Das Sturmgewehr vom Typ HK433 war als Nachfolger für das G36 geplant. Doch der Auftrag ging verloren. Foto: Pleul/Murat

Waffenhersteller verliert Millionen-Auftrag für G36-Nachfolger an Firma C.G. Haenel aus Thüringen.

Oberndorf/Berlin - Die Woche konnte nicht schlechter beginnen für den schwäbischen Waffenhersteller Heckler & Koch (HK). Am Montagabend machte folgende Meldung die Runde: Das Verteidigungsministerium will das neue Sturmgewehr der Bundeswehr von dem Thüringer Hersteller C.G. Haenel (Suhl) beziehen. Der Schock bei den HK-Verantwortlichen und innerhalb der Belegschaft am Stammsitz in Oberndorf (Kreis Rottweil) muss mehr als groß gewesen sein.

Nein, nicht HK, das Traditionsunternehmen, welches schon seit 1959 seine ersten Sturmgewehre an die Bundeswehr liefert - das damalige G3 - erhält den so begehrten 250-Millionen-Auftrag. Die Thüringer Waffenschmiede C.G. Haenel - Neugründung einer Suhler Traditionsfabrik und als kleinerer Außenseiter in das Rennen gestartet - soll das neue Sturmgewehr nun liefern. Nach dem dazu im Jahr 2017 begonnen Bieterverfahren informierten die Spitzen des Verteidigungsministeriums am Montag Fachpolitiker aus den Reihen der großen Koalition über das Ergebnis von Tests und Prüfserien, die unter Führung des Beschaffungsamtes (BAAINBw) liefen.

Zusammenspiel von Gewicht, Lauflänge, Munition und Treffleistung ist komplex

In den 90er-Jahren hat HK den Zuschlag für das Nachfolgegewehr des G3, das G36 erhalten. Um dieses Sturmgewehr hatte es in den zurückliegenden Jahren einigen Wirbel gegeben, der sich um die Treffgenauigkeit unter Extrembedingungen drehte - dem hochintensiven Feuerkampf mit langen Schussfolgen oder auch bei klimatischen Spitzen. Die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen verkündete 2015, "dass das G36, so wie es heute konstruiert ist, keine Zukunft in der Bundeswehr hat". Da hatten sich Hersteller und Ministerium schon einige Blessuren geschlagen. Dabei hatten Einsatzsoldaten dem Gewehr gute Noten gegeben.

Siehe auch: Nazi-Schatten auf Heckler&Koch

Doch die Nerven lagen auch im Bieterverfahren offen. So hatte HK im vergangenen Jahr in einem als ungewöhnlich empfundenen Schritt mitten im laufenden Vergabeprozess das Ministerium kritisiert und in einem Schreiben an von der Leyen eine Festlegung auf ein größeres Kaliber gefordert. Bemängelt wurde dabei auch, es gebe keine faire und sachkundige Auswahl für das G36-Nachfolgemodell.

Das Zusammenspiel von Gewicht, Lauflänge, Munition und Treffleistung ist bei Waffen technisch komplex. Das Kaliber der Munition bedingt Durchschlagskraft, aber begrenzt auch, wie viel Schuss am Mann mitgeführt werden können - des Gewichts wegen.

Waffe von Haenel erweist sich als technisch besser

Nur ist in der Ausschreibung kein Kaliber der Waffe festgelegt, allerdings ein Gewicht. Die Bundeswehr forderte zudem ein Gewehr, das für alle Klimazonen geeignet ist. Von der Feuerkraft her muss es den Feind vorübergehend niederhalten können, also in die Deckung zwingen. In einer solchen Situation darf die Präzision schon mal hinter die Feuerkraft zurücktreten. Das Ziel muss aber bald darauf wieder mit hoher Wahrscheinlichkeit getroffen werden. Das ist eine Voraussetzung, um Unbeteiligte und Zivilisten nicht unbeabsichtigt zu treffen.

Es ist nun gut zwei Wochen her, als HK-Vorstandschef Jens Bodo Koch noch optimistische Töne anschlug: "Heckler & Koch ist wieder ein erfolgreiches und profitables Unternehmen." Die Stimmung in Oberndorf war gut, der Waffenhersteller konnte bei seiner Hauptversammlung Ende August seinen neuen Mehrheitseigner - die Luxemburger Finanzholding CDE - vorstellen und sich personell neu aufstellen. Der Gewinn nach Steuern etwa stieg laut einer HK-Pressemitteilung von 0,4 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2019 auf 7,6 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2020. Von einem Aufbruch in ruhigere und bessere Zeiten war die Rede.

Nun der Paukenschlag: Die Waffe von Haenel hat sich - so heißt es am Montag - in den Tests als technisch etwas besser erwiesen, ist zugleich auch im Angebot "wirtschaftlicher". Haenel liefert der Bundeswehr bereits ein Scharfschützengewehr. Das Unternehmen gehört zur Merkel Gruppe, die Teil der Tawazun Holding (Vereinigte Arabische Emirate) ist. Dass das heutige Unternehmen von arabischem Geld abhängig sein könnte, hat offenkundig nicht gestört. Im Jahr 2008 hatte C.G. Haenel den Betrieb als Neugründung wieder aufgenommen. Der einstige Gründer und Namensgeber Carl Gottlieb Haenel hatte von 1840 an die industrielle Waffenfertigung in Suhl etabliert.

2000 SFP9 kommen zur Sicherung der Olympischen Spiele in Japan zum Einsatz

Ein dritter Bieter - Sig Sauer (Eckernförde) - hatte sich noch aus der laufenden Ausschreibung zurückgezogen. Sig Sauer beklagte dabei eine Ungleichbehandlung und machte dies auch am beschränkten Zugang zu Testmunition fest, über die HK wegen anderer Lieferbeziehungen verfüge und daraus Vorteil ziehen könne.

Im Vorteil sah sich der Waffenbauer aus dem Kreis Rottweil eigentlich auch bei der gegenwärtigen Auftragslage: Zu nennen ist etwa das laut Mitteilung erfolgreiche US-Geschäft, das inzwischen ein Viertel des Gesamtumsatzes ausmacht. 6000 Präzisionsgewehre hat die US-Armee bei HK geordert. Lang- und Kurzwaffen für Streitkräfte zum Beispiel in Norwegen, Großbritannien oder Litauen schließen sich an. Stolz ist man zudem darauf, die japanische Polizei mit 2000 Pistolen des Erfolgsmodells SFP9 ausgerüstet zu haben - diese sollen speziell zur Sicherung der Olympischen Sommerspiele im kommenden Jahr eingesetzt werden.

Mit Maschinengewehren, Granatwerfern und modernisierten G36-Gewehren wird die schwäbische Firma zwar auch künftig Geschäft machen mit ausländischen Streitkräften und besonders der Bundeswehr, ausgerechnet in der Paradedisziplin der Oberndorfer, dem Sturmgewehr, kommt HK bei dem neuen Modell nun aber wohl nicht mehr zum Zug.