Voll besetzt war die Festhalle bei der OB-Kandidaten-Diskussion. Kandidat Markus Ringle hatte als Einziger seine Familie (vorne) mitgebracht. Foto: Eyrich

Premiere im Wahlkampf um den Chefsessel im Albstädter Rathaus: Die Gäste der TSG Margrethausen erlebten in dreistündiger Diskussion eine Überraschung und erhielten zudem viele ganz konkrete Aussagen.

Endlich ein direkter Vergleich: Nachdem sich die Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl am 5. März bisher bei eigenen Terminen vorgestellt hatten, sind sie am Samstag erstmals alle vier aufeinander getroffen: Udo Hollauer, Erster Bürgermeister, Rechtsanwalt Roland Tralmer, Geschäftsführer Markus Ringle und Immobilienmakler Thomas Wenske stellten sich den Fragen von Eberhard Götz, dem Vorsitzenden der TSG Margrethausen, dem es vor allem um die Vereine ging.

Denn diesbezüglich läuft einiges falsch, wie sich herausstellte. Ihre Ansprechpartner sind – je nach Ressort – quer über das Rathaus verteilt, es fehlt an Hallen und die Vereinsförderung müsse umstrukturiert werden, darüber waren sich die Kandidaten einig, nachdem sie alle das Hohelied auf das Ehrenamt gesungen hatten.

Wenske: „Jugend fördern – lieber Großprojekte nach hinten schieben!“

Thomas Wenske Foto: Eyrich

Thomas Wenske blieb knapp in seinen Antworten: „Fördern, was zu fördern geht“, und dafür „lieber Großprojekte nach hinten schieben“ ist sein Credo. Tralmer will die frei gewordenen Ausgaben für den Mountainbike-Weltcup nutzen und Vereine über die gesamte Bandbreite und Altersspanne hinweg fördern, Udo Hollauer einen Vereinsbeauftragten benennen und ein Vereinsforum einrichten, bei dem die Vereine sich präsentieren dürfen, und Ringle nicht mehr Stellen schaffen, sondern besser koordinieren und vernetzen, etwa durch Digitalisierung der Hallenverwaltung, so dass Gruppen, die eine Halle brauchen, direkt sehen, wann sie frei ist, was dort zur Verfügung steht – und dann buchen.

Dass Investitionszuschüsse der Stadt für Vereine an die Zahlungen des Württembergischen Landessportbundes (WLSB) gekoppelt seien, ärgert Götz, doch Erstere könnten trotzdem früher ausgezahlt werden, betonte Ringle – unter dem Rückzahlungsvorbehalt.

Hollauers Vorschlag, den „Mehrwert eines Vereins für die Gesellschaft“ bei der Vereinsförderung zu berücksichtigen, kommentierte Tralmer keck: „Jeder Verein hat einen Mehrwert für die Stadt. Und wer will das beurteilen?“

Gegen eine Zentralisierung der Sportstätten sind sie alle, auch unter dem Gesichtspunkt des Treffpunkts für die Dorfgemeinschaft, wie Hollauer betonte. Er wies auf das Wachstum der Stadt seit 2012 und den Mehrbedarf an Sportstätten – derzeit mehr als 100 – hin. Da dürfe der Fokus nicht nur auf den Hallen liegen.

Ringle: „Da läuft etwas schief: Das Angebot läuft der Entwicklung entgegen“

Markus Ringle Foto: Eyrich

„Zu jeder Schule gehört eine Sporthalle“, stellte Markus Ringle klar. Übergangshallen dürften höchstens Übergangslösungen sein, sagte er mit Blick auf den geplanten temporären Ersatzbau für die Schlossberg-Turnhalle. „Das Angebot an Infrastruktur ist gegenläufig zur Bevölkerungsentwicklung – da läuft etwas schief!“ Zudem sei die Qualifikation von Hallen in zwei Fällen schon aufgegeben worden: Lutherschul- und Mazmannhalle: „Die Besucherzahlen wurden eingeschränkt.“ Nicht zuletzt gingen Albstadt die Hallen mit den großen Bühnen aus, „aber wir können sie nicht abreißen, ohne zu wissen, für wie lange wir uns in ein Vakuum begeben. Meine letzte Hose werfe ich ja auch nicht weg, nur weil sie Löcher hat.“

Für das Problem der TSG, die als einziger Verein einen eigenen Sportplatz betreibe und laut Götz kein Unterstützung dafür erhält, sieht Tralmer Bedarf für eine Sonderregelung, und Hollauer will „mit der TSG zusammensitzen und eine Lösung finden“. Die Höhe des Investitionsstaus ist allen bewusst, „doch wir müssen aufpassen, dass solche Rückstände nicht mehr entstehen“, sagte Tralmer.

