Christoph Hess ist ein anderer geworden im Laufe seines 52-jährigen Lebens. Foto: Heinig

Wie geht es einem Menschen, der acht Jahre lang als Angeklagter viele Stunden in Gerichtssälen verbrachte und dem lange eine mehrjährige Haftstrafe drohte? Christoph Hess sagt heute: „Mir geht es gut, aber Narben bleiben“.

An den Tag vor zehn Jahren kann sich der einstige Vorstandsvorsitzende des Leuchtenherstellers Hess AG noch gut erinnern: Er war geschäftlich in Österreich unterwegs, als sein damaliger Vorstandskollege ihn anrief und davon in Kenntnis setzte, dass der Aufsichtsratsvorsitzende mit Anwälten vor der Tür stehe, dem Vorstand Hausverbot erteilt und alle E-Mail-Zugänge gesperrt habe.

„Ich stand unter Schock“, berichtet Hess. Er ahnte damals freilich nicht, dass die darauffolgenden acht Jahre zu einem Alptraum werden sollten.

Ein „schmerzhafter, aber heilsamer Prozess“

Vorwürfe von Betrug und Wirtschaftsstraftaten rund um den Börsengang im Jahr zuvor standen im Raum, sogar ein Haftbefehl wurde ausgesprochen. Bis der im März 2013 wieder aufgehoben wurde, saß Christoph Hess sogar für einige Stunden in einer Zelle. Ein halbes Jahr in einer psychiatrischen Klinik in Bad Säckingen bescherten ihm danach zwar Ruhe, die war jedoch vor allem Medikamenten zu verdanken.

Dank seiner Familie und den nach einem „schmerzhaften, aber heilsamen Prozess“ gebliebenen „echten“ Freunden, fasste Christoph Hess 2014 beruflich wieder Fuß und übernahm für die französische Firma „Novaday“, einem LED-Leuchten-Ausstatter, das deutschsprachige Geschäft mit Büro im Eckweg. Was blieb, war die gesellschaftliche Isolation. „Ich war acht Jahre lang in Haft“, sagt er rückblickend.

So läuft es beruflich

Von Villingen wegzuziehen, das habe er seinerzeit zwar erwogen, aufgrund der familiären Bindungen aber verworfen. 2018 erhielt er zusammen mit zwei Kolleginnen die Gelegenheit, „Novaday“ zu übernehmen. Vor drei Jahren siedelte der Kleinbetrieb in den Technologiepark um, da größere Flächen benötigt wurden.

Das Unternehmen bietet Gewerbekunden ein Komplettprogramm von der Aufnahme der Beleuchtung, einer normgerechneten Lichtberechnung über die Auswahl der passenden Produkte bis hin zu Installation und Entsorgung.

Dankbar ist Christoph Hess für die „manchmal überraschende“ Unterstützung seines Umfeldes, die er in schwerer Zeit erleben durfte. Insbesondere die Sorge um seine Kinder entpuppte sich durch die Hilfe von Kindergarten und Schule als unbegründet. Riesig war schließlich die Erleichterung, als Mitte 2021 alles vorbei war. Die geringfügige Verurteilung habe sich angefühlt wie ein Freispruch, sagt er.

Doch ein glückliches Ende

In der Sache sei er sich immer sicher gewesen, dass ihm nichts Schlimmeres drohen könne, „schließlich wusste ich ja, was ich getan oder nicht getan habe“. Er räumt aber ein, dass er als Vorstandsvorsitzender die Verantwortung für die gesamte Firma getragen habe, auch für Bereiche die nicht zu seinem Aufgabengebiet gehörten, so auch die Kostendokumentationen, die dem Börsenwert des Unternehmens damals zugrunde lagen. „Hier hätte ich mehr kontrollieren müssen“.

Nach dem dann doch glücklichen Ende der der Zeit als Angeklagter kam für Christoph Hess die wirtschaftlich belastende Corona-Pandemie. Seinen früheren Kontakten nach China verdankte er zuverlässige Bezugsquellen von Masken und Test-Kits, die er der Wärmestube, unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und dem Palliativzentrum spendete.

Was im Leben wirklich zählt

Seine traumatische Zeit und die Pandemie haben den Mann, der in der Stadt einst in etlichen Ehrenämtern wirkte, vielerorts als Mäzen und Sponsor auftrat, unauffällig und bescheiden werden lassen und ihm die Erkenntnis eingebracht, dass Vermögen und Wachstum nicht alles im Leben sind. Im Dienste seiner Kinder trainiert er beim Fußballclub Pfaffenweiler den Nachwuchs und sitzt im Elternbeirat des Gymnasiums am Romäusring. Bei der „Novaday“ arbeitet er zufrieden in einem Kleinunternehmen. „Und so soll es bleiben“.

Zur Person

Christoph Hess
ist 52 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. In St. Georgen ist er geboren, in Villingen aufgewachsen. Nach dem Abitur am Wirtschaftsgymnasium und zwei Jahren bei der Bundeswehr studierte er in Augsburg Wirtschafts-wissenschaften und Psychologie. 1996 erkrankte Vater Jürgen G. Hess, und sein Sohn übernahm im gleichen Jahr Verantwortung im gleichnamigen Familienbetrieb und machte ihn 2012 zur Aktiengesellschaft. Anfang 2013 wurden die beiden Vorstandsvorsitzenden des Betrugs rund um den Börsengang angeklagt. 2021 wurde Christoph Hess zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt.