Das Sturmgewehr G36 steht beim Waffenhersteller Heckler&Koch in einem Ausstellungsraum. Foto: Patrick Seeger/Archiv/dpa

Anwälte von Angeklagten sehen Schuld bei Behörden und sprechen von falschen Behauptungen.

Stuttgart/Oberndorf - Dass in einem Prozess die Meinungen von Anklage und Verteidigung generell auseinandergehen, wird niemanden wirklich verwundern. Die Diskrepanz beider Seiten im Heckler & Koch-Prozess um Waffenlieferungen in Unruheregionen Mexikos von 2006 bis 2009 macht da keine Ausnahme – ist aber besonders. Vor einer Woche forderte die Staatsanwaltschaft knapp dreijährige Haft-, beziehungsweise Bewährungsstrafen für drei der fünf ehemaligen Mitarbeiter. Nun plädierten die drei Verteidiger geschlossen auf Freispruch.

Ihre Mandanten – der damalige Vertriebschef Ingo S., die angeklagte Sachbearbeiterin Marianne B. und der ehemalige Geschäftsführer und vordem Präsident des Landgerichts Rottweil Peter B. – waren laut ihren Rechtsbeiständen weder ausreichend mit den betreffenden Vorgängen vertraut noch handele es sich bei den abgeänderten Endverbleibserklärungen (EVE) um einen Straftatbestand seitens der Angeklagten, waren sich die Verteidiger einig.

Die EVEs werden vom Empfängerland ausgestellt und sollen garantieren, dass die Waffen – in diesem Fall handelt es sich um rund 4500 G36-Sturmgewehre und Maschinenpistolen vom Typ MP5 sowie Zubehör und Munition – auch dort bleiben, wo sie hingeliefert werden. Diese wurden laut den Rechtsanwälten aber im Interesse der Behörden, etwa das Bundeswirtschaftsministerium abgeändert.

Anklage sieht keine Mitschuld deutscher Behörden

Die Staatsanwaltschaft sieht indes kein Mitverschulden der deutschen Behörden und glaubt an ein vorsätzliches Fehlverhalten seitens der Ex-Mitarbeiter. Uwe Holzapfel, der Verteidiger von Marianne B. erhob dagegen schwere Vorwürfe nicht nur gegen die Genehmigungsbehörden, sondern auch gegen die Waffenschmiede mit Sitz in Oberndorf. Bei Heckler & Koch (HK) hat es laut Holzapfel keine vernünftige Kommunikation, Schulungen oder Verbotslisten gegeben, die seine Mandantin aufklären hätten können. "Meine Mandantin hat nur versucht, ihre Arbeit gewissenhaft und richtig zu erledigen. Sie wurde lediglich auf Geheiß von Oberen tätig", sagte Holzapfel. Die "abnormen Strafforderungen" der Staatsanwaltschaft seien nicht tragbar.

Dem schloss sich auch der Linken-Politiker Jan van Aken an, der den Prozess seit Beginn mitverfolgt: "Ich finde es eine echte Sauerei, dass hier eine einfache Sachbearbeiterin fast genauso hart bestraft werden soll wie der zuständige Vertriebsleiter, der sich ganz oben in der Hierarchie dumm und dusselig verdient hat."

Sachbearbeiterin als Bauernopfer?

Auch in dem umfassenden E-Mail-Verkehr zwischen den Ex-HK-Mitarbeitern, den die Anklage als belastend ansieht, können die Verteidiger nichts dergleichen erkennen. Dazu seien ihre Mandanten gar nicht exportverantwortlich gewesen. "Ein Vorgesetzter, der das Fehlverhalten seiner Mitarbeiter nicht kennt, kann es auch nicht stoppen", sagte etwa der Anwalt von Ingo S., Matthias Diefenbacher.

Die wahren Schuldigen haben die Verteidiger in dem mittlerweile verstorbenen Axel H. und dem in Mexiko lebenden Markus B. ausgemacht – beides ehemalige HK-Vertreter. Für die Rechtsanwälte steht fest: Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft sind haltlos. Sie würden letztlich durch Indizien gestützt, bei denen es sich um falsche Behauptungen handelt. Am 21. Februar ist es nun Sache des Richters Frank Maurer, zu entscheiden, ob oder welche Strafe angemessen ist. Zudem ist noch offen, ob HK den Kaufpreis (4,1 Millionen Euro) der in mexikanische Unruhegebiete geschickten Waffen abzahlen muss.