsresten immer parallel zum Fahrbahnrand verlief, schloss er, dass kein dichter Nebel geherrscht habe: Dann wäre die Spur unruhiger. Weiter legte er zur Bemerkbarkeit dar, dass es entsprechend den Schäden am Fahrzeug beim Erfassen des Opfers eine lauten Schlag gegeben habe, den man sogar im Tal habe hören können, außerdem eine ruckartige Verzögerung, die der Fahrer gespürt haben müsse.

Schaden muss Fahrer aufgefallen sein

Außerdem zeigte Rauland, indem er den Fahrersitz wie für den Angeklagten einstellen ließ, dass der Fahrer nach einem Zurücksetzen um sechs Meter sehen konnte, dass sich etwas vom Fahrzeug gelöst hatte und dann davor lag. Und weil die Kunststoffteile von der Fahrzeugfront weiterhin Geräusche machten, beim Zurücksetzen und bis zur Ankunft in Sulgen, könne man auch nicht den Eindruck haben, so Richter Karlheinz Münzer, dass sich der Ast jetzt gelöst habe (wie es der Angeklagte behauptet hatte).

Nach Gutachter Rauland legte Rechtsmedizinerin Ulrike Schmidt auf Grund der Verletzungen dar, dass das Opfer vom Fahrzeug liegend erfasst worden sei. Anhand von Fotos dokumentiert sie die zahllosen inneren und äußeren Verletzungen sowie die anhaltenden Beschwerden. Wäre das Opfer bei seinem lebensbedrohlichen Zustand eine halbe oder eine Stunde später aufgefunden worden, hätte er wohl nicht mehr gerettet werden können.

Roman Knorr, Chefarzt des Zentrums für Psychiatrie Reichenau, berichtete, dass beim Angeklagten keine schwerwiegende psychische oder Bewusstseinsstörung feststellbar sei (was für die Zurechnungsfähigkeit relevant ist).

Der nächste Verhandlungstag ist am Mittwoch, 21. Oktober, 17 Uhr.