Die historische Aufnahme der Bierlinger Musikkapelle stammt aus dem Jahr 1926. Foto: Archiv Musikverein

Der Musikverein „Eintracht“ Bierlingen wird 100 Jahre alt. Erstmals in der Vereinsgeschichte ist 2022 eine Frau als Vorständin gewählt worden.

Higi wurde dann auch zum ersten Vorsitzenden gewählt. Als Dirigent konnte Musikdirektor Paul Bengel aus Hirrlingen gewonnen werden. Der erste öffentliche Auftritt der Musiker war das Weihnachtsliederspielen am 25. Dezember 1923 auf dem Kirchturm. In der Chronik wird vermerkt: „Am Weihnachtsmorgen bei starker Kälte bestieg die junge Kapelle den stolzen und hohen Kirchturm und ließ zum ersten Male ihre Weisen von der Galerie erklingen.“

Das Vereinsleben schien in den Anfangsjahren nicht ganz ohne Reibereien abgelaufen zu sein. 1930 kam es zum ersten Vereinsaustritt. Auch in den Proben ging es nicht immer friedlich zu. Die Sitzung vom 30. Januar 1931 wurde „mit großem Lärm“ beendet. Im Protokoll vom 23. Januar 1932 heißt es: „Gegen 10 Uhr wurde die ausnahmsweise ruhig verlaufende Versammlung vom Vorstand geschlossen. Der neu gewählte Vorstand Alois Löffler musste für seine Wiederwahl drei Lieseln Bier bezahlen, wobei noch die höchsten Töne gesungen wurden. Mögen in Zukunft alle Versammlungen so friedlich verlaufen.“ Ein Grund für den harmonischen Ausklang war wohl auch, dass der Mitgliedsbeitrag gesenkt wurde. Da hatte sicher niemand dagegen gestimmt, zumal es eine schwierige Zeit war.

Geselligkeit war wichtig

Trotzdem wurde auch die Geselligkeit gepflegt. Weil der Musikverein 1932 beim Gaumusikfest in Hirschau wegen zeitlichen Verschiebungen nicht mehr auftreten konnten, kehrten die Musiker auf dem Heimweg in Wachendorf ein.

Nach dem Krieg ist der Musikverein schnell wieder aktiv geworden. Als „wichtiger Einschnitt“ der musikalischen Laufbahn des Musikvereins Bierlingen wird der 6. Juli 1957 genannt. Paul Schuler hielt seine erste Musikprobe in Bierlingen ab. Am 1. März 1958 übernahm er offiziell das Amt des Dirigenten, um dann erst im Jahr 2000 den Taktstock weiterzugeben. Musikalisch ging es mit ihm steil nach oben. Bei 14 Wertungsspielen führte Schuler die „Eintracht“ Bierlingen bis in die Oberstufe.

1965 fiel die weitreichende Entscheidung im Bezirk Neckar-Alb, dass alle Jungmusiker unter 18 Jahren zu einer Jugendkapelle angemeldet werden sollen. Mitte der 1970er-Jahre stieg die Zahl der Jungmusiker so rasant an, dass der Musikverein an seine finanziellen Grenzen kam. Um so wichtiger waren die Einnahmen aus Festen. 1977 richtete der Verein „Die Tage der Volksmusik“ in Bierlingen mit 30 Gastvereinen und einen Starzach-Abend aus. Es war ein „voller Erfolg“.

1997 konnten die Musiker mit einem Festakt ihr Vereinsheim einweihen. In mehr als 6000 freiwilligen Arbeitsstunden hatten sie unter der Regie des heutigen Ehrenvorsitzenden Josef Ruggaber das ehemalige Raiba-Gebäude umgebaut.

Krise ist überwunden

Zuletzt brachte die Corona-Pandemie das Vereinsleben nahezu zum Erliegen. Zudem konnten bei der 98. Mitgliederversammlung drei Vorstandsposten nicht mehr besetzt werden. Die Krise ist inzwischen überwunden: Mit Jessica Deuble, Herbert Pfeffer und Markus Kienzle ist wieder ein Vorstands-Trio im Amt. Ein Novum dabei: Erstmals in der Vereinsgeschichte ist 2022 eine Frau als Vorständin gewählt worden. „Wir haben die Frauenquote eingeführt“, sagt Jessica Deuble augenzwinkernd. Mit Birgit Wohlhüter hat die Aktiven-Kapelle auch erstmals eine Dirigentin. Zudem sind sieben der 15 Ausschussmitglieder weiblich.

Jessica Deuble ist die erste Vorständin in der Geschichte des Vereins. Foto: Steinmetz

Deuble will zusammen mit ihren beiden Vorstandskollegen zwar „der Tradition treu bleiben“, aber auch modernisieren. Sie weiß, dass dies ein Spagat ist. Doch sie denkt dabei an die Jugendlichen, für die der Musikverein trotz der vielen anderen Freizeitmöglichkeiten attraktiv bleiben soll.