Fortgesetzt wurde der Prozess im Landgericht Stuttgart gegen fünf Ex-Mitarbeiter der Waffenfirma Heckler & Koch. Dabei ging es um die Frage des Waffen-Endverbleibs. Foto: Schuldt

Ministerium meldet Zweifel an Rechtmäßigkeit von Waffenlieferungen nach Mexiko an.

Oberndorf/Stuttgart - Wer Kriegswaffen und andere Rüstungsgüter exportieren will, kommt an Wirtschafts- und Außenministerium nicht vorbei. Auch nicht der  Waffenhersteller Heckler & Koch (HK) aus Oberndorf. Im Prozess gegen fünf ehemalige Mitarbeiter des Unternehmens sagte gestern ein Zeuge vom Auswärtigen Amt (AA) aus.

"Wir hatten einige Bedenken", sagt der Beamte über 2020 G36-Gewehre für diverse Polizeieinheiten in Mexiko im Jahr 2005. Diese Zweifel wurden an das Wirtschaftsministerium (BMWi) gemeldet – dem Zeugen zufolge ist das BMWi federführend, ist zuständig für Rechtsfragen, Genehmigungen oder Versagungsbescheide; das AA gibt Stellungnahmen aus außenpolitischer Sicht ab, etwa zur Menschenrechtslage im Bestimmungsland.

Daraufhin sei von HK eine neue Endverbleibserklärung vorgelegt worden. Als Empfänger wurden Polizeidienststellen in anderen Bundesstaaten genannt. Nach einem weiteren negativen Bescheid habe es eine Beratung im Ministeriumskreis gegeben, und siehe da: Die Genehmigung wurde erteilt. Warum und von wem, würde Richter Frank Maurer gern wissen. Nur: Der Mitarbeiter sagt, darüber müsse er schweigen.

Erst nach reichlich Bedenken wurde für H&K entschieden

Auch in einem anderen Fall wurde erst nach reichlichen Bedenken für HK entschieden. Ein Antrag zu Ersatzteilen und Zubehör zum G36 wies Chiapas als Lieferziel aus – einen Bundesstaat, in dem keine G36 sein sollten. Wofür dann die Ersatzteile? "Das war entweder nicht plausibel, oder eine frühere Endverbleibserklärung wurde nicht eingehalten", vermutete das AA damals, meinte der Zeuge. HK räumte letztlich ein "Verwaltungsversehen" ein; die Mexikaner hätten versichert, dass es sich um eine Verwechslung handelte.

Das Außenministerium bat die deutsche Botschaft um Prüfung. Ergebnis: Mexikanische Sicherheitsbehörden bestätigten, dass keine G36 in Unruheprovinzen gelangt seien. Stichproben eines Botschaftsmitarbeiters bei der mexikanischen Polizei hätten das bestätigt, berichtet der Zeuge.

Richter Maurer lässt in den Akten wühlen und liest aus einer Leseabschrift des früheren HK-Geschäftsführers Peter B. vor. B., als Angeklagter auch im Saal des Stuttgarter Landgerichts, hatte demnach 2006 mit dem Zeugen aus dem Außenministerium telefoniert und notiert: "Das admistrative Versehen" habe dieser "so halbwegs geschluckt". Der Zeuge wehrt sich: "Mit Verlaub: Aus unserer Sicht bestand weiter Klärungsbedarf."

Maurer will wissen, wie es trotzdem zur Genehmigung durch die Bundesregierung kommen konnte. "Wurden die Zweifel ausgeräumt, und deshalb wurde genehmigt? Oder wurden die Zweifel beiseitegestellt, und deshalb wurde genehmigt?" Der Zeuge erklärt: "Dass man die Umleitung an Bundesstaaten nicht ausschließen kann, war ein Punkt in der Gesamterwägung. Die Fragezeichen sind zurückgetreten."

Wie konnte gewährleistet werden, dass nicht innerhalb des Landes weiterverkauft wurde?

Der Genehmigungsprozess bei Rüstungsexporten durch die  Bundesregierung steht nicht gut da in diesem Prozess. Richter Maurer will wissen, ob es für HK Auflagen oder Nebenbestimmungen für die Ausfuhren gab. Wie gewährleistet werden konnte, dass Mexiko nicht innerhalb des Landes weiterverkauft. Ob ein Bekanntwerden der Bewertung einzelner Staaten in Sachen Menschenrechte den deutsch-mexikanischen Beziehungen geschadet hätte.

Der Zeuge bleibt im Ungefähren. Dennoch wird klar: Was mit exportierten Rüstungsgütern geschieht, kann nur schwer kontrolliert werden. Vor dem Landgericht geht es um fast 4500 Sturmgewehre und Zubehör, die zwischen 2006 und 2009 in mexikanische Unruheprovinzen geliefert wurden.

Der Kern dreht sich auch an diesem Dienstag um die Frage, was HK tatsächlich angeben musste. Ist das Unternehmen verantwortlich für Lieferungen in Unruheprovinzen, wenn es lediglich "Mexiko" als Ziel nennt? "Wir sind voll mittendrin«", bescheinigt Richter Maurer, "das müssen wir irgendwann entscheiden."

Aufschlussreiches erhofft er sich vom 10. Juli: Dann werden Zeugen aus dem Wirtschaftsministerium befragt.