Hollauer: „Wie soll eine alleinerziehende Mutter noch im Verein tätig sein?“

Udo Hollauer Foto: Eyrich

Stichwort Kita-Plätze: Tralmers Vorschlag, das Punktesystem für deren Vergabe zu modifizieren und etwa ehrenamtliches Engagement der Eltern zu berücksichtigen, bügelte Hollauer mit der Frage ab: „Wie soll eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern noch im Verein tätig sein?“ Er räumte aber ein: „Momentan wird nicht berücksichtigt, dass man vorwiegend einen Platz im Ort bekommen sollte.“

Thomas Wenske will es unterstützen, dass Kinder „zuhause aufgezogen werden“, anstatt sie „in staatliche Einrichtungen zu geben“, Markus Ringle hält nichts von „zentralen Großkindergärten mit vielen Gruppen“, gab das Motto „kurze Beine, kurze Wege“ aus und will mit seinem Vorschlag einer „Fachkräfteallianz“ vor allem das „Kernproblem Personalmangel“, auch in Kitas, lösen: „Alle Arbeitgeber in Albstadt sollten sich zusammentun und Albstadt als attraktiven Arbeitsplatz kommunizieren“.

Wollen die Kandidaten die Ortschaftsräte erhalten? Ein klares „Ja“ zum Subsidiaritätsprinzip, das die Verwaltung entlaste und das Selbstbewusstsein der Stadtteile stärke, kam von Roland Tralmer, der die Verfügungsmittel für zu gering hält und Bürgersprechstunden in den Stadtteilen anbieten will – zu arbeitnehmerfreundlichen Zeiten. Hollauer hält die „Ortschaftstage alle zwei bis drei Jahre“ für „zu wenig“ und will die Eigenverfügungsmittel aufstocken, Ringle zudem die Kommunikation mit der Verwaltung verbessern und die Kompetenz der Ortschaftsräte besser nutzen.

Tralmer: „Dann muss der OB eben selbst mal zum Hörer greifen.“

Roland Tralmer Foto: Eyrich

Dass ausgerechnet Immobilienmakler Wenske sich nicht zum Thema Wohnbauflächen äußern wollte, rief ein Raunen im Saal hervor. Hollauer verwies auf die Reduzierung der freien Bauplätze innerorts durch den Einsatz des Flächenmanagers, will in jedem Stadtteil städtische Bauplätze anbieten und beim Verkauf an Investoren ein Drittel der Wohnungen als sozialen Wohnraum genutzt wissen. Auch Tralmer setzt auf den Mix aus Innen- und Außenentwicklung, und wenn der Flächenmanager nicht weiterkomme, müsse eben der OB mal selbst beim Besitzer leerer Wohnbauflächen anrufen.

Ringle hatte „mit Freude Vokabeln wie ,gegen Flächenfraß’ und ,Innen- vor Außenentwicklung’ auf Tralmers Homepage gelesen, mahnte, dass Flächen endlich seien, und wies darauf hin, dass das Gewerbegebiet Hirnau nur kommen sollte, „wenn die Wirtschaft in Gefahr ist“ – so lange gebe es ja noch die Konversionsfläche in Meßstetten, an der Albstadt beteiligt sei.

Wer hatte die Idee zuerst? Das lässt sich an diesem Abend nicht klären

Wer nun zuerst die Idee hatte, Hirnau nach ökologischen Gesichtspunkten zu entwickeln und zu besetzen – darüber brach eine kleine Kabbelei zwischen Tralmer und Hollauer aus. Einigkeit darüber bestand bei allen.

Ähnlich beim Thema Energie: Udo Hollauer will die Albstadtwerke für erneuerbare Energien öffnen, Tralmer die Wirtschaft und die Bürger einbinden, städtische Dächer für Photovoltaik und die Abwärme aus Prozessen der Kläranlage nutzen. „Warum warten?“ frage Ringle mit Blick auf Bürgerenergieprojekte. Da könne sogar ein Wettbewerb zwischen den Stadtteilen entstehen, denn „ich bezweifele, dass die Kapitaldecke der Albstadtwerke für den Ausbau ausreicht“.

Fazit nach der Diskussion, in der auch die Bürger das Wort hatten (wir werden noch berichten): Viele Zuhörer hat vor allem Markus Ringle positiv überrascht – mit Ideen und souveränem Auftreten. Hollauer und Tralmer – bei kommunalpolitisch Interessierten bekannter – riefen geteiltes Echo hervor. Thomas Wenske, der als Einziger noch nicht kommunalpolitisch tätig ist, blieb vielen zu unkonkret.